Von Wolfgang Horn
Wie sich lokale Politik restlos um jede Reputation bringt, das war gestern im Haupt- und Finanzausschuß der Stadt zu besichtigen. Es ging im Punkt 6 der Tagesordnung erneut um die Sekundarschule. Zwei Ausschüsse haben sich in den letzten Wochen bereits mit den aktuellen Entwicklungen dieser Schule befaßt, der Ausschuß für Schule und Kultur sowie der Bauausschuß. In beiden Sitzungen legte die Verwaltung den Kommunalpolitikern dar, warum, abweichend von der bisherigen Planung und den bislang gefaßten Beschlüssen, die Sekundarschule um etwa 5 bis 6 Millionen Euro teurer werden wird.
Die Anzahl der Schulkinder nämlich wird gegen alle bisherigen Planungsannahmen schneller wachsen und größer werden, so daß die Sekundarschule, die die beiden auslaufenden Haupt- und Realschulen ersetzen wird, fünfzügig errichtet werden muß, statt, wie bisher geplant, vier- bis fünfzügig. Und das kostet Geld. Natürlich. Für mehr Schüler braucht man mehr Räume und mehr Flächen, andere Flurgrößen und Lagerräume, mehr Mittel für die Ausstattung, muß man anderen Brandschutzbestimmungen gerecht werden, mehr Flächen für Schulhöfe und Parkplätze vorhalten usw.
Gestern sollte sich also der Haupt- und Finanzausschuß abschließend mit der Sekundarschule befassen, so daß der Stadtrat am kommen Montag in seiner Sitzung die erforderlichen Beschlüsse zur Finanzierung der neuen Schule fassen könnte.
Sollte. Könnte. Konjunktive. Denn die Fraktionen von CDU und FDP traten mit einem gestern erst (!) eingereichten Antrag an, demzufolge eine Beschlussfassung des Rates erst nach Vorlage der Schulentwicklungsplanung des Landes in einer Sondersitzung erfolgen solle. Zudem solle die Verwaltung erneut eine umfangreiche Sitzungsvorlage erstellen, in der Fragestellungen und Themen zum wiederholten Male bearbeitet werden, die aber längst Gegenstand der Debatten und Beschlussfassungen von Ausschüssen und Rat waren. Die Prognose der Verwaltung sei nicht valide und „halb mit einem Bauchgefühl“ erstellt worden, so Christian Klicki, der junge Chef der hiesigen Christdemokraten.
Gründlichkeit gehe vor Geschwindigkeit. Mit dieser Plattitüde brachte der CDU-Fraktionsvorsitzende den Antrag ein und die Ausschußmitglieder der anderen Fraktionen gegen sich auf.
Henning Rehse, Chef der WNKUWG, hielt die Vorlage der Verwaltung für schlüssig. An CDU und FDP gerichtet, stellte er die Frage, wann die „Suche nach einem Konsens Nonsens“ werde. Seiner Schätzung nach verzögere die CDU die Beschlussfassung über die Sekundarschule, weil etwa ein Drittel der Fraktion grundsätzlich gegen die neue Schulform sei und ein weiteres Drittel die Verantwortung für die Kosten scheue.
Für die SPD im Rat erklärte Jochen Bilstein, der gemeinsame Antrag von FDP und CDU sei aus der Sache heraus unerklärlich. Die Antragsteller kämen mit Problemen, die längst geklärt seien. Wer auf eine solche Weise mit der Sekundarschule umgehe, der fördere Mißtrauen in die neue Schulform. Hier werde verzögert, auf Zeit gespielt. Die Folge: Die Kosten stiegen weiter und es entstünde ein finanzieller Schaden.
Heinz-Jürgen Manderla, Vorsitzender der FDP-Fraktion, die schon im Oktober in der Ratssitzung gegen die Verwaltungsvorlage gestimmt hatte, äußerte gar den Verdacht, daß die Verwaltung bereits damals, im Oktober, gewußt habe, daß der Bau der Sekundarschule um fünf Millionen Euro teurer werde. Belegen konnte er das indes nicht.
Für Stefan Janosi von Bündnis 90 / Die Grünen wären die psychologischen Folgen einer weiteren Verzögerung der Sekundarschule „desaströs“ und finanziell bewirke ein solches Vorgehen eine weitere Kostensteigerung.
Manfred Schmitz-Mohr vom Bürgerforum hielt den Antrag von FDP und CDU für nicht erforderlich. Das Bürgerforum könne hier und heute über die Mehrkosten für die Sekundarschule beschließen. Die Fakten lägen auf der Hand, bessere und genauere Daten werde es nicht mehr geben und eine Versicherung gegen falsche Entscheidungen im politischen Raum gebe es nicht .
Die Verwaltung, Bürgermeister Rainer Bleek, der Erste Beigeordnete Stefan Görnert sowie der Technische Beigeordnete Thomas Marner mühten sich nach Kräften, mit ausführlichen und detaillierten Informationen die Verwaltungsvorlage zu unterfüttern und somit eine rationale Entscheidung der Kommunalpolitiker zu ermöglichen und alle Ressentiments und Vorbehalte abzubauen.
Beschlossen wurde am Ende, daß es am 18. Juni eine Sondersitzung des Stadtrates geben solle, auf der mit den ersten validen Zahlen aus der Schulentwicklungsplanung eine Beschlussfassung des Rates über die Kostensteigerung möglich werde. Schon in der Schulausschußsitzung vor zwei, drei Wochen hatte der Erste Beigeordnete der Stadt, Stefan Görnert mit einem Zitat von John F. Kennedy den Nagel auf den Kopf getroffen: „Es gibt nur eins, was auf Dauer teurer ist als Bildung: keine Bildung.“
Politiker, auch solche auf der kommunalen Ebene, singen allenthalben das Hohelied der Bildung. Dann, wenn’s um nichts geht, bei öffentlichen Fensterreden, wenn man beim Publikum punkten, man Eindruck schinden kann. Wer junge Familien in der Stadt ansiedeln wolle, der müsse die besten Schulen und allerbesten Bildungseinrichtungen vorhalten. Bla bla. Solche Sätze sind immer zu vernehmen, sozusagen als Standardrepertoire. Wenns ums Eingemachte geht, wenn entschieden werden muß, wenn zur Not unpopuläre Beschlüsse her müssen, solche, die teuer sind, dann zaudern jene, die eben noch mit dem Hohelied der Bildung unterwegs waren, dann schöben sie gerne die Verantwortung ab. Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß. Das ist keine Kommunalpolitik. Das ist ein Armutszeugnis. Erst recht, wenn die gute Bildung für Kinder gegen den Neubau des Hallenbades oder die Kunstrasenflächen der Sportplätze oder gar den Jugendfreizeitpark ausgespielt wird.
Und das Tüpfelchen auf‘s i des Verantwortung-Abschiebens ist dann noch, eine einfache Ja-Nein-Umfrage zu starten, ob die Bürgerinnen und Bürger mit einer Erhöhung der Kosten einverstanden wären… ohne Hintergründe zu erläutern.