“Elternschule” im Film-Eck

Eine Nachbetrachtung von Wolfgang Horn 

Wermelskirchen | Gestern Abend im Film-Eck auf der Telegrafenstraße: KirchenKino. „Elternschule“ wurde gezeigt, ein Film über die Arbeit der Abteilung „Pädiatrische Psychosomatik“ der Kinder- und Jugendklinik Gelsenkirchen. Ein nicht unumstrittener therapeutischer Ansatz und ein ebenso umstrittener Film.

Erziehung boomt. Erziehungsratgeber in Buchhandlungen und Büchereien haben Konjunktur. Kein Wunder also, daß die Stuhlreihen im ehrwürdigen Kinosaal voll besetzt waren. Mehr noch. Sehr viele relativ junge Besucher senkten den üblichen Altersschnitt der KirchenKinobesucher erheblich. Das dürfte das jüngste KirchenKinoauditorium seit langem gewesen sein.

„Elternschule“ ist ein sperrig-verstörender Film über Kinder und Eltern im chronischen Streß. Eltern am Rande ihrer Möglichkeiten, weil die Kinder nicht schlafen, nicht essen, permanent schreien, aggressiv reagieren. 

In der Ankündigung hieß es: „Selten hat ein Dokumentarfilm eine derart kontroverse Debatte ausgelöst.“ Wohl wahr. Eine Debatte entspann sich nach zwei anstrengenden Stunden Film auch im Wermelskirchener Film-Eck. Zwar verließ etwa die Hälfte der Besucher unmittelbar nach der Vorführung das Kino. Aber viele nutzten auch die Gelegenheit, den Film noch zu besprechen, das Gesehene mit anderen zu diskutieren, Eindrücke auszutauschen, die Machart des Films und den therapeutischen Ansatz der Klinik genauer unter die Lupe zu nehmen.

Das ist, neben der Auswahl der Filme, die sich in aller Regel einmischen, in die Gesellschaft, in Politik, in Religion, in Kirche, in Geschichte oder Wissenschaft, eine große Stärke des KirchenKino Wermelskirchen: Hier wird ein Gespräch vermittelt. Die kluge Einführung von Ulrich Seng vor dem Film, die behutsamen Fragen nach der Vorführung stiften eine vertiefende Debatte unter den Zuschauern. Wo gibt es das sonst noch, daß ein mediales Angebot, ein Film zu einem Gespräch der Zuschauer führt? Im Fernehen nicht mehr, wegen des beständig seichter werdenden Programmangebotes und der Atomisierung der Sender, und im Mainstream-Kino der Blockbuster regiert gnadenlos die Unterhaltung.

Wir Wermelskirchener sollten uns glücklich schätzen, daß uns Cornelia und Ulrich Seng von der Evangelischen Kirche sowie Christel und Klaus Schiffler vom Film-Eck allmonatlich die Gelegenheit geben, einen anregend-anstößigen Film zu sehen und in ein kritisches Gespräch mit anderen einzutreten über die Verfassung unserer Gesellschaft, über die Beschädigungen von Natur und Umwelt, über die Last der Geschichte, über die Lust am Menschsein. Danke.

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