Tiefschlag

VON WOLFGANG HORN

Das ging ja schnell. Noch im September, das ist kein halbes Jahr her, haben die lokalen Schulpolitiker Stein und Bein geschworen, „kein Kind in Wermelskirchen zurückzulassen“. Alle sollten die Chance bekommen, nach der Grundschule die neue Gesamtschule Wermelskirchen zu besuchen. Versprochen, gebrochen. 15 Kinder können nicht aufgenommen werden. Stephan Singer schreibt in seinem Kommentar in der Bergischen Morgenpost, 15 Elternpaare, deren Kinder in diesem Jahr nicht in die Gesamtschule aufgenommen werden können, hätten zu Karneval einen Tiefschlag erhalten. Tiefschlag. Das trifft es wohl. Für jene, die sich mit dem Boxsport nicht so auskennen: Gemeint ist ein Schlag in die Eier, in die Genitalien. Das ist schmerzhaft und ungesund.

Dieser Hieb in die Genitalgegend ist ein parteipolitischer Hieb. Wir erinnern uns: Die Grünen und die FDP haben bis zuletzt für eine sechszügige Gesamtschule plädiert. Nicht, weil sie keine Ahnung hatten, sondern weil sie wohl als einzige die Zahlen aus dem Schulentwicklungsplan richtig gedeutet hatten. CDU, Bürgerforum, Freie Wähler und SPD haben gemeinsam, an den Eltern und Schüler vorbei, nein, gegen sie, eine fünfzügige Schule beschlossen, obwohl die Anmeldezahlen des vergangenen Jahres eine sehr deutliche Sprache gesprochen haben. Wer in Wermelskirchen kein Kind zurücklassen will, der muß sich dazu bequemen, den warmen Ratsstuhl mal zu verlassen und in Erfahrung zu bringen, wie es denn andernorts gelöst wird. Stephan Singer schreibt, daß Beispiele aus anderen Kommunen zeigten, dass eine Gesamtschule mit zwei Standorten reibungslos funktionieren könne.

In Wermelskirchen geht Kommunalpolitik offenbar nicht nach Vernunft und rationalen Daten. Hier wissen einige immer alles besser. Im Bereich der Schulpolitik zuvörderst. Das Debakel nahm seinen Anfang mit der Realschule und der Sekundarschule. Das zweite Jahr Gesamtschule macht das Debakel rund. Elternwille gilt hier gar nix. Ein Armutszeichen. Die Schulpolitik ist nicht nur ein Tiefschlag für die betroffenen Eltern. Die Stadt und ihre Bürgerinnen und Bürger sind getroffen. Wenn sich hier gegen alle Daten und jede Vernunft immer wieder die kompetenzanämischen Kräfte durchsetzen, schwindet auf Dauer auch das Zutrauen in die Gestaltungskraft der Lokalpolitik.

Die nächste Sitzung des Schulausschusses findet am kommenden Donnerstag, dem 15. Februar, um 17 Uhr im Rathaus statt. Das wäre der Ort für alle Eltern, auch jene, die die Gesamtschule besuchen dürfen.

Kommentare (14) Schreibe einen Kommentar

    • Petra
    • 10.02.24, 16:10 Uhr

    Diese verkürzte, vereinfachte Darstellung ist nicht nur enttäuschend, sondern auch entmutigend. Hier wird wieder einmal unterstellt, das Politiker*innen keine Ahnung haben, keinen Bezug zur Realität und auch keine Lust, sich mit schwierigen Themen auseinanderzusetzen.
    Ich kann Dir versichern: Das Gegenteil ist der Fall.
    Vielleicht solltest Du nicht zu schnell auf jeden Zug aufspringen und damit noch dazu beitragen, Politikverdrossenheit zu befeuern.

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    • Rainer Bleek
    • 10.02.24, 16:52 Uhr

    Dieser Kommentar ist leider selbst ein Beleg für Kompetenzanämie. Hier werden alle (eigentlich sehr differenzierten) Problemlagen mit Realschule, Sekundarschule und jetzt Gesamtschule – in einen Topf geworfen und mit Polemik verrührt, um dann grossen Teilen der Kommunalpolitik Unfähigkeit vorzuwerfen. Diese Art der Kritik ist unangemessen und fördert gerade in diesen Zeiten die Demokratieverdrossenheit.
    Ich habe seinerzeit jedenfalls auch gute Gründe gehört, warum die sofortige Sechszügigkeit der Gesamtschule nicht realistisch sei. Davon im Kommentar kein Wort. Auch kein Wort dazu, warum die Abkehr von der Realschule sinnvoll war.
    Mag sein, dass von der damaligen politischen Mehrheit die Entwicklung der Anmeldungen falsch eingeschätzt wurde. Dann muss diese jetzt Lösungen finden, um dem Problem abzuhelfen. Ich habe keine Zweifel, dass die Kommunalpolitik dies schafft!!

