Weniger Bargeld für Asylsuchende

NEUE BEZAHLKARTE KOMMT

Geflüchtete erhalten weniger Sozialleistungen als andere. Ab 2025 sollen sie das Geld nur noch über eine Bezahlkarte bekommen. Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Einigung der Bundesländer.

VON CARSTEN WOLF

Wir übernehmen den Beitrag von Carsten Wolf, der zuerst im Oktober 2023 erschienen und im Februar 2024 aktualisiert worden ist, aus dem Mediendienst Integration. Dort finden Sie weitere Quellenangaben, Links und Hinweise.

Kein Bargeld mehr für Geflüchtete, sondern ein “Guthaben” auf einer Bezahlkarte: Ab Anfang 2025 sollen Geflüchtete in ganz Deutschland ihre Sozialleistungen über eine Bezahlkarte bekommen – und nicht mehr als Bargeld oder per Überweisung wie bislang. Die neue Karte soll eine “Debitkarte” mit Guthaben sein, das monatlich “aufgeladen” wird. Eigene Überweisungen sind nicht möglich, Bargeld-Abhebungen nur teilweise. Jedes Bundesland kann selbst entscheiden, welche Funktionen die neue Karte hat und welche nicht. Darauf haben sich nun im Grundsatz alle Bundesländer geeinigt. Bayern und Mecklenburg-Vorpommern wollen eigene Bezahlkarten-Systeme einführen.Quelle

Im November 2023 hatten sich Bund und Länder auf die neue Karte geeinigt. Im Bundestag hatte sich besonders die CDU-/CSU-Fraktion dafür eingesetzt, Bargeldzahlungen “so weit wie möglich” zu vermeiden und eine bundesweit einheitliche Bezahlkarte in den Ländern einzuführen. Innerhalb der Ampel-Koalition macht sich vor allem die FDP für Bezahlkarten stark.

Übersicht

  • Gibt es schon Bezahlkarten für Geflüchtete?
  • Wie bekommen Geflüchtete ihre Sozialleistungen?
  • Wie viel Geld bekommen sie?
  • Wie wird das berechnet?
  • Warum sollen Geflüchtete eigentlich kein Bargeld bekommen?

Gibt es schon Bezahlkarten für Geflüchtete?

Bisher gibt es in Deutschland noch kein flächendeckendes funktionierendes Bezahlkarten-System für Geflüchtete, wie eine MEDIENDIENST-Umfrage in den Ländern zeigt. Bislang haben nur wenige Städte und Landkreise ein solches System gestartet (z.B. Hannover, Greiz, Eichsfeld oder der Ortenaukreis). Ein Pilotversuch in Erding wurde 2020 wegen der Wirecard-Pleite eingestellt.

Konkrete Pläne für Bezahlkarten waren bis Anfang 2024 die Ausnahme: Nur Bayern und Hamburg bereiteten bis dahin Bezahlkarten für Geflüchtete vor. Mit unterschiedlichen Funktionen. In Hannover, wo es die Bezahlkarten schon gibt, funktionieren sie wie eine herkömmliche Geldkarte. Bayern plant hingegen eine Bezahlkarte mit vielen Einschränkungen. Mit ihr soll man nur einen “geringen Betrag” abheben können und nur dort, wo man wohnt.

Auch international gibt es nur wenige Beispiele zu Bezahlkarten-Systemen. In Frankreich erhalten Geflüchtete eine Debitkarte mit Guthaben, mit der sie in Geschäften bezahlen können. Geld-Abhebungen sind nicht möglich. In Großbritannien bekommen anerkannte Geflüchtete eine Debitkarte, die wöchentlich um rund 55 Euro pro Person aufgeladen wird. Abgelehnte Asylbewerber können damit nur bestimmte Dinge einkaufen.

Wie bekommen Geflüchtete ihre Sozialleistungen?

