Freitag, 17. Mai (19 Uhr): Bingo im Haus Eifgen

Von verhetzten Ideologen und nützlichen Idioten oder der teuren politischen Sprache

VON WOLFGANG HORN

Im Amtsgericht zu Wermelskirchen wurde jüngst ein 71-Jähriger aus Wermelskirchen zu einer Strafe von 1000 Euro verdonnert, wie der Lokalpresse zu entnehmen war. Er hatte einer Frau aus Wipperfürth auf einen Zeitungsartikel hin eine E-Mail geschickt, in der er die Adressatin als „verhetzte Linksideologin, die von Steuergeldern finanziert wird“, bezeichnet hatte sowie als „nützliche Idiotin“. Es ging seinerzeit um eine lokale Angelegenheit in Hückeswagen, eine Straßenumbenennung. Die Geschädigte geriet in einen Disput mit einem AfD-Funktionär, den sie ihrerseits jedoch höflich und mit freundlichen Formulierungen bestritten hatte, wie es im Wermelskirchener General-Anzeiger hieß.

Einerlei. Staatsanwaltschaft und Gericht waren sich einig: Die Formulierung „verhetzte Linksideologin“ ist ehrabschneidend und beleidigend. Es handele sich um die Diffamierung einer Person.

Soweit das Amtsgericht in Wermelskirchen. Das Gericht hat mit seinem Spruch einen Maßstab geliefert. An dem kann nunmehr bemessen werden, wie weit auf der Beleidigungsskala einzelne, mittlerweile stadtbekannte Zitate aus dem Schmäharsenal des Fraktionsvorsitzenden der Freien Wähler in Wermelskirchen an die 1000-Euro-Marke heranreichen oder diese doch weit überschreiten.

Beispielsweise die legendäre Beschreibung der ehemaligen Kanzlerin als Staatsverräterin und Rechtsbrecherin, die als „fehlgeleitete Politikerin“ zu „entsorgen“ sei. Gegen diese professionell anmutende Schmähformulierung scheint mir doch „verhetzte Linksideologin“ nachgerade dürftiges Amateurniveau aufzuweisen. Meinem Dafürhalten nach wäre dieser Satz gewiß teurer als die 1000 Euro des hiesigen Amtsgerichts.

Weiter im Text: „Wenn zwischen der Stoßstange und der Wand Merkel, Roth und Konsorten kleben, ist das ein prima Kurs.“

Wenn dieses Zitat ausgesuchter Rüdheit nicht ein Vielfaches der 1000 Euro wert ist, dann kenne ich mich in politischen Dreckszitaten nicht mehr aus. Niemand in Wermelskirchen hat jemals öffentlich derart perfide gehetzt und verbal ein derart übles Bild gezeichnet. Ein Zitat, daß den Verfasser als Großmeister des Schmierfinkentums ausweist.

Haben wir noch eins? Ja. Die Merkel müsse überdies „eingebuchtet“ (O-Ton H.R) werden, unter anderem „wegen Beihilfe zu mehrfachem Mord, Körperverletzung, Vergewaltigung …“ (O-Ton H.R.).

Hier eine ähnliche Meisterleistung, in der unter dem Namen eines Vorstands-Beisitzers dieser Wählervereinigung der CDU in Wermelskirchen geraten wird, sie solle „diese Frau (gemeint ist die Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende Angela Merkel, W.H.) ernsthaft auf ihren Geisteszustand überprüfen“.

„Vielleicht“, so der Beisitzer weiter, sollte man „Merkel wegen ‚Verrats bestrafen’“, da sie versuche, “unsere Gesellschaft für fremde Interessen zu schädigen”. Der gleiche Beisitzer bezeichnet EU-Kommissare als „Brüsseler Suffköppe“, alle Brüsseler Politiker als „Versager“. Wer so schreibt, der denkt auch so und wäre vor noch nicht allzu langer Zeit sehr schnell aus sämtlichen Funktionen einer politischen Partei entfernt worden. Allein hier im geruhsamen Wermelskirchen ticken die politischen Uhren wohl anders. Diese Beisitzerzitate bewegen sich allemal im 1000-Euro-Bereich, wenn nicht beispielsweise die „Brüsseler Suffköppe“ doch über das doch eher lahme „verhetzte Linksideologin“ hinausreichen und eine teurere Bestrafung verdienten.

Nun noch einmal zum Nestor rechtspopulistischer Beleidigungs- und Diffamierungskraft. „Jedem Grünen und Tiefroten scheint bei jedem ankommenden Flüchtling hier vor lauter Freude die Sonne aus dem Hintern, weil sie damit ihrem Ziel unseren Staat und unsere Gesellschaft mittels Multikulti kaputt zu machen, einen Schritt näher kommen.“ Orginalton. H.R. immer nur im Original. Selbst die Zeichensetzung: Immer nur im Original. Hier tritt neben die Beleidigung auch noch ein gutes Stück Verschwörungswahn. Mit ein bißchen Anstrengung hätte man das Ganze auch noch ein wenig antisemitisch anwürzen können. Mehr als das Dreifache der Wermelskirchener Sühne aber sollte das Zitat schon wert sein.

Beim nachfolgenden Zitat frage ich mich, wozu man die AfD eigentlich noch braucht, wenn der Freie-Wähler-Chef öffentlich derart rumzurüpeln versteht. Kein Wunder, daß die völkischen Nationalisten um Schawohl, Springer und Lietzmann hier auf keinen grünen (sorry, W.H.) Zweig kommen.

„Ich frage mich, wann eine Staatsanwaltschaft soviel Mumm hat und
gegen die Frau Bundeskanzlerin wegen der Beihilfe zu Tötungsdelikten in der Verbindung mit dem Brechen des Grundgesetzes, europäischer Gesetze, Verträge und Verordnungen, deutscher Gesetze und Verordnungen etc. Ermittlungen aufnimmt.“ Fragt er sich gewiß heute noch. Ich möchte nicht Juror sein müssen und derartige Sätze wiegen und wägen. Gleichwohl bin ich sicher: Das wäre ein Vielfaches des Rüpelstandards, wie das hiesige Amtsgericht ihn festgelegt hatte. Das öffentliche politische Leben des Autoren dieser und vieler anderer Sätze könnte teuer werden.

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