Pyrrhus ist ein Dellmann

Oder: Wie sich Selbstdemontage im Stadtrat breitmacht 

VON WOLFGANG HORN

Wer einen Pyrrhussieg erringt, hätte sich die Mühe auch sparen können, so sagt man. Die Redewendung drückt aus, daß ein Sieg nutzlos sein kann, mitunter gar einer Niederlage gleichkommt. Pyrrhus, ein griechischer Heerführer, hatte die Römer mehrfach besiegt, wurde dabei aber derart geschwächt, daß ihm nichts blieb, als bei den Besiegten um Frieden nachzusuchen.

Ein durchaus vergleichbares Schauspiel bot sich am Montag im Rathaus, als sich der Stadtrat mit einem Aufruf der SPD-Fraktion zu befassen hatte. Es ging um das Niveau öffentlicher Politischer Kommunikation und die Verrohung der Sprache, derer sich bisweilen auch einige hiesige Kommunalpolitiker befleißigen, insbesondere in sozialen Medien und Internetforen. 

Um es kurz zu machen, hier das Ergebnis der Abstimmung nach einer längeren Debatte: Den Antrag der Sozialdemokraten lehnte eine Mehrheit aus CDU, Bürgerforum, FDP, WNKUWG und AfD gegen die Stimmen von SPD, Bündnis90/Grüne, Fraktion FÜR und dem fraktionslosen Rainer Schneider (ursprünglich Die Linke) sowie dem Bürgermeister ab. 

Soweit ein – erwartbarer – Sieg der vermeintlich bürgerlichen Mehrheit im hiesigen Stadtrat. Ein Sieg indes, der durch die vorangegangene – erstmalige – Debatte im Rat über Kommunikations- und Sprachkultur bereits während seines Entstehens deutliche Risse in der Siegerfassade hinterlassen hat.

Die bürgerliche Mehrheit im hiesigen Rat ist brüchiger, als es auf den ersten Blick zu sein scheint. Christian Klickis erster Satz in der Debatte war, daß sich die Union gegen jede Form von Hetze und Diffamierung wende. Klicki ist Chef der größten Fraktion im Rat, der CDU. Oliver Platt, Fraktionsvorsitzender des Bürgerforums, stellte sich in seiner „Erwiderung“ auf den Antrag inhaltlich mehr auf die Seite des Antragstellers, Jochen Bilstein von der SPD. Für das Büfo seien die öffentlich zu lesenden Statements auch von Ratsherren in sozialen Medien „unerträglich“. Was im Netz geschehe, sei „gruselig“. Horst Walter Schenk, ehemaliges FDP-Mitglied und Fraktionsvorsitzender der FÜR-Wermelskirchen Fraktion, gemeinsam mit der CDU-Abtrünnigen Jutta Hildner und dem rechtskonservativen Andreas Müßener, wies auf, daß die im SPD-Antrag beschriebenen Werte wichtig seien und der öffentliche Appell erforderlich. Die drei Bürgerlichen stimmten schließlich für den SPD-Antrag, die CDU und das Bürgerforum gegen ihn. 

Im kommenden Jahr finden die Kommunalwahlen statt. Es geht um die Mehrheit im Stadtrat und das Amt des Bürgermeisters. In der strukturkonservativen Stadt Wermelskirchen stellt die größte Fraktion seit gefühlt ewigen Zeiten nicht mehr den Bürgermeister und muß sich die Macht im Rat zudem mit den nicht immer „auf Linie“ befindlichen CDU-„Töchtern“ Bürgerforum und WNKUWG teilen. Schlimmer noch: Selbst die bisweilen auf rechten Abwegen befindliche WNKUWG, die mitunter die Nähe zur AfD herstellt, wird gebraucht. Eine politische Mehrheit kommt derzeit und absehbar aus der Sicht der christdemokratischen Verantwortlichen nur zustande, wenn die Freidemokraten und die CDU-Abspaltungen mit der CDU zusammenwirken. Wer sich aus diesen „Kreisen“ jetzt, also zur Unzeit, auf die Seite von Sozialdemokraten und Grünen schlägt und dem kleinen, radikalen Teil der vermeintlich bürgerlichen Mehrheit attestiert, gegen Anstand und Kultur in der Politik zu wirken und zu Verrohung der öffentlichen Sprache beizutragen, gefährdet das Vorhaben, endlich aus der politischen Mehrheit auch eine numerische zu machen. 

Das Aus für den SPD-Antrag dürfte den Antragstellern durchaus das ertwartbarste Ergebnis gewesen sein. Die Wahrscheinlichkeit, daß sich größere Teile der liberalen und konservativen Fraktionen ohne den Blick auf Wahlen und Mehrheiten inhaltlich mit den Verwerfungen der politischen Kommunikation auch in Wermelskirchen befassen, mit der gruselig-rohen Sprache mancher Beiträge bei Facebook und Co., mit den beleidigenden Bezeichnungen für politische Mitbewerber, mit der Hetze gegen Kanzlerin, Eliten, Flüchtlinge oder Minderheiten dürfte realistischerweise ohnehin nicht sehr ausgeprägt gewesen sein.

