“Krise im Kreishaus”

Santelmann in der Kritik der Politik und seiner eigenen Verwaltung

VON WOLFGANG HORN

Rheinisch-Bergischer Kreis | “Krise im Kreishaus” – so titelt heute die Bergische Landeszeitung. Und: Landrat Santelmann stehe nicht nur in der Kritik der Politik, aller politischer Parteien im Kreis, sondern auch in der Kritik seiner eigenen Verwaltungsmitarbeiter. Guido Wagner attestiert der Kreisverwaltung unter Santelmann “ein Krisenmanagement ohne erkennbare Linie, eine zeitweise komplett zum Erliegen gekommene Information der Öffentlichkeit und kontinuierlich zu niedrig gemeldete Inzidenz-Werte, die jeweils schon am Folgetag erheblich nach oben korrigiert werden müssen”. Selbst dem Landrat wohlgesonnene CDU-Politiker bezeichneten “hinter vorgehaltener Hand” die Lage im Kreishaus als “desaströs”.

Der gründliche Befund von Guido Wagner über das Verwaltungshandeln in den vergangenen vier Wochen ist niederschmetternd:

  • Lange vor der Krise um den Krisenstab schon hatte Landrat Santelmann entscheidende Bereiche der Pandemiebekämpfung aus dem Krisenstab ausgegliedert und unter seine Verantwortung gestellt, beispielsweise das Impfzentrum. Warum?
  • Die vom Krisenstab eingeforderte IT-Unterstützung zur Digitalisierung von Meldesystemen sowie zur Einführung digitaler Kontaktnachverfolgung per App blieb aus.
  • In einer Situation schnell steigender Inzidenzwerte hatte der Landrat dann gegen die ausdrückliche Warnung des Krisenstabs und seines Leiters, des Kreisdirektors Dr. Erik Werdel (CDU), die Landesnotbremse ausgesetzt. Werdel wird auf seinen Wunsch von der Aufgabe entbunden, der Krisenstab stillgelegt, seine Aufgaben sollen in die regulären Verwaltungsstrukturen überführt werden.
  • Die vom Landrat gegen den Krisenstab und dessen Expertise betriebenen Entscheidungen gipfelten nicht nur im Rückzug des Krisenstabsleiters, sondern auch in der Versetzungsbitte der Landratsbüroleiterin Birgit Bär sowie in Erkrankungen und Versetzungswünschen weiterer Beteiligter.
  • Im Zusammenhang mit dieser Eskalation berichten eine Reihe aktueller und ehemaliger Mitarbeiter der Kreisverwaltung sowie weitere Kreishaus-Insider von heftigen Verwerfungen zwischen Landrat Santelmann und einem erheblichen Teil der Verwaltung bereits in den vergangenen Jahren. Auch die Fluktuation von Mitarbeitern im direkten Umfeld des Landrats sowie in anderen Schlüsselpositionen der Kreisverwaltung in den vergangenen Jahren führten sie auf die Amtsführung von Stephan Santelmann zurück.
  • Jeder Kreis ist verpflichtet, einen Krisenstab vorzuhalten. Santelmann konnte den Krisenstab nach dem Zerwürfnis also nicht auflösen. Anfänglich hieß es, er und der Kreisdirektor würden nun gemeinsam die Verantwortung für das Management übernehmen.
  • Danach war von Zusammenarbeit nicht mehr die Rede. „Der Krisenstab ist weiterhin aktiv”, ließ Santelmann verlauten 
  • Zwei Wochen nach Stilllegung des Krisenstabs will Santelmann einen Corona-Stab einsetzen, erkrankt dann aber selbst an Covid-19.
  • Dem vom Kreistag gewählten Kreisdirektor aber untersagt der Landrat ausdrücklich, das Krisenmanagement zu übernehmen, was beispielsweise die SPD-Fraktion im Kreis für rechtswidrig hält.
  • Wie sich der neue Corona-Stab genau zusammensetzen soll, bleibt unklar. Das Konzept werde erarbeitet und alsbald abgeschlossen. Einmal heißt es, neben dem Impfzentrum sei auch das Lagezentrum des Gesundheitsamts, das unter anderem für die Infektionskettenverfolgung, Kontaktpersonenermittlung und Quarantäneanordnungen Bestandteil des Corona-Stabes, andererseits erläutert Santelmann, das Lagezentrum „kooperiere“ eng mit dem Corona-Stab. Anfragen, auch nach der Leitung werden nicht beantwortet.
  • Der Landrat selbst übernimmt die Pressearbeit. In der Folge werden Anfragen von Medien und von Bürgerinnen und Bürgern nicht mehr oder kaum noch bearbeitet. Santelmann holt sich für die Öffentlichkeitsarbeit externe Unterstützung von einer Marketingkraft aus Düsseldorf.
  • Alle Vorwürfe, alle Kritik, alle Nachfragen bleiben zunächst bzw. tagelang unbeantwortet. Der Kreis kommuniziert nicht mehr, gibt kaum noch Mitteilungen über die Corona-Infektionen heraus und stellt die Postings auf der kreiseigenen Facebookseite ebenfalls weitgehend ein. 
  • Und schließlich: Die Stelle der Büroleitung zu der die Leitung der Pressestelle gehört, wird neu ausgeschrieben. Im Impressum der Internetseite des Kreises wird als Verantwortlicher für die Pressearbeit ausgewiesen: Stephan Santelmann.

In den vergangenen vier Wochen haben die Bürgerinnen und Bürger eine Kreisverwaltung erlebt, die nicht mit ganzem Sachverstand und aller gemeinsamer Kraft die Corona-Pandemie bekämpft und die Gesundheit der Menschen schützt. Vielmehr haben sie die traurige Erfahrung gemacht, daß der Leiter der Verwaltung offenbar gegen alle kämpft, keinen Stein auf dem anderen läßt, mit Willkür agiert, sich als beratungsresistent erweist, auch nahestehenden Personen gegenüber. Wer lediglich auf seine Funktion als Verwaltungsleiter pochend selbstherrlich und quasi-feudalistisch agiert, hat in einer modernen Verwaltung keinen Platz mehr. Sollte man annehmen. Das Vertrauen großer Teile der Bevölkerung in eine effiziente, geräuschlose, rechtschaffene, kompetente Verwaltung ist verspielt. Ob der Landrat das Vertrauen zurückgewinnen kann, bleibt fraglich. Eigentlich wäre es Zeit für einen Neuanfang. Vermutlich hat die Politik, namentlich die CDU im Kreis, dazu aber in einem Wahljahr nicht die Kraft. Schade drum.

Kommentar (1) Schreibe einen Kommentar

    • EDV-Schrauber
    • 09.05.21, 12:33 Uhr

    CDU-Politiker. Die zeichnen sich nie durch besondere Fähigkeiten aus. Meist eher durch gelenkte Geldströme.’Nuff Said.

    Mit freundlichem Gruß
    -EDV-Schrauber-

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