Freitag, 17. Mai (19 Uhr): Bingo im Haus Eifgen

Ein Gentleman vor dem Herrn: Rabbi Wolff

Ein junger, alter Mann („Ich bin 85 und das soll so bleiben“), politischer Journalist, Parlamentsberichterstatter aus dem Unterhaus für eine der renommiertesten englischen Zeitungen, der seinen Beruf aufgibt, mit 50 studiert und Rabbi wird, Charmeur, Womanizer, überzeugender Lächler, der nie eine eigene Familie gegründet hat, rabbi-wolff_galerie_21weltläufiger Jude, der in Ascot beim königlichen Pferderennen mehr als 50 britische Pfund verzockt und meist verliert, anders als seine Freundin, die offenbar auf die richtigen Pferde setzt, Sproß einer jüdischen Familie, aus Deutschland vor den Nazis in die Niederlande emigriert, von dort nach England verschlagen, sehr spät nach Deutschland zurückkehrt, Landesrabbiner in Mecklenburg-Vorpommern wird und dort vorwiegend mit aus Russland und der Ukraine stammenden Juden zu tun hat und deshalb auf seine alten Tage noch Russisch lernt, all das ist Willy Wolff, Rabbi Wolff. „Heimat ist dort, wo die Bücher sind“, belehrt Wily, wahrhaftig ein Gentleman vor dem Herrn, wie es im Untertitel heißt, die Zuschauer. Der kleine Mann mit Hut, in Berlin geboren, hat einen britischen Pass und wohnt in einem Häuschen in der Nähe von London. Immer Mitte der Woche fliegt er nach Hamburg, steigt dort in den Zug und rabbi-wolff_galerie_12pendelt zu seinen Jüdischen Gemeinden nach Schwerin und Rostock. Samstags nach dem Gottesdienst geht es zurück nach London – es sei denn, er ist bei Verwandten in Jerusalem, auf Fastenkur in Bad Pyrmont, beim Pferderennen in Ascot, in Amsterdam oder am Ostseestrand in Heiligendamm. Denn das Leben muss vor allem Spaß machen. Ein unkonventioneller Rabbiner mit turbulentem Alltag, sieben verschiedenen Schlüsselbünden in der Sakkotasche, drei davon für das Haus in London, falls er einen mal verlieren sollte. Rabbi Wolff: das Porträt einer faszinierenden Persönlichkeit – eines tief religiösen Menschen, eines vor Lebensfreude berstenden jungen Manns, eines liebenswerten Kauzes, der sich geschmeidig und mit Charme über sämtliche Konventionen hinwegsetzt, der als liberaler Rabbiner seine strenggläubige Großfamilie mit seinem Lächeln mattsetzt. Der Film führt auch auf mitreißende Weise in die Welt des Judentums ein und präsentiert uns einen ganz besonderen deutschen Lebenslauf. Und: wer sich mit knapp neunzig Jahren nur mit einer Badehose bekleidet von einer attraktiven jungen Frau im Bikini über den Strand ins Wasser des toten Meeres führen läßt, der kann nun wirklich kein ganz schlechter Mensch sein. Kurzum: Mal wieder ein wunderbarer, unterhaltsam-lehrreicher, vergnüglicher Film, den Pfarrer Ulrich Seng für die Reihe Kirchenkino im Film-Eck Wermelskirchen ausgesucht hatte. Eine Lehrstück, eine Lektion in Menschlichkeit und Geschichte, zugleich eine Unterhaltungsrevue, ein turbulenter Ritt durch Zeiten und Gegenden, vom Heute ins Gestern und zurück, ein Panoptikum, eine Menschenschau. Danke.

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