Pro Asyl zum Tag des Flüchtlings: Flüchtlingspolitische Forderungen an die neue Bundesregierung

Berlin | In der ver­gan­ge­nen Legis­la­tur­pe­ri­ode hat die Regie­rung, allen vor­an das Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um, eine Asyl­rechts­ver­schär­fung nach der ande­ren beschlos­sen. Für Schutz­su­chen­de in Deutsch­land bedeu­ten die­se gro­ße Unsi­cher­heit: Dür­fen sie in Deutsch­land blei­ben – oder wer­den sie zurück in die Obdach­lo­sig­keit in Grie­chen­land getrie­ben? Kön­nen sie sich auf ein neu­es Leben hier­zu­lan­de ein­stel­len – oder müs­sen sie mit der stän­di­gen Angst vor einer Abschie­bung leben, weil sie nur eine »Dul­dung light« erhal­ten haben? Kön­nen sie sich eine eige­ne Woh­nung suchen – oder müs­sen sie in einer der Mas­sen­un­ter­künf­te blei­ben, ohne Pri­vat­sphä­re und mit nur wenig Kon­takt zu Deutschen?

Nach der Bun­des­tags­wahl kön­nen die Wei­chen neu gestellt wer­den, wenn ein star­ker Flücht­lings­schutz im Koali­ti­ons­ver­trag ver­an­kert wird. PRO ASYL hat flücht­lings­po­li­ti­sche For­de­run­gen auf­ge­stellt, die bei den Ver­hand­lun­gen berück­sich­tigt wer­den müs­sen. Denn es geht jetzt um die grund­sätz­li­che Fra­ge, wie wir als Gesell­schaft zusam­men leben wol­len – in Deutsch­land und in der Euro­päi­schen Uni­on. In einer Gesell­schaft, die geprägt ist von Offen­heit, Demo­kra­tie, Gerech­tig­keit und Men­schen­rech­ten? Oder in einer Gesell­schaft, die auf Natio­na­lis­mus, Aus­gren­zung und Abschot­tung setzt? Die­se Grund­fra­ge muss die neue Bun­des­re­gie­rung beantworten.

Die Zeit der Restrik­tio­nen und der Kalt­her­zig­keit ange­sichts gro­ßen Leids kann vor­bei sein. Hier­für soll­ten im Koali­ti­ons­ver­trag unter ande­rem fol­gen­de Punk­te fest­ge­schrie­ben werden:

