Ein Wort zum Montag, dem 27. Mai 2024
VON CORNELIA SENG
„Das Beste wäre doch, unsere Bewegung OMAS GEGEN RECHTS würde gar nicht gebraucht.“ Gabi hat mir einen Blumenstrauß gebracht von der Kasseler Gruppe der OMAS. Wir unterhalten uns über unsere Treffen in Kassel. Im Herbst 2019 hatte die Friedrich-Ebert-Stiftung eine Lesereise mit Monika Salzer, der Gründerin aus Österreich, veranstaltet. Das war mein erster Kontakt zu den OMAS. Gabi ist etwas später zu unserer Gruppe gekommen. Wir alle sind Frauen in der zweiten Hälfte des Lebens. Viele von uns hatten Begegnungen mit Flüchtlingen oder haben Freunde mit Migrationshintergrund. Die Verachtung und Menschenfeindlichkeit, die schon damals laut geäußert wurde, erschreckte uns zutiefst. „Aber nie hätten wir gedacht, dass es so schlimm wird wie heute“, sagt Gabi. Und ich stimme ihr voll zu. „Unglaub und Torheit brüsten sich frecher jetzt als je“, heißt es in einem Kirchenlied zu Pfingsten. Ich kann das aus ganzem Herzen singen.
Eines der wenigen „echten“ Bilder in unserem Wohnzimmer trägt den Titel „Zeichen setzen“. Es stammt von dem Kunstprofessor und Grafiker K. Oskar Blase. Damals habe ich das Bild in einer Ausstellung gesehen und war gleich fasziniert: Ein klar strukturiertes Zeichen in der Mitte, deutlich erkennbar, fast leuchtend, – inmitten von Krickelkrakel.
Zeichen setzen! Das haben sich die OMAS zum Anliegen gemacht. Und den Respekt vor der Würde jedes Menschen anzumahnen. Gegen die Verwirrungen und Irrungen in Politik und Gesellschaft Zeichen zu setzen.
„Man zündet nicht ein Licht an und stellt es unter einen Eimer“, hat Jesus gesagt. „Lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen“ (Mt 5,15f). Ich verstehe das als Aufforderung, Zeichen zu setzen. Ohne auf Erfolg zu schielen.
Vor Jahren habe ich zwei junge Frauen aus dem Irak zur Werkstatt der Lebenshilfe begleitet, einer Werkstätte für neurodiverse Menschen. Sie sollten sich die Einrichtung ansehen. Im Irak hatten sie versteckt im Haus gelebt, versorgt von ihrer alten Mutter. Hier sollten sie die Werkstätte kennenlernen. Aus irgendeinem Grund habe ich morgens am Arbeitsbeginn vor dem Eingang des Gebäudes gewartet. Immer wieder kamen Busse und brachten Menschen mit mehr oder weniger großen Einschränkungen. Ihr Arbeitsplatz war ihren Möglichkeiten entsprechend ausgesucht. Ich erinnere mich gut, wie beeindruckt ich war, wie gerührt und dankbar, dass ich in einem Staat leben darf, der die Förderung neurodiverser Menschen unterstützt. Und ihre Würde achtet.
„Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ (GG Artikel 1)
In 75 Jahren wird die Generation meiner kleinen Enkel 150 Jahre Grundgesetz feiern. Dafür lohnt es sich, heute Zeichen zu setzen.