In den ersten Monaten nach Ankunft in Deutschland bekommen Geflüchtete ohnehin kaum Bargeld. Essen, Kleidung, Hygieneprodukte und eine eingeschränkte Gesundheitsversorgung (“notwendiger Bedarf”) erhalten sie direkt in den Erstaufnahme-Einrichtungen der Bundesländer. In den ersten Monaten haben diese Sachleistungen Vorrang vor Geld. An Bargeld erhalten sie meist nur ein “Taschengeld” von monatlich etwa 150 Euro für den “persönlichen Bedarf”. In manchen Bundesländern, wie in Bayern, erhalten sie auch ÖPNV-Tickets und Internet-Zugang als Sachleistungen und dafür weniger “Taschengeld” (105 Euro in “Anker”-Zentren).

Wenn Asylsuchende später aus den Erstaufnahme-Einrichtungen ausziehen, erhalten sie für ihren “notwendigen Bedarf” vor allem Geldleistungen statt Sachleistungen. In einer Kommune angekommen, entscheidet die jeweilige Kommune selbst, wie Geflüchtete staatliche Leistungen erhalten. In einigen Bundesländern müssen sie monatlich ihr Geld in “Zahlstellen” der Sozialämter abholen. In anderen Bundesländern bekommen sie es überwiesen.

Manche Bundesländer setzen vor allem auf Geld-, andere stärker auf Sachleistungen. So zahlt Nordrhein-Westfalen rund drei Viertel der Grundleistungen als Geld aus. In Sachsen ist es umgekehrt: Dort werden mehr als drei Viertel der Grundleistungen als Sachleistungen ausgegeben. Viele Kommunen sind in den letzten Jahren von Sachleistungen abgekommen, weil sie oft “riesige logistische Herausforderungen” und höhere Kosten für die Kommunen bedeuten.

Wie viel Sozialleistungen bekommen Geflüchtete?

Asylbewerber erhalten rund 18 Prozent weniger Sozialhilfe als Deutsche, bzw. anerkannte Geflüchtete und Flüchtlinge aus der Ukraine. Sobald sie als Geflüchtete anerkannt werden, erhalten sie das volle Bürgergeld. Dazu kommen bei einer Wohnung Hilfen für Miete und Heizung sowie eine eingeschränkte Krankenversorgung. Nach 18 Monaten haben Asylbewerber Anspruch auf sogenannte Analogleistungen, die weitgehend der Sozialhilfe gleichgestellt sind – vorausgesetzt, sie haben die Dauer des Aufenthalts nicht selbst “rechtsmissbräuchlich beeinflusst”.

Wie wird die Höhe der Sozialleistungen berechnet?

Asylbewerber:innen erhalten sozusagen ein “Bürgergeld mit Abzügen”, also weniger als das Existenzminimum in Höhe des Bürgergelds.

Wie wird das Bürgergeld berechnet? Zuerst werden die monatlichen Durchschnitts-Ausgaben der ärmsten 15 Prozent der Bevölkerung erhoben (“Statistik-Modell”). Davon werden im zweiten Schritt zahlreiche “nicht notwendige Waren” gestrichen (“Warenkorb-Prinzip”). So kommt man auf die sogenannten “Regelbedarfe – also ein Existenz-Minimum, das mit dem Bürgergeld abgesichert werden soll. Zum Beispiel erhalten Bürgergeld-Empfänger:innen kein Geld für Alkohol, Tabak, Haustiere oder Blumen, für Hotel-Übernachtungen, Anwaltskosten oder für Grabpflege.

Asylbewerber:innen bekommen weitere Abzüge von diesem Bürgergeld – besonders für Strom, Hausrat, Möbel oder Computer. Die Begründung: Viele lebten in Unterkünften, wodurch einige Kosten der übrigen Bevölkerung wegfielen. Darüber hinaus erhalten sie kein Geld zum Beispiel für Musik- oder Sportkurse. Forscher kritisieren, dass nicht transparent sei, warum Beträge gekürzt würden. Und auch das Bundesverfassungsgericht hat das in einer Entscheidung von 2012 grundlegend kritisiert. 

Wenn alleinstehende Asylbewerber:innen in Gemeinschaftsunterkünften leben, bekommen sie häufig die selben Leistungen wie Asylbewerber:innen in Lebensgemeinschaften. Faktisch bedeutet das eine Kürzung um zehn Prozent. Viele Kommunen behalten diese Kürzung bei, obwohl sie 2022 für verfassungswidrig erklärt wurde.