Das aber entwertet die Anstrengung keineswegs. Es ist durchaus ein politischer Fortschritt, wenn die Politische Kultur, die politische Sprache, die Rahmenbedingungen für die Sicherung der Demokratie und des Gemeinwesens in einem Stadtrat ebenso behandelt werden wie Bebauungspläne, der städtische Haushalt oder Stadtsatzungen und Entwicklungspläne.

Im „bürgerlichen“ Lager, um einmal diese umstrittene Rede- und Denkweise aufzunehmen, sind die Signale, die der SPD-Antrag enthalten hat, durchaus aufgenommen worden. Gegen eine Unterstützung wurde etwa eingewendet, seitens des Bürgerforums, daß der Stadtrat nicht der geeignete Ort für eine derartige Resolution sei, man aber den gesunden Menschenverstand zur Bewertung derartiger Auswüchse der Kommunikation gebrauchen müsse. Die CDU ließ sich ebenfalls nicht zu einer Unterstützung von Aussagen und Kommunikationsweisen bewegen, die im SPD-Antrag deutlich kritisiert worden waren. Sie bemühte das Argument, der Antrag zerfalle in einen eher politischen und einen eher juristischen Teil. Und dieser, der formal-juristische Aspekt hindere die CDU an einer Unterstützung des vorgelegten Antrages. Zudem vermisse sie Hinweise und Beispiele für unangemessene Kommunikationsformen sowie rohe und beleidigende Sprache aus dem linken Politik-Bereich. Ein Argument, das so furchtbar neu nicht wirklich ist. Ob es wirklich am Ende mehr ist als eine Hilfskonstruktion, wird sich weisen. Kurzum: Keine einzige bürgerliche Fraktion fand sich bereit zur offenen und uneingeschränkten Unterstützung der in den vergangenen Wochen in der Stadt deutlich gewordenen unbürgerlichen Politikkultur und roh-beleidigend-polarisierenden Sprachverwendung. Gleichwohl bleibt zu konstatieren, daß es noch Luft nach oben gibt, wenn es um die Entwicklung von politischem Mut geht, daß es in anderen Gliederungen der CDU schon erheblich entschiedener zugeht, wenn eine grundlegend-christliche Haltung gegen populistisch verkürzende, spalterische und hetzende Sprache gefordert ist.

Verteidigt gegen den SPD-Antrag wurde die seit Wochen öffentlich nachlesbaren Ergüsse in den sozialen Medien lediglich von den drei Vertretern der WNKUWG, die sich an der Debatte beteiligten, Jan Paas, Thorn Seidel sowie Henning Rehse, sowie dem Vertreter der AfD. Ein schmale und schale Basis. Verteidigt in der bekannten Manier. Dem Versuch, sich mit dem Problem vom Kommunikationsniveau auseinanderzusetzen, wurde die Einschränkung der Meinungsfreiheit entgegengehalten oder das sattsam bekannte Muster von der „links-grünen Verbotsgesellschaft, der Haltungszensur“. Nichts wirklich Neues also in Wermelskirchen.

Halten wir fest: In unverbrüchlicher Treue verbunden sind sich die vermeintlich „bürgerlichen“ Fraktionen in Dellmannstadt nicht. Nicht mehr. Das Facebook-Niveau zeigt Wirkung. Bescheiden noch, in Ansätzen erst. Was aber seinerzeit auch zur überraschenden Wahl eines sozialdemokratischen Bürgermeisters in Wermelskirchen führte, nämlich die offene Teilung des „bürgerlichen“ Lagers, ist keineswegs überwunden, sondern könnte sich gar verstärken. Pyrrhus ist ja auch ein Dellmann, ein griechischer. Das kann man sogar dem Bericht von Udo Teifel in der Bergischen Morgenpost entnehmen, ohne größere hermeneutische Kunststückchen anwenden zu müssen:

Zum Abschluss polterte Henning Rehse in seiner unnachahmlichen Art: Er sprach von Ökodiktatur, von einer SPD in der Rolle des willfährigen Büttels, von den Grünen und der Kanzlerin, die zur Spaltung Deutschlands beitrügen. Er und auch viele andere Deutsche wollen nicht dieses „merkwürdig bunte Deutschland“, wie es sich die Grünen vorstellen.

Beitragsfoto: Die Schlacht bei Asculum. Pyrrhus Schlug die Römer mit Kampfelefanten. Die Römer wussten nicht so recht, wie sie sich dieser Ungetüme erwehren sollten. Zunächst.

