Unantastbar

Kirche

VON WOLFGANG HORN

Das kannste Dir nicht ausdenken. Hätte ich in ein Drehbuch oder Exposé geschrieben, daß die Fraktion der rechtesten Parteien im Europäischen Parlament, ID, was für Identität und Demokratie steht, die deutschen Rechtsnationalisten und Rechtspopulisten der AfD dereinst ausschließen werde, weil diese derart extremistisch sind, daß sie die Wahlchancen der Europa-Rechten insgesamt schwächen, hätte mir jeder Redakteur diesen Plot, diese Sätze um die Ohren gehauen und gestrichen und ich dürfte nie mehr wiederkommen mit neuen Vorschlägen für eine gute Geschichte. 

Das ist die Lage. Jetzt. Die AfD versteckt ihr Spitzenpersonal der Europawahlliste. Sie dürfen keinen Wahlkampf mehr betreiben. Zu lang die Liste der Skandale. Die Beschäftigung eines mutmaßlichen deutsch-chinesischen Spions, mutmaßlich bezahlte Auftritte in der russischen Desinformationsplattform “Voice of Europe”, Nazitümelei und Verharmlosung der SS und vieles, vieles mehr. Die AfD, deren Führung die Kandidaten Krah und Bystron auf die Spitzenplätze bugsiert hat, obwohl es doch seinerzeit bereits ein Raunen gab und die chinageneigte und rußlandfreundliche Haltung der beiden kein Geheimnis in der Partei darstellte, hat nun ein richtiges Problem. Sie ist in Europa isoliert. Ohne die Fraktion wird sie erheblich weniger Redezeit, Geld, Macht und Einfluß haben. 

Mit der AfD will in Europa niemand mehr spielen. Was den rechten und rechtesten Parteien recht ist, sollte den Demokraten in Deutschland billig sein. Die AfD muß isoliert werden. So beispielsweise, wie das saarländische AfD-Landtagsfraktionsmitglied Christoph Schaufert kürzlich sein Kirchenamt entzogen bekam. Nach einer “Einzelfallentscheidung” des Bistums Trier darf er nicht mehr kirchlichen Gremien angehören. In der Begründung heißt es unter anderem, er repräsentiere die Partei nach außen und werde daher mit den in der Öffentlichkeit propagierten Meinungen dieser Partei identifiziert.

Das Oberverwaltungsgericht Münster hat die Auffassung des Verfassungsschutzes als rechtmäßig beurteilt, die AfD als “rechtsextremistischen Verdachtsfall” einzustufen. Wer in einer Partei, die des Rechtsextremismus verdächtigt wird, Funktionen innehat und Ämter, ist eben kein lupenreiner Demokrat, operiert eben nicht auf Augenhöhe mit Vertretern demokratischer Parteien. In Zeiten, in denen ein ehemaliges Bundestagsmitglied der AfD, Birgit Malsack-Winkemann, mutmaßlich an Putschplänen der „Reichsbürger-Netzwerke“ gegen den Deutschen Bundestag beteiligt war, müssen Demokraten wachsam sein und bleiben und eine klare Haltung gegen die AfD einnehmen, bereit sein, diese Partei und ihre Vertreter zu isolieren.

Insofern wundert es mich schon, daß die Stadt in ihrer Pressemitteilung zum 75. Jahrestags des Deutschen Grundgesetzes einem AfD-Funktionär das Wort gibt. 

Einer Partei, die der „Remigration“, also der Deportation von Deutschen und Nicht-Deutschen das Wort redet, darf nicht unkommentiert ein Statement gestattet werden, da der Hauptsatz unserer Verfassung so eindeutig formuliert ist: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Aller Menschen. Unantastbar.

Kommentare (2) Schreibe einen Kommentar

    • Mike Galow
    • 24.05.24, 11:01 Uhr

    Die Verwaltung der Stadt Wermelskirchen ist eine Behörde. Da gibt es Rechtsvorschriften und Klagewege, wie z.B. die Kommunalaufsicht. Die Behörde darf einen Vertreter (Person) einer Partei im Rat nicht in irgendeiner Form benachteiligen. Sonst gibt es Ärger. Und das geschriebene Recht unterscheidet nicht nach Gesinnung. Der Verwaltung sind keine Vorwürfe zu machen. Auch wenn’s weh tut…. Die Frage ist ja, wenn mehr Ratsmitglieder ein Statement abgegeben hätten, ob der Vertreter der AfD überhaupt aufgefallen wäre.
    Ich muss aber zugeben, dass ich, als ich die Mail bekommen habe, natürlich auch entsetzt war. Aber so ist das halt..

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    • Grauganz
    • 24.05.24, 15:16 Uhr

    Ich habe geschrieben, daß einer solchen Partei “nicht unkommentiert” das Wort erteilt werden darf. Auch von der Stadt erwarte ich einen Hinweis darauf, daß es sich bei dieser Partei um einen rechtsextremen Verdachtsfall handelt. Zumindest das. Auch eine Verwaltung darf Farbe bekennen und im Sinne des Artikels 1 des Grundgesetzes darauf verweisen, daß von dieser Seite aus Gefahr für den demokratischen Rechtsstaat droht.

    Wolfgang Horn

    Antworten

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