MEINE DOCUMENTA

IX. Neue Wörter 

VON CORNELIA SENG

Auf dieser Documenta Fifteen habe ich neue Wörter gelernt. „Neurodivers“ ist solch ein Wort. Wir alle sind neurodivers. Jedes Gehirn ist unterschiedlich. In Köln sagt man: „Jeder Jeck ist anders“. Nur, dass wir alle Jecken sind, nicht nur zur Karnevalszeit. Und manche von uns Jecken sind eben „neurodivergent“ und haben höheren Unterstützungsbedarf. 

Mit ihnen arbeitet das Künstler-Kollektiv „Project Art Works“ aus Großbritannien. Im Fridericianum, dem klassischen Ausstellungsort der Documenta, haben sie ihr Atelier in Hastings nachgebaut. In Regalen stapeln sich Leinwände und Farben. Videos zeigen, wie sie miteinander arbeiten, wie das daneben ausgestellte Bild entstanden ist. Menschen mit Unterstützungsbedarf wird hier ermöglicht, sich kreativ auszudrücken.

„Ist das so etwas wie Ergotherapie?“ Nicht ganz. Der Prozess des Miteinanders steht im Mittelpunkt, das gemeinsame schöpferische Erlebnis. Durch die zwischenmenschlichen Kontakte entsteht Neues. Das ist gelebte Inklusion. Es sind beeindruckende Bilder entstanden, die in jeder Galerie hängen könnten. Während der Documenta leiten die Künstler aus Hastings Workshops. Dabei kooperieren sie mit hiesigen Einrichtungen wie den „Baunataler Werkstätten“, ein Unternehmen der Diakonie.

Dort ist auch jenes Bild entstanden, das mir auf Anhieb gefallen hat. Der Text daneben rührt mich: „Liebe Hilde und Karl, schade dass ich es Euch nicht schon früher gesagt habe, dass ich dankbar bin. …“

Das Anliegen von Project Art Works erinnert mich an einen Satz von George Eliot: „Wozu leben wir, wenn nicht, um uns gegenseitig das Leben zu erleichtern?“ „Project Art Works“ wurde im vergangenen Jahr für den Turner-Prize, den berühmten britischen Kunstpreis, nominiert. Ich finde, sie hätten den Preis verdient.

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