WAS KOSTET DIE MENSCHENWÜRDE?

Ein Wort zum Montag, dem 12. August 2024

VON CORNELIA SENG

Inzwischen hat es sich auch bei den alten Bekannten in Kassel herumgesprochen: Cornelia ist bei den „OMAS GEGEN RECHTS“. Meist trage ich den kreisrunden Button und habe Flyer in der Tasche. Wenn irgend möglich, suche ich das Gespräch. Es ist mir wichtig zu erklären, das „Omas gegen rechts“ nicht gleich „Omas für links“ ist. Ich streite mich nicht für etwas, das andere für „links“ halten. Schon gar nicht, wenn sie meinen etwas „nicht sagen zu dürfen“ in dieser Gesellschaft. 

Der Aachener Friedenspreis wird den OMAS verliehen mit der Begründung, dass sie der Spaltung in der Gesellschaft entgegentreten. In unserer Gruppe spielt das Parteibuch keine Rolle, solange wir uns gemeinsam für die Demokratie, das Grundgesetz und die Allgemeinen Menschenrechte einsetzen. 

Jede von uns hat einen ganz eigenen Grund für ihr Engagement. Gabis Opa wurde von den Nationalsozialisten verfolgt und inhaftiert, eine andere „Oma“ hat eine farbige Schwiegertochter. Viele von uns haben sich seit 2015 für Flüchtlinge engagiert und schätzen den Kontakt zu Menschen aus fremden Kulturen. Auch ich. Bin ich deshalb „links“?

In dieser Woche haben wir uns mit alten Bekannten getroffen. Das Gespräch kommt auf den CVJM und seine Rolle in der Nazizeit. Eine wissenschaftliche Aufarbeitung steht noch aus. Von den Pfarrern damals haben bei weitem nicht alle Stellung bezogen gegen die Nationalsozialisten. Manche vermutlich in der Überzeugung, „man kann ja doch nichts machen“. Andere haben die Zusammenarbeit nicht abgelehnt und dabei gehofft, die Freiheit der kirchlichen Arbeit erhalten zu können. Vielleicht hatten sie auch nicht die Kraft zum Widerstand.

„Wir haben es alle gewusst“, soll der Pfarrer Wilhelm Busch aus Essen über diese Zeit gesagt haben. Er hat den Eid auf Hitler verweigert. Und hat gefragt: Was wäre gewesen, wenn alle, die „es gewusst haben“, die Zusammenarbeit verweigert hätten, statt sich zu arrangieren? 

Und wir heute: Können wir aus den Lebenswegen der Väter lernen? 

Wo ist der Platz der Christen, wenn die AfD in Landtagen im Osten stärkste Fraktion werden sollte? Wie können wir als Christen erkennbar sein, wenn Gewalt und Drohungen zunehmen? 

Die Krawalle in England lassen Schlimmes befürchten. Das Gebrüll in Bautzen an diesem Wochenende, vor dem die Polizei und die Veranstalter kapitulieren, auch. 

Eines der Losungsworte in der vergangenen Woche lautet: „Die Frucht des Geistes ist Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut, Keuschheit.“ (Gal 5,22-23)

Vielleicht wird es uns demnächst etwas kosten, das zu leben. Gott schenke uns den Mut dazu. Damit erkennbar ist, wes Geistes Kind wir sind.

Kommentare (2) Schreibe einen Kommentar

    • Birgit Neuser
    • 12.08.24, 17:28 Uhr

    Danke, ganz mein Denken.

    Antworten

      • Birgit Neuser
      • 20.09.24, 8:14 Uhr

      So sehe ich das auch!

      Antworten

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.