VON WOLFGANG HORN
Achtzig Jahre sind es erst, seit sich in einer Villa am Wannsee, dem Gästehaus der SS, fünfzehn mehr oder weniger biedere Männer, Beamte, Staatssekretäre, SS-Führer, Sicherheitspolizei, allesamt Spezialisten für die „Judenfrage“ unter dem Vorsitz von Reinhard Heydrich, dem Chef des „Reichssicherheitshauptamtes“, zu einer Arbeitstagung zusammenfanden. Um die „Endlösung“ der „Judenfrage“ abzustimmen. Anderthalb Stunden genügten, um eine Einigung über die „Sonderbehandlung“, den Massenmord an elf Millionen europäischen Juden zu erzielen und die erforderliche „Infrastruktur“ festzulegen, mit deren Aufbau dann vor allem Adolf Eichmann betraut war.
Anderthalb Stunden dauert auch der ZDF-Film über die Wannseekonferenz, der gestern Abend zur Hauptsendezeit ausgestrahlt wurde und jetzt noch in der ZDF-Mediathek bereit steht. Ein Film, den zu sehen jede Minute lohnt. Ein beklemmendes Meisterwerk. In der verschleiernden Sprache des Protokolls der Konferenz, in der der Massenmord zur „Endlösung“ verkommt, sprechen die Protagonisten das Unvorstellbare durch, beraten Einzelheiten, Transporte, Kosten, Aufenthaltszeiten, Munitionsbeschaffung, alternative Mordmethoden. Technisch, im gepflegten Juristenduktus, der an Verwaltungsregeln orientieren Beamtensprache. Empathiebefreit, distanziert, kalt.
Die Tagung wird zurückgenommen nachgezeichnet, in einer Sprache, die zwanzig, auch zehn Jahre zuvor noch unvorstellbar gewesen wäre, der Sprache des Ungeistes und des Hasses, verkommen. Worte, die zu Taten wurden, zu unvorstellbaren Grausamkeiten, zur Ungeheuerlichkeit, dem Bösen an sich.
Den Zuschauer trifft das Drama der bieder daherkommenden Arbeitstagung mit Protokollantin und Ordonanz und nachfolgendem Frühstück und wahlweise Cognac mit voller Wucht. Die Vokabel der „Umvolkung“ ist zu vernehmen, die regelmäßig wieder im rechtspopulistischen Umfeld verwandt wird und deren Herkunft und Ungeist in diesem preiswürdigen TV-Angebot deutlich wird.
Beitragsfoto © A.Savin (WikiCommons)
Eine Alternative bietet die TV-Version von 1984. Sehenswert und bei youtube zu finden. Ich finde die alte Version “besser” aber das muss jeder selbst entscheiden. Gut gespielt und erschreckend sind beide Filme.