Mitgliederversammlung der Wermelskirchener Tafel e.V.. Gestern Abend. In den Räumen der katholischen Pfarrgemeinde St. Michael. Fünf Herren und fünfzehn Damen. Allesamt jung geblieben.
Das übliche Prozedere eines deutschen Vereins, Genehmigung des Protokolls der letzten Versammlung, Vorstandsberichte, Rechenschaftsbericht, Kassenbericht, Ausblick auf die zukünftige Arbeit. Aber: Die Tafel Wermelskirchen ist kein normaler Verein.
In ihrem Geleitwort stellte die Schirmherrin, Enne Maus, auf den lokal-globalen Zusammenhang der Tafelarbeit ab. “Wir wissen nicht, was auf uns zukommt: Terrorismus, Kriege in Afrika und Asien, die die Menschen dazu gebracht haben, zu flüchten. Wir wissen nicht, wie – politisch gesehen – die ‘Trump-Regierung’ sich auswirken wird und wie sich unsere Zukunft entwickelt. Diese Unsicherheiten haben im vergangenen Jahr unsere Tafel wachsen lassen.”
Die Kunden, so werden tafelintern die Menschen genannt, die betreut und versorgt werden, mit Nahrungsmitteln, Kleidung, Möbeln, Fahrrädern oder Kinderwagen, Haushaltsgeräten, die Kunden also sind mehr geworden im vergangenen Jahr. Tausend Menschen in 428 Haushalten werden Woche für Woche von den ehrenamtlichen Helfern der Tafel betreut und versorgt. Das alles wird geleistet mit einer gleich geblieben Anzahl von Helfern. 40 Ehrenamtliche helfen bei der Ausgabe, 5 in der Kleiderkammer, und 7 Fahrer und Beifahrer holen die Lebensmittel und Spenden mit den Fahrzeugen der Tafel bei den Gebern ab. Enne Maus würdigte die Leistung der Tafel-Mitarbeiter: “Jeder Einzelne von Ihnen muß eine Spitzenleistung erbringen, um diese Herausforderungen zu meistern. Sie haben Großartiges geleistet!”
Brigitte Krips wies als Vorsitzende der Tafel darauf hin, daß es nicht nur die die Herausforderung wachsender Kundenzahlen gibt. Die größere Anzahl von Flüchtlingen beispielsweise mache große Kreativität der Helfer für eine gelingende sprachlichen Verständigung erforderlich. Die Öffnungszeiten müssen ständig angepaßt werden. Und, das zweifellos größte Problem der hiesigen Tafel: Die ehrenamtliche Hilfe wird in einem vollkommen maroden Gebäude geleistet. Der Boden fault. Das Dach ist undicht. Der Platz vor dem Gebäude voller Schlaglöcher, so daß die Anlieferung der Waren mitunter problematisch ist. Ein städtischer Architekt hat der Tafel bescheinigt, daß es gar keinen Sinn mache, weiter in diese völlig kaputte Behausung auch nur einen Cent zu investieren.
Zehn Jahre besteht die Tafel in Wermelskirchen. Die Zusammenarbeit mit Firmen, mit Unternehmen, die Waren und Geld spenden, mit den Bürgern der Stadt, der Verwaltung hat sich prächtig entwickelt. Das Spendenaufkommen ist beständig hoch. Die Hilfsbereitschaft ist ungebrochen. Menschen aus 39 unterschiedlichen Nationalitäten werden versorgt. Die Geschichte der Wermelskirchener Tafel ist die Geschichte eines ungebrochenen Erfolgs. Helga Loepp, letzte ehrenamtliche Bürgermeisterin in Wermelskirchen und nunmehr Kassenprüferin der Tafel, ließ sich lobend aus über die innere und äußere Verfassung der Tafel. “Die Aktivitäten der Tafel und die Spenden der Menschen in Wermelskirchen zeigen, daß es doch eine soziale Kultur in Wermelskirchen gibt.”
Und der Ehrenbürger der Stadt und langjährige Bürgermeister, Heinz Voetmann, regte an, doch aus der Mitte der Versammlung spontan eine Resolution aufzusetzen und zu verabschieden, die die Verwaltung der Stadt und die politischen Parteien mahnt, der Tafel menschenwürdige Arbeitsbedingungen zu schaffen.
Die spontan entstandene Resolution hat folgenden Wortlaut:
“Die Tafel in Wermelskirchen ist für den sozialen Zusammenhalt in unserer Stadt unverzichtbar.
Die Arbeit der ehrenamtlichen Mitarbeiter der Tafel wird indes in einem vollkommen maroden Gebäude unter unzumutbaren Bedingungen geleistet.
Wir, die Mitgliederversammlung der Tafel Wermelskirchen, fordern die Verwaltung der Stadt und die politischen Parteien auf, zeitnah eine erhebliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen zu schaffen.
Andernfalls besteht die Gefahr, daß wir die Arbeit der Tafel nicht mehr werden leisten können.”
À propos Parteien. Keine Partei war zur Mitgliederversammlung der Tafel erschienen. Keine. Keine Partei hatte es für nötig befunden, einer der wichtigsten sozialen Einrichtungen in der Stadt, einem der größeren ehrenamtlichen Hilfsprojekte in Wermelskirchen die Referenz zu erweisen. Das, finde ich, ist ein Armutszeugnis der politischen Parteien in Dellmannstadt. Wahlkampf, Haushaltsberatungen, Dezernentenwahl, was auch immer: Es gibt keinen Grund, zur Mitgliederversammlung der Tafel nicht zu erscheinen oder nicht wenigstens den Ehrenamtlern gehörigen Dank abzustatten. Die Tafel ist ein wesentlicher Garant für den sozialen Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Ihr gebührt die Aufmerksamkeit aller Parteien. Was, wenn die Tafel ihre Arbeit einstellen muß, weil man ihr keinen angemessenen Platz gibt, ihr keine Beachtung schenkt, ihr nicht hilft, Nachwuchs zu finden und neue ehrenamtliche Helfer zu gewinnen? Man mag nicht darüber nachdenken.
Wer sind “die Parteien” in diesem Zusammenhang? Ich persönlich bin Mitglied der Tafel, weil ich die Arbeit, die hier geleistet wird, äußerst unterstützendswert finde. Und ich war auch bei mehreren Jahreshauptversammlungen bisher. Brigitte Kripps ist CDU-Mitgleid, ebenso Helga Loepp – und noch mehr Mitglieder, die mir hier nicht alle einfallen, gehören einer Partei an.
So what?
Manchmal ist es förderlicher, wenn Parteien als solche sich zurückhalten. Jede und Jeder engagiert sich halt so, wie er/sie es einrichten kann. Man kann nicht ein ehrenamtliches Engagement gegen ein Anderes aufrechnen.