Weltkriegsgerede

VON WOLFGANG HORN

Um den Weltfrieden zockt man nicht. Das Lawrowsche Ministergerede vom Dritten Weltkrieg verbietet sich strikt. Für einen russischen Außenminister ebenso wie etwa für einen österreichischen Betonfacharbeiter oder eine deutsche Politikprofessorin. Niemand darf in dieser Krise leichtfertig daherquasseln. Die Wahrheit des Tages stammt vom UNO-Generalsekretär Gutteres. Kein ukrainischer Soldat befindet sich auf russischem Territorium. Russische Soldaten hingegen befinden sich mit schweren Waffen in der Ukraine. Und führen dort einen brutalen Vernichtungskrieg vor allem gegen die ukrainische Zivilbevölkerung. Niemand hat Anlaß, einer Eskalation das Wort zu reden. Im Gegenteil. Der Krieg muß sofort beendet werden. Die russischen Truppen müssen das Nachbarland sofort und bedingungslos verlassen. Und Rußland hat für die Beseitigung der in der Ukraine angerichteten Schäden aufzukommen. Die russische Führung hat bislang mit ihrem Angriffskrieg gegen die Ukraine das Gegenteil ihrer Ziele erreicht. Der uneinige Westen ist einig wie selten. NATO, EU, fast alle Länder in Europa stehen beieinander, an der Seite der Führungsmacht USA, sprechen sich ab und unterstützen die Ukraine auf vielfältige Weise, militärisch, finanziell, beratend, mit Ausbildung und Hilfsmaßnahmen für die Frauen und Kinder, die das Land verlassen haben. Niemand schert aus. Die NATO rückt näher an Rußland heran, weil Schweden und Finnland ihre nationale Sicherheit unter den obwaltenden Umständen im westlichen Bündnis sehen, statt wie bislang in staatlicher Neutralität. Putin und seine Getreuen haben sich in der ersten Runde verzockt, als sie auf ein zauderndes und uneiniges Europa gesetzt haben, das sich nach der Okkupation der Krim vor sechs Jahren nicht entschieden gegen die russische Aggression zur Wehr gesetzt hatte. Aus durchsichtigen ökonomisch-nationalegoistischen Gründen. Was hat Rußland noch zu gewinnen? Das öffentlich dargebotene dürftige Gespinst aberwitziger „Gründe“ für den Angriffskrieg inmitten von Europa, die „drogensüchtig-faschistische“ Führung der Ukraine, reicht nicht einmal für die eigene Bevölkerung. Die ist nur mit mit der Drohung von langjährigem Knast und Arbeitslagerhaft dazu gebracht worden, sich nicht öffentlich gegen die Regierungslügen zur Wehr zu setzen. Politisch ist die Clique um Putin und Lawrow weltweit isoliert. Ökonomisch zeigen die Sanktionen Wirkung. Die Einkünfte aus den Rohstoffverkäufen werden vermutlich weiter sinken, weil sich immer mehr Länder nach anderen als russischen Energiequellen umsehen. Ein Land, das lediglich mit der Wirtschaftskraft Italiens die Riesenarmee Rußlands finanzieren muß, kann nicht dauerhaft darauf setzen, daß das Gefängnis Rußland seine Mauern dicht halten kann. Es wird Putins Rußland nicht gelingen, die internationalen Kommunikationskanäle dauerhaft aus dem Land verbannen zu können. Die Menschen Rußlands sind gewiß nicht kriegslüstern. Wie wollen die Lawrows und Putins den Menschen in Moskau und Wladiwostok, in Wladimir oder Petersburg ihre Dritte-Weltkriegs-Rhetorik denn vermitteln? Nein, diesen Krieg muß niemand gewinnen. Jetzt kann es nur darum gehen, daß nicht die ganze Welt diesen Krieg verliert und die Menschheit büßen muß für den aberwitzigen russischen Angriff. Und: Man komme mir bitte jetzt nicht mit Beispielen für die Aggression der USA oder anderer westlicher Länder. Der Dritte Weltkrieg gehört zum Sprachgebrauch, zum rhetorischen Arsenal des russischen Außenministers. Ausschließlich. Rußland darf den Krieg nicht gewinnen. Die Ukraine darf den Krieg nicht verlieren. Die Optionen sind eindeutig. Partei zu ergreifen für Rußland, bedeutet, Partei zu ergreifen nicht für ein autokratisches System, sondern für eine russische Staatsführung, die sich als durch und durch diktatorisch, als in der Rhetorik und der grundlegenden Verletzung des Rechts sowie der menschenfeindlichen Behandlung der eigenen wie der Bevölkerung der Nachbarländer, in Georgien, in Tschetschenien, in Syrien, als faschistisch disqualifiziert hat. Das Land und die Menschen, die im Zweiten Weltkrieg diesen ungeheuren Blutzoll für den Sieg gegen den deutschen Faschismus entrichteten, haben diese kriegslüstern-verantwortungslose Regierung, diese von jeder Verantwortung und Rationalität befreite Staatsführung nicht verdient. Diese kriminelle Bande darf diesen Krieg nicht gewinnen. Fallt ihr in den Arm.

