Freitag, 17. Mai (19 Uhr): Bingo im Haus Eifgen

Gedenkveranstaltung zum Volkstrauertag 2016

Da sage niemand, in Wermelskirchen bleibe alles, wie es ist und immer schon war. Die heutige Gedenkveranstaltung aus Anlaß des Volkstrauertages hatte alles, was man von dieser Gedenkveranstaltung kennt, seit vielen Jahren: das Gedenken vor allem von Honoratioren und Würdenträgern aus Parteien und Gesellschaft an die Opfer der Weltkriege und der Gewaltherrschaft, namentlich in Deutschland; eine getragene Rede; ein stilles Gebet; Blasmusik. Heute kamen hinzu zwei junge Damen von der Musikschule, Malena (13) und Leonie Burghoff (15), die zur Gitarrenmusik zwei Lieder sangen, von Pete Seeger “Where have all the Flowers gone”, das andere gar, “Blowin’ in the Wind”, vom diesjährigen Literaturnobelpreisträger Bob Dylan. Und eine Vielzahl von Geflüchteten war dabei, neuen Bürgern der Stadt, die hier gestrandet sind, weil sie vor Krieg oder Verfolgung ihre Heimat verlassen mußten. Pfarrerin Cornelia Seng von der Initiative “Willkommen in Wermelskirchen” hatte dazu aufgerufen, die aktuellen Kriege, die Bedrohung und Verfolgung von Menschen in der direkten und mittelbaren Nachbarschaft unseres Landes in das Gedenken einzubeziehen, dieser Menschen ebenfalls zu gedenken, die ganz aktuell Opfer von Gewalt und Vertreibung werden. Helmut Muencher schließlich spielte die Trompete. Und selten war eine Veranstaltung zum Volkstrauertag so gut besucht wie heute in den Hüpp-Anlagen.

Wir dokumentieren im folgenden die Rede des Bürgermeister Reiner Bleek, die zusätzlich von Qaso Ibrahim als Arabische Übersetzung vorgetragen wurde, damit sie auch die ausländischen Teilnehmer an der Veranstaltung erreicht:

Bürgermeister Reiner Bleek zum Volkstrauertag 2016

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Frieden und Freiheit, das sind die Grundlagen jeder menschenwürdigen Existenz.“ 

Fast selbstverständlich, sollte man meinen. Mit diesem Satz von Konrad Adenauer, dem ersten Kanzler der Bundesrepublik Deutschland, möchte ich Sie zur heutigen Gedenkstunde zum Volkstrauertag 2016 begrüßen. Ich danke Ihnen, dass Sie heute hierhergekommen sind, um der vielen Frauen, Männer und Kinder aus unserem Land und aus vielen anderen Ländern zu gedenken, die Opfer von Krieg und Gewalt geworden sind. Viele dieserMenschen mussten viel zu jung sterben, weil Frieden und Freiheit der Boden entzogen worden war. Weil Frieden und Freiheit eben nicht immer selbstverständlich waren und sind.

Wir erinnern heute an die schlimmsten Zeiten deutscher Geschichte, an die beiden Weltkriege und besonders an die Nazidiktatur. Wir gedenken der gefallenen Soldaten und der getöteten Zivilisten. Wir erinnern an Menschen, die in der Gefangenschaft oder auf der Flucht umkamen. Wir gedenken der Männer und Frauen, die ihren Widerstand gegen ein menschenverachtendes Regime mit ihrem Leben büßen mussten.

 Wir erinnern an unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger, die verfolgt und vernichtet wurden, weil sie als Juden oder Mitglieder ethnischer Minderheiten nicht in das rassistische Bild der Nazis passten oder weil sie eine andere politische Gesinnung hattenDer Zweite Weltkrieg und die NS-Diktatur liegen zwar lange zurück, aber ihre Schatten reichen bis heute. Geschichte wiederholt sich nicht, wohl aber wiederholen sich menschliche Verhaltensweisen – im Guten wie im Bösen.

Unsere Geschichte hat uns gezeigt, wohin Hass, Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz führen. Gerade wir Deutschen sollten angesichts der tagtäglichen Gewalt, der viel zu vielenKriegsschauplätze in dieser Welt und auch der zunehmenden Zahl rechtsextrem motivierter Straftaten mahnend unsere Stimme erheben.

Die meisten kriegerischen Konflikte und Gewaltausbrüche unserer Zeit tragen sich in Ländern und Regionen zu, die weit entfernt von uns liegen. Wir haben die unmittelbaren Auswirkungen von Kriegsgräueln – Flucht, Vertreibung, menschliches Leid in jeglicher Form – lange nicht gespürtSeit dem letzten Jahr, seit die Opfer von Flucht und Vertreibung auch in unsere Länder gekommen sind, hat sich das geändert. Wir lernen gerade: Kriege und Gewalt in anderen Teilen der Welt gehen uns doch etwas an!!

Und auch die wirtschaftliche Benachteiligung und Ausbeutung von Ländern, die ihrer Lebensgrundlagen beraubt werden, die keine Ressourcen haben, um dem Klimawandel zu begegnen, wird Auswirkungen auf uns und unser Zusammenleben haben.

Weltweit sind laut der Vereinten Nationen derzeit schon über 65 Millionen Menschen  auf der Flucht vor Krieg, Gewalt und Unterdrückung, Armut und Perspektivlosigkeit – 65 Millionen Menschen – mehr als jemals zuvor! Sie suchen Schutz und menschenwürdige Lebensperspektiven. Viele aktuelle Bilder in den Medien heute erinnern uns an die Trecks der Flüchtlinge nach dem Zweiten Weltkrieg: Menschen, die ihre Heimat aus Angst vor Gewalt und Elend verlassen mussten. Menschen, die oft nicht mehr besaßen als das, was sie am Leibe trugen. Viele der Geflüchteten –  damals wie heute – haben den Wunsch nach Frieden und Freiheit, nach einem menschenwürdigen Leben mit dem Tod bezahlen müssen. 

All dieser Schicksale, all der Kriegstoten und Opfer von Gewaltherrschaft aller Nationen wollen wir am heutigen Volkstrauertag gemeinsam gedenken. Denn wenn niemand mehr an sie denkt, dann sind sie endgültig tot, dann kann ihr Schicksal keinem mehr etwas sagen. Wir sollten an diesem Tag auch darüber nachdenken, was jeder Einzelne von uns tun kann, um die Zustände in der Welt zu verbessern, um das Leid der Geflohenen und Vertriebenen zu mildern. Das entspricht unseren christlichen und humanistischen Überzeugungen.

Und deshalb kommt Gedenktagen wie dem Volkstrauertag nach wie vor ein hoher Stellenwert zu. Ein Gedenken, das sich der Geschichte stellt und daraus Rückschlüsse zieht, das sensibilisiert dafür, bedrohliche Entwicklungen oder die Verharmlosung von Gewalt rechtzeitig zu erkennen; das sensibilisiert dafür, jeden Menschen zu achten, ungeachtet seiner Herkunft oder seines Glaubensdas sensibilisiert dafür, Frieden und Freiheit hoch zu schätzen. Denn diese Werte sind auch in unserer Zeit keine Selbstverständlichkeit!

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, und bitte Sie, nun mit mir der Toten zu gedenken, wenn ich als Symbol für dieses Gedenken den Kranz der Stadt Wermelskirchen zu diesem Anlass in seinen Schleifen entfalte.

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