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      • Claudia Gutscher
      • 10.02.24, 18:39 Uhr

      Ich schaue auf das Ergebnis: Die Stadt Wermelskirchen schafft es nicht, allen betroffenen Kindern einen Schulplatz in der Stadt zu ermöglichen. In der freien Wirtschaft nennt man so etwas „unfähig“. Und das ist es auch.
      Es muss jetzt schnell eine pragmatische Lösung gefunden werden. Diese Situation ist inakzeptabel.

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      • Petra
      • 10.02.24, 19:56 Uhr

      Ich bin auch ziemlich sicher, dass wir eine Lösung finden werden. Das geht aber nur im Schulterschluss, wenn alle Beteiligten zusammenarbeiten. Wie seinerzeit beim Jugend-Freizeitpark (okay – da waren es auch nicht alle, die mitgezogen haben, ähnlich wie jetzt in der Ampel-Regierung).
      Wir müssen aber jetzt mal konkrete Raum-Planungen angehen. Sonst wird das nix mit der Genehmigung der Bezirksregierung.

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      • Florian Blömker
      • 10.02.24, 22:51 Uhr

      Stimmt, sie wird es schaffen. Aber wie das halt so ist mit Bränden, die man löscht. Am Ende baden es andere aus… die Schüler mit einer suboptimalen Schulplanung, Die Lehrer und Schulleiter die nicht optimal unterstützt werden, die Eltern die ihre Kinder auffangen müssen und das alles nur weil man nicht mutig war einfach mal die richtige Entscheidung zu treffen anstatt die „vernünftige“… aber egal, passt halt zu Wermelskirchen…

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      • Denisa Blömker
      • 11.02.24, 19:50 Uhr

      Kritik am politischen Vorgehen muss erlaubt sein, so weh sie allen politischen Akteuren tut. Denn darin besteht Demokratie. Und wenn Kritik nicht erlaubt ist, dann ist es keine Demokratie mehr.

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    • Grauganz
    • 10.02.24, 17:51 Uhr

    Natürlich kritisiere ich die Unfähigkeit der Mehrheit des Rates, eine Schulpolitik zu betreiben, die wirklich kein Kind zurückläßt. CDU, Bürgerforum, Freie Wähler und SPD machen eben die Mehrheit des Rates aus. Mit dieser Mehrheit ist eine sechszügige Gesamtschule verhindert worden. Wer entscheidet, ob eine Kritik unangemessen ist, Rainer Bleek? Der ehemalige Bürgermeister? Wohl kaum. Der ist eher Bestandteil des Wermelskirchener Establishments. Das ist nicht ehrenrührig. Aber auch kein Beweis für eingebaute Weitsicht oder großen Überblick. Wenn sich jemand gegen die Politikverdrossenheit beharrlich zur Wehr setzt, täglich informiert, auch motiviert, die eigenen Interessen in die eigene Hand zu nehmen, aktiv zu werden, in einem Maße, wie es die politischen Parteien nicht tun oder tun können, dann ist es das Forum Wermelskirchen. Es ist nicht die Zeit für gute Ratschläge an Kritiker. Es ist hohe Zeit, daß Politik erklärt wird, immer wieder, daß man die Interessen darlegt, denen man folgt, daß man sich mit von Regelungen Betroffenen immer wieder geduldig befaßt. Merkwürdig, nein: denkwürdig ist in jedem Fall, daß sich Sozialdemokraten gegen den Kommentar wenden und Christdemokraten und die Stadtverordneten in ihrem Sprengel lauthals schweigen. Die Medien in der Stadt waren schon zum Zeitpunkt der Debatte so wenig für die Fünfzügigkeit der neuen Schule wie die Eltern. Immerhin haben mehr als tausend Bürgerinnen und Bürger seinerzeit eine entsprechende Petition unterschrieben. Das sind die Menschen, die eine Debatte erwarten dürfen, die das Ohr der Parteien brauchen. Ich halte Kritik von Parteivertretern gut aus. Dafür bin ich lange genug Mitglied einer politischen Partei und kenne auch lange genug die Spielregeln. Gegen die verstoße ich in solcherlei Fällen gerne. Auch mit Polemik.

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      • Petra
      • 10.02.24, 20:01 Uhr

      Die Sechszügigkeit ist nicht aktiv „verhindert“ worden!
      Wir brauchen konkrete Vorschläge für die Raumplanung. Ohne die gibt es keine Genehmigung der Bezirksregierung.