  • Fami­li­en gehö­ren zusam­men: Sub­si­di­är schutz­be­rech­tig­te Men­schen haben wie­der einen gesetz­lich garan­tier­ten Anspruch auf Fami­li­en­nach­zug. Der Nach­zug min­der­jäh­ri­ger Geschwis­ter wird gesetz­lich ver­an­kert. Die Bear­bei­tung der Visa­an­trä­ge und die Ein­rei­se nach Deutsch­land erfolgt inner­halb weni­ger Wochen digi­tal. Die bis­he­ri­gen büro­kra­ti­schen und gesetz­li­chen Hür­den müs­sen ein Ende haben, sodass schutz­be­rech­tig­te Men­schen ohne jah­re­lan­ge War­te­zei­ten mit ihren engs­ten Ange­hö­ri­gen in Deutsch­land zusam­men leben können.
  • Fai­re und rechts­staat­li­che Asyl­ver­fah­ren in Deutsch­land: AnkER-Zen­tren und ver­gleich­ba­re Ein­rich­tun­gen wer­den abge­schafft, denn Iso­la­ti­on beein­träch­tigt die Wahr­neh­mung ele­men­ta­rer Rech­te, dar­un­ter den Zugang zu einem fai­ren Asyl­ver­fah­ren. Eine behör­den­un­ab­hän­gi­ge Ver­fah­rens- und Rechts­be­ra­tung wird gewähr­leis­tet. Die Zeit in der Erst­auf­nah­me wird wie frü­her auf weni­ge Wochen, maxi­mal aber drei Mona­te beschränkt; Geflüch­te­te kön­nen mög­lichst schnell selbst­be­stimmt woh­nen und leben. So wird Inte­gra­ti­on gefördert.
  • Zugang zum Asyl­ver­fah­ren in ganz Euro­pa: Die Bun­des­re­gie­rung setzt sich mit allen Mit­teln auf euro­päi­scher Ebe­ne für ein Ende men­schen­rechts­wid­ri­ger Push­backs ein. Beschleu­nig­te Asyl­ver­fah­ren an den Außen­gren­zen sowie haft­ähn­li­che und men­schen­un­wür­di­ge Unter­brin­gung wer­den ver­hin­dert. Statt­des­sen wer­den Asyl­an­trä­ge stets inhalt­lich in der EU geprüft und Flücht­lings­schutz nicht auf Dritt­staa­ten aus­ge­la­gert. Die Bun­des­re­gie­rung setzt sich für die Schaf­fung eines unab­hän­gi­gen Kon­troll­me­cha­nis­mus ein, um Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen zu doku­men­tie­ren und zu ahnden.
  • Ver­folg­te aus Afgha­ni­stan auf­neh­men: Mit einem Bun­des­auf­nah­me­pro­gramm schützt die Bun­des­re­gie­rung gefähr­de­te Verteidiger*innen von Demo­kra­tie und Men­schen­rech­ten aus Afgha­ni­stan. Lan­des­auf­nah­me­pro­gram­me für Afghan*innen, die einen Bezug zu Deutsch­land haben, vor allem durch hier leben­de Ange­hö­ri­ge, wer­den unter­stützt. Grund­sätz­lich wer­den lega­le und siche­re Zugangs­we­ge nach Deutsch­land ausgebaut.
  • Blei­be­per­spek­ti­ven schaf­fen – kei­ne men­schen­rechts­wid­ri­gen Abschie­bun­gen: Die Asyl­rechts­ver­schär­fun­gen der ver­gan­ge­nen Jah­re wer­den rück­gän­gig gemacht. Dazu zählt auch die »Dul­dung light« mit dem Aus­bil­dungs- und Arbeits­ver­bot. Wirk­sa­me Blei­be­rechts­re­ge­lun­gen wer­den ein­ge­führt (gene­rel­les Blei­be­recht nach fünf Jah­ren Auf­ent­halt, für Fami­li­en nach drei Jah­ren, für Opfer von ras­sis­ti­scher Gewalt sofort). Abschie­bun­gen in Kriegs- und Kri­sen­ge­bie­te wie Syri­en und Afgha­ni­stan kom­men nicht in Fra­ge, eben­so kei­ne inner­eu­ro­päi­sche Rück­füh­run­gen ins Elend.

Die­se For­de­run­gen hat PRO ASYL zusam­men mit der deut­schen Sek­ti­on von Amnes­ty Inter­na­tio­nal erho­ben und bei einer gemein­sa­men Pres­se­kon­fe­renz am 30. Sep­tem­ber vorgestellt. (er, wj)

Beitragsfoto: Es liegt nun in der Verantwortung der neugewählten Bundesregierung, zu einer humanen Flüchtlingspolitik zurückzukehren © Pixabay

Kommentare (2) Schreibe einen Kommentar

  1. Hallo, wer soll das alles bezahlen? ProAsyl hat Vorstellungen die man nicht erfüllen kann. Wir Steuerzahler müssen für alles aufkommen auch für Flüchtlinge. So kann es nicht weiter gehen. Wenn ProAysl alles selber bezahlt ohne Steuergelder zu verschwenden, dann sollen sie es machen. Deutschland hat andere eigne Probleme zu klären. Es können nicht alle zu uns kommen und wir können nicht alle aufnehmen. Es muss endlich ein Stopp geben.

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    • Grauganz
    • 30.10.21, 14:05 Uhr

    Liebe Frau Kerstin Meyer-Hempel,

    das Asylrecht ist geltendes Recht in Deutschland und Europa und muß eingehalten werden. Das Asylrecht ist nach leidvollen Erfahrungen mit den Flüchtlingsströmen aus der faschistischen Diktatur in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg eingeführt und 1949 im Grundgesetz verankert worden. Der Staat und wir alle, die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, sind verantwortlich dafür, daß die Gesellschaft mit Flüchtlingen, mit Menschen, die verfolgt und drangsaliert, die gefoltert oder mit dem Tode bedroht werden, die in Kriegen und Bürgerkriegen um Leib und Leben fürchten müssen und all ihr Hab und Gut zu verlieren drohen, human umgehen und ihnen die Heimstatt bieten, die deutsche Flüchtlinge in Europa und anderen Teilen der Welt während der NS-Zeit meist nicht fanden. Das ist eine Aufgabe, die aus den geschichtlichen Bedingungen unseres Landes erwächst. Wir geben im übrigen mehr Geld aus für Rüstung und Krieg als für Flüchtlinge und ihre Hilfe.

    Gruß

    Ihr Wolfgang Horn

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