Freitag, 17. Mai (19 Uhr): Bingo im Haus Eifgen

Gesprächsrunde zum Volkstrauertag

Von Wolfgang Horn

 Eine kleine, aber sehr ernsthafte Gesprächsrunde befaßte sich gestern Abend im evangelischen Gemeindehaus mit der Frage nach neuen Formen des Gedenkens am Volkstrauertag. Eingeladen hatte Cornelia Seng, Sprecherin der Flüchtlingsinitiative „Willkommen in Wermelskirchen“. Ist der Volkstrauertag ein historischer, ein zeitgeschichtlicher Tag, ein Tag des Gedenkens an die Weltkriege und ihre Opfer, vor allem der gefallenen Soldaten? Oder kann der Volkstrauertag aktuelle Bedeutung erlangen, die Opfer anderer Kriege, anderer Gewalttaten, auch solcher, die nicht in unserem Land stattfinden oder stattgefunden haben, ebenfalls würdigen? Neben den Pfarrern Cornelia und Ulrich Seng nahmen auch Flüchtlinge an der Gesprächsrunde teil, die von der Initiative „Willkommen in Wermelskirchen“ begleitet werden, sowie vor allem örtliche Politiker und Stadträte.
 
Jochen Bilstein eröffnete die Runde mit einem kurzen Einblick in die Entstehung und Geschichte des Volkstrauertages. Entstanden mit der Nationbildung im 19. Jahrhundert nach dem deutsch-französischen Krieg widmete der sich zunächst und vor allem dem Gedenken der toten Soldaten des Ersten Weltkrieges. In der Zeit des Nationalsozialismus wurde er als „Heldengedenktag“ begangen und nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Mahnmale um die Toten des Zweiten Weltkrieges erweitert. In der Frühphase der Bundesrepublik waren die Gedenkveranstaltungen vor allem Soldaten gewidmet und hatten ein militärisches Gepränge. Erst später wurden auch die zivilen Opfer der Kriege in das Gedenken einbezogen. Und erst in jüngster Zeit wurde das Volkstrauertagsgedenken weit geöffnet und man gedenkt auch all jener, „die verfolgt und getötet wurden, weil sie einem anderen Volk angehörten, einer anderen Rasse zugerechnet wurden, Teil einer Minderheit waren oder deren Leben wegen einer Krankheit oder Behinderung als lebensunwert bezeichnet wurde“, wie es beispielsweise im Text des Totengedenkens von Bundespräsident Gauck am 13. November des vergangenen Jahres hieß. Neben jenen, die den Tod im Widerstand gegen Gewaltherrschaft fanden, werden nunmehr auch gewürdigt die Menschen, die „Opfer der Kriege und Bürgerkriege unserer Tage, Opfer von Terrorismus und politischer Verfolgung“ sind. Das Totengedenken endet schließlich mit der „Hoffnung auf Versöhnung unter den Menschen und Völkern“ und dem Verweis auf die Verantwortung für den „Frieden unter den Menschen zu Hause und in der ganzen Welt“.
 
Der bald 85-jährige Friedel Burghoff, Urgestein der Wermelskirchener Kommunalpolitik, nach eigenem Bekunden seinerzeit „zu jung, um schon Soldat zu werden, und später, in der Bundesrepublik, schon zu alt, um noch Soldat zu werden“, berichtete von der Erschütterung, die ihm als Kind der Zweite Weltkrieg  bereitet hatte. Er begrüßte ausdrücklich die Ausdehnung des Gedenkens von den Soldaten der Weltkriege auf die Opfer von Kriegen, Bürgerkriegen, Gewalttaten und Verfolgung auch in unseren Tagen.
 
Pfarrer Ulrich Seng, erfahrener Redner bei Volkstrauertagsgedenkfeiern, schilderte, wie er erst bei Besuchen in der ehemaligen Sowjetunion erfahren hatte, daß im dortigen Gedenken der Toten des Zweiten Weltkrieges, anders als zunächst bei uns, der Frauen und Kinder auch immer gedacht wurde, daß die zivilen Opfer des Krieges also immer schon eine bedeutsame Rolle in der Erinnerungsarbeit gespielt haben.
 
Wolfgang Eisenreich, Mitglied des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V., berichtete, wie die diesjährige Feier vonstatten gehen werde und daß der neue Landrat, Stephan Santelmann, in Wermelskirchen die Gedenkrede halten werde. Der Volksbund sei ein erkennbar „alter“ Verband und es bereite Mühe, junge Menschen für das Anliegen zu gewinnen.
 
