Das bürgerliche Trauerspiel in Wermelskirchen

VON WOLFGANG HORN

Tragödien spielten sich einst in der Welt des Adels ab, für den bürgerlichen Teil der Gesellschaft gab es (derbe) Lustspiele. Bürgerliche Theaterstücke waren meist grobe Komödien, Spektakel auf Jahrmarktstheatern, Hanswurstiaden. Das bürgerliche Trauerspiel entstand mit der Emanzipation des Bürgertums. Seine Tragik entfaltet sich nicht mehr in der Welt eines für die Menschheit exemplarischen adligen Helden, sondern in der Mitte der Gesellschaft. 

In der Mitte der Wermelskirchener Gesellschaft spielt sich heute ein bürgerliches Trauerspiel ab: Ein Drama. Die Tragödie der hiesigen Musikschule, die mit ihren Angeboten die ganze Gesellschaft zu erreichen sucht, ihr umfassend die Möglichkeiten zu musikalischer Bildung offeriert, aber an chronischer Unterfinanzierung leidet. Seit siebzig Jahren (!) arbeiten die Mitarbeiter und Musiklehrer der Musikschule Wermelskirchen an der musikalischen Bildung der Bürgerinnen und Bürger, der Kinder und Jugendlichen vor allem. Nicht, allenfalls halbherzig gestützt von einem Stadtrat, also der politischen Vertretung der Stadt, der offenbar den Wert kultureller und musikalischer Bildung nicht sehr hoch ansetzt und sich einer ausreichenden Finanzierung dieses einmaligen kulturellen Angebots entzieht. Notabene: Wir reden hier über einen Betrag von etwa 45.000 €uro. Angesammelt in den pandemischen Notjahren 2021 und 2022. Soll ein derartiger Kleckerbetrag wirklich darüber entscheiden, ob etwa Kinder aus bildungsbenachteiligten Schichten ein Musikinstrument erlernen können? Soll an fünfundvierzigtausend Euro wirklich scheitern, daß die Musikschule in die Kindergärten und Grundschulen tingelt, um die Kinder im allerbesten Lernalter mit Interesse an Musik auszurüsten?

Das Trauerspiel in Wermelskirchen ist nicht das Trauerspiel der Musikschule. Das Wermelskirchener Trauerspiel ist ein Trauerspiel der bürgerliche Elite der Stadt, weil es aufweist, wie wenig die mit Kultur und Musik am Hut hat. Welche Art von Menschen hier am Werk ist, erkennt man daran, daß das Bürgerforum (BüFo) und die Freien Wähler vorschlagen, für 30.000 Euro einen externen Finanzprüfer einzuschalten, der sich einen Überblick über die finanzielle Lage des Musikschulvereins machen solle. Die CDU will das aktuelle Defizit ausgleichen, gibt der Schule aber zugleich auf, Fremdmittel zu akquirieren und Einsparpläne zu machen. Lediglich SPD und Grüne treten mit der Forderung an, den jährlichen Zuschuß der Stadt wieder um 30.000 Euro zu erhöhen. 

Wenn Kultur und Musik, wenn die Musikschule der Stadt nichts wert ist, dann sollten die Politiker allesamt ihre Sonntagsreden einstellen, in denen nur allzu oft davon die Rede ist, daß man für Wermelskirchen eine Bevölkerungsgröße von etwa 40.000 Menschen anstrebe. Wie will man denn junge Familien nach Wermelskirchen locken, Familien mit Kindern, wenn die Musikschule kaputt gespart worden ist, wenn die zweite Schule mit Sekundarstufe, neben dem Gymnasium, stiefmütterlich behandelt wird, wenn nichts zählt in der Kleinstadt außer bevorrechtigtem Autoverkehr oder der Ausweis von Gewerbeflächen? 

Zum städtischen Eingemachten gehören neben Wohnungen, Geschäften, Straßen, Sport- und Freizeiteinrichtungen auch Kulturtempel aller Art, Schulen, Erwachsenenbildung, Vereine, Theater, Bühnen, Konzerthallen. In Wermelskirchen konkurrieren wir hier mit den Nachbarstädten und zwei rheinischen Metropolen, Köln und Düsseldorf. Zwischen Wuppertal und Rade, zwischen Hückeswagen und Köln, zwischen Düsseldorf und Remscheid ist das kulturelle wie Freizeitangebot riesig. Da darf in der vermeintlichen Kleinstadt mit Herz nicht der Sparstift regieren. Oder die vollkommene Abwesenheit kultürlichen Denkens. Oder wie ist der Vorschlag aus den Reihen der Parteien zu werten, daß die Musikschule ihr Angebot mit Ehrenamtlern aufrecht erhalten möge? In der Musikschule arbeiten seit mehr als siebzig Jahren gottlob bestens qualifizierte Lehrer. Oft am Rande ihrer Möglichkeiten. Der Stadtrat muß endlich beschließen, daß der städtische Zuschuß das Überleben und die Entwicklung der Musikschule Wermelskirchen sichert. Kurzsichtig kann man durchaus ein Instrument spielen. Aber auf keinen Fall kann man kurzsichtig gute Politik machen.

Beitragsfoto © RODNAE Productions (Pexels)

Kommentare (3) Schreibe einen Kommentar

    • Mike Galow
    • 10.05.22, 17:06 Uhr

    Hallo Wolfgang,
    kann es sein, dass deine Infos ein wenig älter sind und ausschließlich aus der letzten Sitzung des HuFs stammen? Nachher findet ein Gespräch mit den Fraktionsvorsitzenden und der Verwaltung statt. Auch die Zahlen liegen uns im Rahmen unserer Arbeit vor. Also einfach mal abwarten… Niemand will die Musikschule sterben lassen…

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    • Grauganz
    • 10.05.22, 18:53 Uhr

    Lieber Mike,

    das kann natürlich sein. Als kleine ehrenamtliche Unternehmung kann man mit Parteien und Politikern nicht mithalten. Neuer sind aber die Informationen in dem kleineren Teil der Lokalpresse auch nicht.

    Ich vertraue darauf, auch von Dir noch besser informiert zu werden.

    Liebe Grüße

    Wolfgang

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    • Mike Galow
    • 10.05.22, 23:01 Uhr

    Ich gebe zu, dass es etwas irreführend ist, dass die 2 Anträge auf der Tagesordnung der kommenden HuF Sitzung stehen. In der letzten Sitzung des HuFs wurde beschlossen, dass ein Treffen stattfindet, wo man über die Zahlen zur Musikschule diskutieren kann. Da war die örtliche Presse noch anwesend. Jedenfalls hat das Treffen stattgefunden, von dem ich hier aber nicht berichten werde. Am 16.05. steht das Thema wieder auf der Tageordnung des HuFs. Dann gibt es mehr Infos. Und nochmal: niemand will, dass die Musikschule dicht machen muss.

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