Schwere Kost im Kirchenkino: Jugend Rettet

Von Wolfgang Horn

Wermelskirchen | Kirchenkino im Film-Eck, diese Kooperation zwischen der Evangelischen Kirchengemeinde Wermelskirchen und dem Kultkino „Film-Eck“ in der Telegrafenstraße präsentiert einmal im Monat einen in aller Regel nicht gefälligen Film.

Bei diesem „Filmabend der besonderen Art“, wie es auf der Homepage des Kinos heißt, werden Filme gezeigt, die sich einmischen in die gesellschaftlichen Verhältnisse, Kritik üben an politischen Verwerfungen, Position beziehen für Menschen, denen man ihre sozialen und politischen Rechte nimmt, Filme, die eintreten für Menschlichkeit und Nächstenliebe, den Schutz Notleidender und Schwacher. 

So auch heute Abend. IUVENTA wurde gezeigt. Der verstörende Film über eine Gruppe junger Leute, die im Herbst 2015 in Berlin die Initiative JUGEND RETTET gründen, mittels Crowdfunding-Kampagne einen umgebauten Fischkutter kaufen und ihn auf den Namen „Iuventa“ taufen, „Jugend“. In fast zwei Jahren Einsatz im Mittelmeer vor der Küste Libyens werden ca. 14.000 Menschen aus Afrika und Syrien vor dem Ertrinken gerettet. Im August 2017 aber wird das Schiff beschlagnahmt und von den italienischen Behörden festgesetzt unter dem Vorwurf der Kooperation mit Schlepperbanden.

Über ein Jahr lang verfolgt der Film das Leben der jungen Protagonisten, fängt die gesamte Mission ein, beginnend mit dem Moment, in dem sie in See stechen und ihr unglaubliches Vorhaben wahr wird, bis zu dem Punkt, an dem dieses mit der politischen Realität kollidiert … Die Politik blockiert die Seenotrettung im Mittelmeer, flüchtende Menschen ertrinken weiterhin. Wie müsste eine Lösung aussehen, die den humanitären Ansprüchen Europas gerecht wird? Gibt es eine? Was kann man tun, hierzulande und anderswo?

Kirchenkino ist aber nicht nur ein mitunter verstörender Film. Es ist auch, im allerbesten Wortsinn, ein Stück lokaler demokratischer Diskussionskultur. Pfarrer Ulrich Seng führt in den Film ein, erläutert Zusammenhänge oder Hintergründe und stellt am Ende bedacht Fragen, die das Auditorium beschäftigen, fesseln, zum Nachdenken anregen, der Verarbeitung des Gesehenen dienlich sein können.

Der Kinosaal war heute Abend nicht ganz so gefüllt, wie das meist beim Kirchenkino üblich ist. Ferienzeit, ein sehr schweres Filmthema, ertrinkende Menschen im Mittelmeer, das hat nur etwas mehr als dreißig Menschen, vielleicht knapp vierzig vom heimischen Fernsehgerät weglocken können.

Die Spannung war nach dem Film mit den Händen zu greifen. Und die Ratlosigkeit. Zunächst wollte sich keine richtige Debatte entzünden. Wie könnte eine Lösung im Mittelmeer aussehen? Fördert humanitäre Hilfe nicht auf verquere Weise die Fluchtbewegung aus Afrika? Wann sind die Ressourcen Europas, die unseres Landes erschöpft? Fragen, die sich den Protagonisten des Films ebenfalls gestellt haben, ohne daß der Film eine Lösung hätte aufzeigen können.

Der neokolonialistische Umgang mit Afrika, die Plünderung der Rohstoffe und das Verstopfen der dortigen Märkte, wurde kritisiert. Es werde so lange keine Lösung für die Fluchtbewegung geben können, solange der Neokolonialismus anhalte.

Andererseits mache Mut, daß sich gerade in den letzten Wochen immer mehr Menschen im Land vernehmlicher zu Wort melden, sich für die Rettung von Flüchtlingen einsetzen, die „Seebrücken-Bewegung“, sich gegen Abschiebungen aussprechen, für andere Bleiberegelungen, für ein modernes Einwanderungsgesetz. 

Das und die machtvolle Demonstration der 242.000 in Berlin (#Unteilbar) relativierte den etwas düsteren Ausblick des Film, aber auch die in den letzten Wochen spürbare Verzagtheit vieler angesichts rechtsextremistischer Mobilisierung und der Verhöhnung demokratischer Debattenkultur durch rechtsnationale und völkisch orientierte Kräfte. 

Kein Fazit. Ratlosigkeit und Hoffnung. Beides steckt im Film. Bewundernswert der Mut und die Frische, mit der die jungen Leute ihr Vorhaben erfolgreich in die Tat umsetzten. Kritikwürdig die inhumane Abschottung Europas durch die europäischen Regierungen. Es ist Zeit für Veränderung. Das auf jeden Fall.

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