VON WOLFGANG HORN
Darüber sollen sich die Juristen streiten, ob die „epidemische Lage von nationaler Bedeutung“ lediglich eine juristische Konstruktion ist, die abgeschafft und durch andere Regelungen ersetzt werden muß. Aber: Die Äußerungen des bayerischen Oppositionspolitikers Dobrindt heute im Deutschen Bundestag, in dem er die Ampelparteien für die gegenwärtige Corona-Lage verantwortlich zu machen versucht, er, der mit seiner Partei die Verantwortung dafür trägt, daß der Freistaat die höchsten Inzidenzen, die meisten Erkrankungen, die wenigsten freien Intensivplätze in den Krankenhäusern und eine der geringsten Impfquoten aufweist, sind infam. Sie geben einen Vorgeschmack darauf, was im Deutschen Bundestag an Unredlichkeit noch zu erwarten sein wird. Zur Erinnerung: Es war der Gesundheitsminister Spahn, der als erster das Ende der „epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ angekündigt hat. Es war der Gesundheitsminister, der nicht verstanden hat, wie Politiker fast aller anderen Parteien mittlerweile auch, daß die Aufhebung einer womöglich unzureichenden oder gar falschen juristischen Konstruktion nicht öffentlich debattiert werden kann, indem man ein Ende der epidemische Lage formuliert. Das juristische und das Alltagssprachverständnis weichen erheblich voneinander ab. Wer kann ohne juristische Ausbildung juristische Texte wirklich durchdringen? Politiker, selbst wenn sie von der Profession her Juristen sind, sollten das allerdings wissen. Politik ist auch und vor allem Kommunikation, zutreffende Sprache, das überzeugende Argument, semantische Klarheit. Hier versagt derzeit die Politik. Die Politik, in der Tat. Alle Parteien. Leider.