Jochen Bilstein erinnerte an das Gedenken an den neunten November vor wenigen Tagen auf dem Loches-Platz, das vor allem von jüngeren Bürgern der Stadt initiiert und durchgeführt worden sei. Man müsse vielleicht an derartige Initiativen anknüpfen, um dauerhaft auch eine Resonanz junger Menschen auf das Gedenken des Volkstrauertages zu erzielen.
 
Joachim Hans Lietzmann, ehemaliger Berufssoldat, Sänger in einem Chor der Ev. Kirchengemeinde und Vorsitzender der hiesigen AfD, mühte sich, eine Deutung des Liedes „Der gute Kamerad“, besser bekannt unter seiner ersten Zeile: „Ich hatt‘ einen Kameraden“, vorzunehmen, die das Schicksalhafte des Soldatischen betont, und  sprach davon, daß der Soldat des anderen Landes ein Gegner gewesen sein und nicht der Feind. 
 
„Der gute Kamerad“ aber wurde vor allem von der politischen Reaktion instrumentalisiert und diente der Beschönigung und Verklärung des Kriegsopfers und des Heldentods, auch wenn bisweilen die Position geäußert wird, das Gedicht gelte für alle gleichermaßen und der Feind werde nicht verteufelt.
 
Jochen Bilstein erwiderte, daß diese These, wenn überhaupt, bestenfalls für den Ersten Weltkrieg, keinesfalls aber für den Zweiten Weltkrieg gegolten habe, in dem die Soldaten der Wehrmacht der nationalsozialistischen Idee von den „Untermenschen“ zum Siege verhelfen wollten.
 
Moaweeh Al-Basheer, Flüchtling aus Syrien, schilderte schließlich, in noch hörbar ungewohntem Deutsch, wie es ihm ergangen ist bei seiner Flucht vor dem Krieg aus seinem Heimatland. Eine allen Teilnehmern an der Gesprächsrunde unmittelbar fühlbare und einsichtige Begründung dafür, allen Opfern von Kriegen und Gewalttaten, allen Verfolgten und Vertriebenen, allen Geschundenen die Ehre zu erweisen am Volkstrauertag am kommenden Sonntag um 11:30 Uhr in den Hüpp-Anlagen am Gedenkstein.
 
 

 

Bundespräsident Joachim Gauck hat am 13. November 2016 bei der zentralen Gedenkstunde zum Volkstrauertag im Plenarsaal des Deutschen Bundestages das Totengedenken gesprochen. Zuvor nahm er mit Vertretern der Verfassungsorgane an einer Kranzniederlegung in der Neuen Wache in Berlin teil.

Der Text des Totengedenkens lautet:

“Wir denken heute an die Opfer von Gewalt und Krieg, an Kinder, Frauen und Männer aller Völker.

Wir gedenken der Soldaten, die in den Weltkriegen starben, der Menschen, die durch Kriegshandlungen oder danach in Gefangenschaft, als Vertriebene und Flüchtlinge ihr Leben verloren.

Wir gedenken derer, die verfolgt und getötet wurden, weil sie einem anderen Volk angehörten, einer anderen Rasse zugerechnet wurden, Teil einer Minderheit waren oder deren Leben wegen einer Krankheit oder Behinderung als lebensunwert bezeichnet wurde.

Wir gedenken derer, die ums Leben kamen, weil sie Widerstand gegen Gewaltherrschaft geleistet haben, und derer, die den Tod fanden, weil sie an ihrer Überzeugung oder an ihrem Glauben festhielten.

Wir trauern um die Opfer der Kriege und Bürgerkriege unserer Tage, um die Opfer von Terrorismus und politischer Verfolgung, um die Bundeswehrsoldaten und anderen Einsatzkräfte, die im Auslandseinsatz ihr Leben verloren.

Wir gedenken heute auch derer, die bei uns durch Hass und Gewalt gegen Fremde und Schwache Opfer geworden sind.

Wir trauern mit allen, die Leid tragen um die Toten, und teilen ihren Schmerz.

Aber unser Leben steht im Zeichen der Hoffnung auf Versöhnung unter den Menschen und Völkern, und unsere Verantwortung gilt dem Frieden unter den Menschen zu Hause und in der ganzen Welt.”

(Das Sprechen des Totengedenkens durch den Bundespräsidenten bei der zentralen Gedenkstunde des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. wurde von Bundespräsident Theodor Heuss 1952 eingeführt.)

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