Die Musikschule Wermelskirchen, ein soziales Kompentenzzentrum

David Hecker im Gespräch

Einen Kulturschock habe er nicht bekommen, als er vor nunmehr fünf Jahren in Wermelskirchen die Leitung der Musikschule übernommen hatte. David Hecker stammt aus einem Dorf, einer Kleinstadt in der Nähe von Mainz, genauer: 15 Kilometer von der Landeshauptstadt entfernt. Seine Heimatstadt sei zwar nur etwa halb so groß wie Wermelskirchen, aber dort sei es durchaus ähnlich zugegangen wie hier in Wermelskirchen, im Bergischen Land. So habe er keinen Kulturbruch erlebt, eher Kontinuität. 

Wegen der beruflichen Position seiner Frau, die als Redakteurin regelmäßig nach Frankfurt fahren muß, lebt die Familie mit zwei kleinen Töchtern in Köln, genauer: in Nippes. Aber überwiegend verbringt David Hecker seine Zeit im Bergischen. Oft ist er auch in den Abendstunden noch hier und an vielen Wochenendtagen finden Konzerte und Aufführungen statt, so daß er meist erst spät zurück kann nach Nippes.

David Hecker, 37, ist studierter Musiker. In Düsseldorf studierte er an der Musikhochschule Bratsche bei Prof. Lila Brown. Die Liste seiner Auszeichnungen und die der Orchester und Ensembles, in denen er spielte und noch spielt, ist lang. In Wermelskirchen hat er neben der Gesamtverantwortung für die Musikschule auch noch die Leitung des Fachbereichs „Streichinstrumente“ inne.

Die Musikschule Wermelskirchen e.V. besteht bereits seit 1952 und ist eine sogenannte „Vereinsmusikschule“, also keine Schule in kommunaler Trägerschaft. Und dennoch läßt sich die Stadt Wermelskirchen die Musikschule einiges kosten. Etwa ein Drittel des Finanzhaushaltes der Musikschule Wermelskirchen stammt aus dem Säckel der Kommune, zwei Drittel erwirtschaftet die Musikschule über die Teilnehmergebühren. „Ich bin sehr froh, daß sich die Stadt mit einem wirklich nennenswerten Zuschuss an unserer Arbeit beteiligt, ja sie in Wirklichkeit überhaupt erst möglich macht. Ohne die Stadt müßten die Teilnehmergebühren in einem Maße angehoben werden, daß das Ganze keinen Sinn mehr machte.“ 

Stolz ist David Hecker darauf, daß auch sogenannte „bildungsferne“ Kinder unterrichtet werden sowie Kinder, deren Eltern sich die Kosten für Instrumente und Unterricht aus eigener Kraft nicht leisten könnten. „Unsere Musikschule ist für alle offen.“ Kindern von Stadtpaßinhabern kommt die Musikschule mit einem reduzierten Beitrag entgegen. „Zudem haben wir auch Flüchtlinge unterrichtet, unbegleitete Flüchtlingskinder.“ Die Musikschule Wermelskirchen arbeite auch etwa mit dem Jugendbüro zusammen oder dem Kinderschutzbund. „Ich bin froh, daß es uns mehr und mehr gelingt, auch Kinder zu unterrichten, deren Eltern nicht so viel Geld haben.“

Die Musikschule habe eine soziale wie auch eine gesellschaftliche Funktion. „Musikerziehung ist auch ein gesellschaftlicher Auftrag. Kunst und Musik, Kultur, das ist der Wesenskern einer zivilisierten Gesellschaft. Es gibt keine funktionierende Stadtgesellschaft ohne Kunst und Musik.“ Man müsse aufeinander hören, wenn man gemeinsam musizieren wolle. So lerne man früh, aufeinander zu achten und den anderen zu verstehen. „So leistet die Musikschule Tag für Tag einen wichtigen Beitrag für das friedliche Zusammenleben unterschiedlicher Gruppen in unserer Stadt.“

Die Musikschule arbeitet ausschließlich mit studierten und examinierten Fachkräften, die natürlich ihren Preis haben. 33 Lehrer unterrichten Woche für Woche zwischen 750 und 800 Schüler. „Unsere Schülerzahlen sind seit Jahren stabil. Das ist die eigentlich gute Nachricht.“ David Hecker erinnert an G8, also das achtjährige Gymnasium, oder an die Ganztagsschulen im Grundschulbereich. Das Angebot für Kinder und Jugendliche werde größer, Ablenkungen, etwa durch Smartphones, ebenfalls, die Zeitbudgets dagegen würden eher knapper. 