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        • Florian Blömker
        • 10.02.24, 22:07 Uhr

        Nun, ich saß dabei. Für mich sah das sehr eindeutig nach aktiver Verhinderung aus. Wenn fast „einstimmig“ dagegen gestimmt wird 6 Züge zu beschließen, ist das eine eindeutige Ablehnung. Hier hätte man einfach mal entscheiden müssen FÜR die Zukunft von Wermelskirchen… In der Wirtschaft wäre das UNDENKBAR! „Chef, ich hab den Auftrag des potenziellen Großkunden abgelehnt, ich glaube nicht das wir das schaffen, ich hab schließlich schon meinen Urlaub geplant“… da wird einfach mal der Urlaub storniert und Überstunden gemacht!

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    • Hartmann
    • 10.02.24, 18:03 Uhr

    Die Kinder um die es geht sind nicht erst seit gestern da.
    Es hätte damit gerechnet werden müssen seit Jahren das hier was an den Schulen passieren muss , ebenfalls an Räumlichkeiten.
    Es macht uns Betroffene mehr als traurig das es einfach abgetan wird von einigen nach dem Motto :: ist halt so ” kein Geld, keine Räumlichkeiten etc.pp

    Aktiv werden heißt es und Lösungen finden. Denn alles andere ist eine Zumutung! Wir Eltern werden ebenfalls am 15.02 dort sein .

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    • Unsere Wermelskirchener Wähler haben Zukunft Wermelskirchen e.V. 2020 einen Sitz im Schulausschuss ermöglicht. Dieser ist jetzt Futsch. Ein weiterer Tritt in die Magengrube der Wähler. Wir hätten euch Eltern gerne unterstützt.

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    • Klaus Ulinski
    • 11.02.24, 6:39 Uhr

    Sorry, muß hier doch mal kurz was loswerden: Weil da im Forum so viel geklagt wird, dass Wolfgang mit seinem Kommentar eher zu noch mehr Politikverdrossenheit beitrage und das die Kritik, die der Kommentar ausdrückt vollkommen unverständlich sei: Liebe Freunde in der Politik: Politikverdrossenheit entsteht nicht dadurch, politische Umsetzungsdefizite zu benennen! Es ist eher so: Wenn man sich als Normalbürger und Eltern, die sich in der Regel dadurch auszeichnen, Macher und Umsetzer als Mutter, Vater und täglich als Arbeitnehmer oder Unternehmer zu sein, wenn man sich in diesen Forumkommentaren anhören muß, dass man eigentlich von den „komplexen Dingen“ keine Ahnung habe, dass man nun in „Raumplanungen“ einsteigen müsse und die Kommunalpolitik das schon schaffe…, dann ist genau so ein Geschwafel ein Beitrag dazu, dass die Leute noch politikverdrossener werden. Ich bin entsetzt darüber, dass so wenig Zukunftskompetenz aus dieser Kommunalpolitik ausstrahlt. Die Politiker-Kommentare im Forum sind Eigentore!

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      • Claudia Gutscher
      • 11.02.24, 12:02 Uhr

      Ganz genauso ist es.
      Der Auftrag ist da und jeder Arbeitnehmer und jede Arbeitnehmerin kennt das. Manchmal ist es schwierig, manchmal ist es fast unlösbar. Trotzdem muss man ein Ergebnis abliefern. Man strengt sich an, haut rein, ist kreativ, geht eine Extrameile. Oder auch zwei.

      Man stelle sich einmal vor: In einem solchen Fall würde mal einfach gemeinsam mit den Kollegen beschließen, dass man den Auftrag nicht erledigt. Zur Zeit habe man keine Ressourcen, vielleicht später. Mal abwarten.

      Ich bemühe erneut die Wirtschaft. In einem solchen Fall ist die Konsequenz sehr klar. Dann fliegt man irgendwann raus. Das geht in der Politik bedingt, in der Verwaltung fast gar nicht. Und so kann man schön gemütlich weitermachen, ab und zu kommt mal ein Sturm im Wasserglas, den hält man dann aus. Bloß nicht out of the Box denken.

      Und dann regt man sich noch darüber auf, dass man für sein Verhalten kritisiert wird. Ohne Worte.

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    • Kevin Felten
    • 11.02.24, 16:05 Uhr

    Ah, Petra Weber will sich mal mit Raumplanung beschäftigen. *tusch*

    Und wieder sind Monate ins Land gegangen, in der die SPD und der schlaue Rest es besser wussten und mit Ansage vor die Wand gefahren sind. Aber es gibt ja mindestens 345 Gründe die man der FDP und den Grünen jetzt vorwerfen kann warum deren Antrag Murks war. Oder man sieht einfach mal seinen Fehler ein.

    *Ironie an* Die Eltern und Kinder die betroffen sind werden sicherlich wohlwollend die Raumplanung zur Kenntnis nehmen. *Ironie aus*

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