Warum sollen Geflüchtete eigentlich kein Bargeld bekommen?

Manche Bundesländer sehen Bezahlkarten als Mittel für eine stärkere Kontrolle von Geflüchteten und ihren Ausgaben. Deutschland solle so unattraktiver werden. So sollen Bezahlkarten in Bayern zum Beispiel nur in den Kommunen funktionieren, in denen die Asylsuchenden wohnen. Außerdem sollen “Rücküberweisungen” in Herkunftsländer erschwert werden, so das bayerische Innenministerium. Andernorts sieht man eher die praktischen Vorteile: Das monatliche “Abholen” des Geldes beim Amt würde entfallen. Geflüchtete könnten einfacher bezahlen, auch wenn sie noch kein Bankkonto besäßen, so die Stadtverwaltung Hannover.

Letztlich kommt es darauf an, wie die Bezahlkarte funktioniert und ob sie Geflüchtete einschränkt. Wenn das so wäre, gäbe es “rechtliche Bedenken”, so eine Bundestags-Analyse von 2017. Die rechtlichen Probleme würden nur dann entfallen, wenn die Bezahlkarten wie normale Geldkarten funktionieren würden.

Beitragsfoto © Michal Jarmoluk auf Pixabay

Kommentar (1) Schreibe einen Kommentar

    • Grauganz
    • 12.02.24, 8:44 Uhr

    **(Gekürzter Kommentar von Heribert Prantl aus dem Newsletter: Prantls Blick. Die politische Wochenschau)**

    (…) Asylbewerber sollen künftig schon im Alltag als Asylbewerber erkennbar sein. Dies ist unter anderem das Ziel der Aktion Bezahlkarte. Flüchtlinge sollen künftig (bis auf ein kleines Taschengeld, in Bayern 50 Euro im Monat) kein Bargeld mehr bekommen, sondern mit einer Chipkarte einkaufen gehen. Das wird keine Art EC-Karte mit Limit sein, sondern eine Chip-Karte, die örtlich und sachlich nur sehr beschränkt einsetzbar ist – also nicht an jedem Ort, nicht in jedem Geschäft und nicht für alle Waren. Da wird es deshalb Unklarheiten an vielen Kassen geben. Der Unmut beim Stau an der Kasse, die mitleidigen bis missbilligenden Blicke – sie gehören zum Abschreckungsprinzip, das das tragende Prinzip der Chip-Bezahlkarte ist.

    Es werden Karten sein, bei deren Einsatz man schnell auffällt. Mit ihrer deutschlandweiten Einführung schafft man Fremdenfeindlichkeit. In der Karte steckt mehr als ein Geldbetrag. In ihr steckt die Botschaft: „Seht her, die können nicht mit Geld umgehen, die sind anders, die gehören hier nicht her.“ Die demokratischen Parteien, die die Einführung dieser Bezahlkarte beschlossen haben, reagieren auf fremdenfeindliche Stimmungen mit fremdenfeindlichen Praktiken. (…)

    Vor über dreißig Jahren, in der Zeit, als das Asylgrundrecht geändert und von Flüchtlingen nur noch im Katastrophenjargon geredet wurde, in der Zeit also, als Deutschland leicht entflammbar war, gab es Einkaufs-Gutscheine für Flüchtlinge: Sie waren keine Gutscheine, sondern Bösscheine und wurden wegen Unpraktikabilität wieder abgeschafft. Die Chip-Bezahlkarte ist nun ein Update.

    Die Städte und Gemeinden sollen, so ist es geplant, selbst entscheiden, ob und wie sie die Chipkarte einführen. (…)
    Das heißt: Die Diskussion über die Leistungen für Flüchtlinge laufen jetzt nicht mehr nur auf Bundes- und Landesebene. Man hat sie künftig auch in jeder Kommune, man hat sie dort im Stadtrat und in der Öffentlichkeit – zur Freude der AfD, die sich nichts mehr wünschen kann als möglichst oft das Migrationsthema zu orchestrieren. So wirkt man dem Fremdenhass nicht entgegen, man reproduziert und multipliziert ihn. Das ist gefährliches Politiktheater.

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