Ein beeindruckender junger Mann

Ein Wort zum Montag, dem 3. Januar 2022 

VON CORNELIA SENG

Einmal … ist er mit mir zur Schule gekommen. In den Religionsunterricht der höheren Klassen. Damals brauchte er schon den Rollstuhl. Wenige Jahre zuvor – bei seinem Abitur, reichten noch die Krücken. Als Mitarbeiter im Jugendkreis der Kirchengemeinde hatte er uns auf Konfirmandenfreizeiten begleitet. Jetzt war er Anfang zwanzig. Schon in den letzten Jahren seiner Schulzeit wusste er: es ist Multiple Sklerose. Unheilbar. Nur wann und wie oft die Schübe der Krankheit einsetzen würden, war offen. Die Ärzte gaben sich alle erdenkliche Mühe, und er war ein engagierter Patient. Und ein engagierter Christ.

Wie lebt es sich mit einer solchen Krankheit, mit so einer Diagnose, wenn man zwanzig ist?

Jetzt wollte er meinen Schülern und Schülerinnen Rede und Antwort stehen. Kann man mit einem solchen Leiden tapfer und zuversichtlich leben? Kann man sich trotzdem am Leben freuen? Kann man an Gott glauben?

Gegenüber der Klasse sprach er offen über den Verlauf seiner Krankheit. Er hatte leidenschaftlich Fußball gespielt und Gitarre. Beides ging inzwischen nicht mehr. Die Schüler*innen waren sichtlich betroffen. Da fragte einer, ob er Gott um Heilung, um ein Wunder gebeten habe. Und er antwortete mit einem klaren „Nein“. Er wisse sich mit seiner Krankheit von Gott geliebt und gewollt. Auch jetzt im Rollstuhl. Als Menschen sind wir Teil der Schöpfung Gottes und eben sterblich. Seine Krankheit mache das nur ungewöhnlich früh deutlich. Er habe Jesus kennengelernt und durch seine Worte Gott verstanden. Im Vertrauen auf Gott gestalte er sein Leben. Engagiert und leidenschaftlich – das merkte man ihm an.

Dann saßen wir wieder im Auto, und der Rollstuhl war verladen. Was hat das Gespräch nun gebracht? Haben die Schüler*innen das mit dem Glauben an Jesus verstanden? Haben sie verstanden, dass man im Glauben an Jesus gerne und tapfer in diesem Leben unterwegs sein kann? Würden sie es selber glauben können? „Es zu wissen, heißt noch nicht, es zu glauben“, sagte ich. Es braucht noch die erhellenden Momente, die es einem in Herz und Geist gewiss macht, dass Gott da ist. Darin waren wir uns einig. 

Und dann sagte er den Satz, der mich tief beeindruckt hat: „Aber Gott enttäuscht niemanden. Jesus lässt keinen im Regen stehen, der ihn ernstlich sucht“. Da sei er sich sicher. Gott habe viele verschiedene Wege, Menschen zu erreichen. Und dann zitierte er das Wort Jesu, das für dieses Jahr 2022 als Jahreslosung ausgesucht wurde: 

Jesus Christus spricht: „Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen.“ (Joh 6,37)

Inzwischen ist der junge Mann verstorben. Mit der Jahreslosung ist mir die Erinnerung an ihn wieder lebendig geworden. Es sind Begegnung wie diese, die dem Leben Tiefe und Bedeutung geben. Es sind Menschen, wie er es war, die mich zuversichtlich in das neue Jahr gehen lassen.

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