Kommentare (5) Schreibe einen Kommentar

    • Stefan Janosi
    • 09.10.19, 17:58 Uhr

    Aus meiner Sicht ein etwas merkwürdiger Artikel. Nicht nur weil die einzige Fraktion die sich, neben Horst Walter Schenk, in einer längeren Stellungnahme vehement gegen den unsäglichen Sprachduktus und für den den SPD Antrag ausgesprochen hat (Bündnis 90/Die Grünen), in dem Beitrag keine Erwähnung findet. Auch die Definition des “bürgerlichen Lagers” scheint mir doch eher in die Hände derjenigen zu spielen, die sich als “bürgerlich” sehen, sich sprachlich aber immer weiter von diesem Begriff entfernen.

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    • Ace Ventura
    • 09.10.19, 18:50 Uhr

    Och der Herr Janosi ist eingeschnappt weil seine Partei keine Erwähnung gefunden hat. Welch ein Skandal im nahezu hauseigenen höchst objektiven Privat Kanal.
    Dieses Mimimi kann einem ja fast die Tränen in die Augen treiben … .

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    • Horst Walter Schenk
    • 09.10.19, 19:36 Uhr

    Die Rückmeldung aus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist nachvollziehbar. Stefan Janosi war es, der sich in der Ratssitzung in unmissverständlicher Klarheit hinter den Antrag der SPD-Fraktion stellte, und sich mit einem Appell für den sorgsamen Umgang mit Sprache an alle Ratsmitglieder wandte. Hatte Jochen Bilstein den Antrag – in wesentlichen Teilen – grundlegend allgemein vorgetragen und begründet, so war es Stefan Janosi, der ihm eine Wermelskirchener Note gab.

    Wer sich zum „bürgerlichen Lager“ zählt (zählen kann/sollte) und als solcher erkennbar ist, ist zweifelsohne umstritten. Auch Wolfgang Horn gebraucht „diese umstrittene Rede- und Denkweise“ offenbar in Ermangelung einer besseren Alternative.

    Ein Pyrrhussieg war es, den CDU, Bürgerforum, FDP, WNKUWG und AfD am Montag erstritten haben. In dieser Einschätzung kann man Wolfgang Horn nur beipflichten.
    Wir haben es als RAT, als gewählte Vertretung der Bürger der Stadt Wermelskirchen nicht geschafft, uns von den “unerträglichen” Sprachverwirrungen (in sozialen Netzwerken …) zu distanzieren und positiv abzuheben. Es ist uns nicht gelungen, mit einer (mehrheitlicher) Stimme für Anstand, Ehrlichkeit und Fairness zu werben. Wir sind insoweit unserer Vorbildfunktion nicht gerecht geworden.
    Es hätte ein schönes, positives Zeichen sein können. Es sollte nicht sein. Die Gründe sind vielfältig. Sogar verletzte Eitelkeiten scheinen eine Rolle gespielt zu haben. Die größte Fraktion im Rat ließ anklingen, dass sie ja durchaus willens gewesen wäre, aber die SPD Fraktion sei mit dem Antrag ohne Absprache vorgeprescht … deshalb könne man jetzt auch nicht zustimmen.

    Der Blick über den Tellerrand und der Mut, über den eigenen Schatten zu springen, wäre oftmals wünschenswert.

    Lieber Wolfgang Horn, zum Abschluss eine kleine Anmerkung in eigener Sache. Sie haben Recht. Im Herzen bin ich weiter ein Liberaler. Das Parteibuch der FDP habe ich aber aus „formalen Gründen“ zurückgegeben.
    Horst Walter Schenk

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    • Grauganz
    • 09.10.19, 19:48 Uhr

    Sorry, Herr Schenk, bislang ging ich davon aus, daß Sie lediglich aus der Fraktion der FDP ausgeschieden seien. Ich habe den Beitrag soeben entsprechend geändert. Ich beabsichtige durchaus, die schriftliche Fassung der Beiträge vom vergangenen Montag zu veröffentlichen, so sie mir dafür zur Verfügung gestellt werden. Ansonsten stimme ich Ihnen und Ihrem Kommentar vollständig zu. Für mich gehört zu den wichtigen bürgerlichen Tugenden auch der Mut, gegen den Strom, den Partei-Mainstream zu schwimmen, wenn es der Anstand gebietet, die Kultur, die Erziehung. Nicht alles darf der Macht untergeordnet werden.

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    • Andreas Müßener
    • 09.10.19, 22:28 Uhr

    rechts·kon·ser·va·tiv
    /réchtskonservativ/
    AdjektivPOLITIK
    einem Konservativismus (1b) anhängend, der nationalistische und antidemokratische Züge aufweist

    Der eigene innerliche monothematische Stream von Wolfgang Horn verbietet es ihm, sich vernünftig zu meiner politischen Vergangenheit zu äußern. Die Zuordnung “rechtskonservativ” ist wohl jedes Mal ein verzweifelter Versuch der Präkognition. In der Hoffnung, dass das, was er seit Jahren falsch darstellt, vielleicht doch irgendwann einmal in der Realität zutrifft, um aus der Gefangenschaft der eigenen Intoleranz bequem zu entfliehen.

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