Kommentare (3) Schreibe einen Kommentar

    • Wolf
    • 27.04.22, 14:05 Uhr

    Ich bin gegen Krieg und ich bin grundsätzlich gegen Waffen. Ich befürworte ein friedliches Miteinander. Aber, wie heißt es so schön: “Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt.” Das gilt denn wohl im Kleinen wie im Großen. Und gegen einen „bösen Nachbarn“ darf ich mich angemessen wehren. Und im Falle der Ukraine sind dafür nun mal Waffen erforderlich. Leichte Waffen, schwere Waffen, egal! Der „böse Nachbar“ hält sich strikt an sein Handbuch für Psychopaten und ist bereit, für seine Allmachtfantasien ein ganzes Land vor die Wand zu fahren. Das Geschwafel von „wir müssen ihm einen Ausweg aufzeigen, mit welchem er sein Gesicht wahren kann“ halte ich aktuell für sinnloses Gequatsche. Es ist aktuell nicht die Zeit der Diplomatie. Erst wenn Putin wirklich erkennt, dass er scheitern wird, erst dann macht Diplomatie wieder Sinn. Bis dahin aber wird dieser Wahnsinn anhalten. Die dümmlichen Drohungen von Putins Schoßhündchen Lawrow bezüglich des nächsten Weltkrieges sind meiner Meinung nach nichts weiter als ein Indiz für die aufkommende Frustration über den bisherigen Kriegsverlauf. Klar kann man Putin nicht in den Kopf gucken und niemand kann mit Gewissheit sagen, ob er nicht irgendwann den „roten Knopf“ drückt. Aber eines kann man doch einigermaßen sicher sagen: im innersten Kern sind diese von Gier nach Macht, Geld und Ansehen zerfressenen Herrenmenschen doch immer eines – pure Feiglinge. Diese Art von Menschen schieben immer andere Menschen für die Drecksarbeit vor und übernehmen niemals irgendeine Verantwortung. Der Verlust der selbst konstruierten Reputation wiegt sehr viel höher als das Schicksal irgendwelcher fremder Menschen. Angst (und schlimmstenfalls Panik) kommt erst auf, wenn dieses Kartenhaus beginnt zu wackeln. Genau dann sollte die Diplomatie wieder einsetzen, um vielleicht noch Schlimmeres zu verhindern. Aber bis dahin muss die Ukraine militärisch unterstützt werden – Bedingungslos!

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    • Stefan
    • 27.04.22, 22:09 Uhr

    Das kann Mann so sehen, setzt aber auch einen sehr undifferenzierten und unkritischen Blick auf die Situation voraus.
    Wenn die Waffenlieferungen nicht zum gewünschten Ergebnis führen, was folgt denn dann? Schwere Angriffswaffen? Flugverbotszonen? Wann endet die Rüstungs- und Waffenspirale? Bei der Argumentation scheint ein Sieg der Ukraine über Russland alternativlos zu sein. Und das halten viele unabhängige Militärstrategen für eher unwahrscheinlich.
    Hier wird mal wieder ein Problem nicht zu Ende gedacht, sondern lediglich Politik mit dem Aspekt Hoffnung gemacht. Eine Alternative am Verhandlungstisch wird erst gar nicht mehr diskutiert. Ich erinnere mich noch gut an die Argumentation zur Stationierung von Pershing 2 die verblüffende Parallelen aufwies. Ich stand damals als Demonstrant im Bonner Hofgarten. Nun beobachte ich mit Erstaunen die Wandlungen ehemaliger Pazifisten zu Bellizisten.

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