Die musikalische Basis legt die Musikschule derzeit bei knapp 140 Kindern unter fünf Jahren. Der Großteil der Musikschüler, etwa die Hälfte, sind Kinder und Jugendliche, zwischen sechs und achtzehn Jahren alt. Aber immerhin knapp 80 Schüler sind Erwachsene bis ins Alter von 66 Jahren. Und 23 Menschen lernen sogar ein Instrument im Alter von über 60. „Wir haben eine Schülerin, die ist über 90 und nimmt noch Gitarrenunterricht.“ David Hecker ist der Stolz auf seine älteste Schülerin durchaus anzusehen.

Für die Antwort auf die Frage, ob die Teilnehmergebühren nicht doch sehr hoch seien, muß David Hecker einen Moment nachdenken. Doch, er verstehe das, wenn Eltern zu ihm sagten, das sei sehr teuer. Aber was müsse man zahlen, wenn man sein Kind zu einer Nachhilfe schicke? Doch mindestens zehn Euro die Stunde. Und das sei dann bei einem älteren Schüler. In der Musikschule aber arbeiteten studierte Fachkräfte. Und so gesehen seien vier halbe Stunden pro Monat für unter 60 Euro eben nicht mehr zu teuer.

Die Musikschule ist mitten in der Stadt in den historischen Bürgerhäusern Eich untergebracht, schräg gegenüber dem Hotel zur Eich, sozusagen in der „guten Stube“ der Stadt. „Das Gebäude ist in der Tat historisch, also alt. Die Räume sind niedrig, die Treppe ist steil. Und dennoch fühlen wir uns hier, mitten in der Stadt, sehr wohl.“ Man komme sich mit Unterricht und Proben nicht ins Gehege, einzig eine der Musikschulbands probt wegen der Lautstärke in einem anderen Gebäude. Über mögliche neue Standorte für die Musikschule, die immer mal wieder ins Gespräch gebracht werden, möchte sich Hecker derzeit nicht äußern. 

„Aber wir gehen auch mehr und mehr raus, in die Stadt. So arbeiten wir etwa mit Grundschulen zusammen, in Haiderbach/Tente, der Schwanenschule oder der katholischen Grundschule St. Michael. Dort geben wir zum Beispiel Blockflötenunterricht oder leiten eine Musik-Arbeitsgemeinschaft. Das neuste ist eine Bläser-AG, zu der wir zwölf Kinder gewinnen konnten.“ Im letzten Jahr habe es bereits eine Klarinetten-AG in der Schwanenschule gegeben. 

Und: Im Seniorenheim Carpe Diem werde ein Chor mit 27 (!) betagten Sängerinnen und Sängern organisiert und im Haus Vogelsang werden zwischen sechs und zehn Senioren betreut, die noch an einem Einzelinstrument unterrichtet werden, der Veeh-Harfe, die man ohne Notenkenntnisse spielen kann. Der studierte Musiker David Hecker ist auch studierter Musikpädagoge. Das wird deutlich, wenn er davon spricht, wie gut die Angebote der Musikschule von den Grundschulen oder auch weiterführenden Schulen und sogar in den Seniorenzentren angenommen werden. „Ich habe durchaus den Eindruck, daß man gerne mit uns zusammenarbeitet.“

Befragt nach seinem „Wunschzettel“ ist David Hecker zurückhaltend. In Richtung Stadt gedacht, möchte er, „daß alles bleibt, wie es ist“. Der städtische Zuschuß, die Unterstützung durch die Verwaltung. Eine Erhöhung der Finanzmittel scheine unter den gegenwärtigen finanziellen Bedingungen der Stadt unrealistisch zu sein. 

Eigentlich sei er ja studierter Musiker. Aber den größten Teil des Tages verbringe er mit der Lösung administrativer oder kaufmännischer Probleme. „Wer hat noch nicht bezahlt, sind alle Zuschüsse eingegangen?“ Das übliche Computerprogramm zur Verwaltung der Musikschule sei eher von gestern oder noch älter und müsse dringend überarbeitet werden. Was in der Wirtschaft üblich sei, sozusagen auf Knopfdruck die aktuellsten Zahlen zu generieren, das müsse im Schul- und Bildungsbereich doch ebenfalls möglich werden. Ja, er mache seinen Job als Schulleiter auch zu seiner eigenen Zufriedenheit. Aber etwas Entlastung in der Administration und mehr Freiheit für die pädagogische und konzeptionelle Arbeit, das wäre schon schön.

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