Emil und der Trost

Ein Wort zum Montag, dem 9. Mai 2022

VON CORNELIA SENG

Vergangenen Mittwoch habe ich den kleinen Enkel gehütet. Emil ist fast ein Jahr alt. Er ist ein fröhliches, vergnügtes Kind, das mit allen Menschen gut auskommt. Auch mit seiner Oma. Erst haben wir Bilderbücher angeguckt, dann Lieder gesungen. Als er eingeschlafen ist, habe ich ihn ins Bett gelegt. Aber nach kurzer Zeit ist er wieder aufgewacht und hat seine Mama schrecklich vermisst. Jetzt half nichts mehr, er war untröstlich. Kein Singen, kein Tragen auf dem Arm konnte ihn beruhigen. Nichts. Bis – ja, bis sein Vater kam und ihn auf den Arm nahm. Er hat sich sofort beruhigt und konnte mich wieder fröhlich angucken. Alles Elend war vergessen.

Gibt es Leid, das allein durch Geborgenheit gestillt wird? Gibt es Elend, das durch Vertrauen Trost findet? Ja, ganz offensichtlich. Die Umstände hatten sich nicht geändert. Allein die Tatsache, dass jetzt sein Vater da war, hat den kleinen Emil getröstet.

Im Blick auf das Weltgeschehen fühle ich mich z.Zt. untröstlich – wie Emil. Es ist dunkel in der Welt. Der Traum von einer friedlich miteinander lebenden Weltgemeinschaft ist geplatzt. Dazu kommen die Auswirkungen des Klimawandels. Ich könnte heulen. Wenn nicht …

… Jesus seinen Freunden beigebracht hätte, zu Gott „Vater“ zu sagen. Den Aposteln der frühen Kirche war es wichtig, „dass wir Kinder Gottes heißen sollen – und wir sind es auch!“ (1.Joh 3,1). Wir sind Kinder, die zu Gott „Vater“ sagen. Gott ist da. Der auferstandene Christus hat die Fäden in der Hand. Ob uns das tröstet? Wie Emil die Gegenwart seines Vaters?
Doch wo lässt sich Gottes lebendige Gegenwart spüren und erfahren?

Ich habe mir angewöhnt, jeden Morgen in der Bibel zu lesen. Manchmal wiederhole ich die Worte, bis ich sie auswendig behalte, ich „kaue“ darauf herum. Darin kann ich Gottes Zuspruch hören. Unter dem Motto Wind in die Segel“ bekomme ich täglich gute Worte alter Philosophen und Dichter auf das Handy geschickt. Hinter der Seite steht die Bruderhof-Gemeinschaft, Menschen die konsequent in der Nachfolge Jesu leben.

In der Natur kann man Gott finden, sagt der Apostel Paulus. Tatsächlich sind meine Spaziergänge erquicklich für Leib und Seele. Auch Gespräche mit Freunden und Freundinnen lassen gelegentlich Gottes Frieden erahnen. Und neuerdings auch alte Gemälde.

Aber diese Gelegenheiten, Gott zu hören und zu spüren, muss ich bewusst aufsuchen. Ich muss sie „einplanen“, um zur Ruhe zu kommen. Um die heitere Gelassenheit nicht aufzugeben. Jesus lädt dazu ein, ihn zu treffen (Mt 11,28): „Kommt zu mir, Ihr alle, die ihr euch abmüht und belastet seid! Bei mir werdet ihr Ruhe finden,“ hat er gesagt. Ein Rendezvous mit Jesus ist ein Rendezvous mit dem Leben.

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.