VON WOLFGANG HORN
Was ist nur los in bestimmten Ecken dieses Landes? Der Tagesspiegel berichtet heute von einem unsäglichen Vorfall, bei dem ein Mann aus der Hooligan-Szene in Berlin einen Polizisten in seinem Auto filmt, der offenbar einen lebensgefährlichen gesundheitlichen Zwischenfall erlitten hat und um sein Leben kämpft. Der Gaffer verspottet den leidenden Mann und macht sich lustig. Später stellt er das Handyvideo ins Netz. Der Polizist ist kurz nach den Aufnahmen gestorben. Der Gaffer hatte gefilmt, aber nicht geholfen. Was ist los in einem Land, in dem ein abgebrühter Kerl über einen kranken Mann feixt, aber ihm nicht hilft? Was ist los in einer Gesellschaft, in der es derart roh und verdorben zugeht, offenbar nur, weil es sich um einen Polizisten handelt? Was ist los in einer Szene, in der man einem Mann beim Sterben zuschaut, während man ihm das Leben retten müsste? Das alles ist nicht mehr nur geschmacklos. Es ist unmenschlich und ekelhaft. Verdorben. Amoralisch. Wer zum Smartphone greift, statt zu helfen, verhält sich widerwärtig. Es wird Zeit, daß diese verwahrloste Ecke der Gesellschaft ausgeleuchtet wird.
‘Ausgeleuchtet’, das Wort dreht gerade seine Runden in meinem Kopf.
Was würden wir sehen? Wahrscheinlich doch, dass jedes Verhalten Ursachen hat. Und wenn wir auch noch die Ursachen sehen würden, könnten wir ja auch unsere Verantwortung sehen. Aber wollen wir das wirklich? Dann müssten wir ja Konsequenzen ziehen. Wir müssten etwas in unserer Gesellschaft ändern, denn die hat diese Menschen geformt.
Die Frage wäre – was müssen wir tun, damit Menschen ihren Geist nicht mehr mit Hass vergiften.
Hat die Gesellschaft die Menschen geformt? Oder gibt es einfach nur Anstifter, die im Herzen schlecht sind und die Gesellschaft für ihre niederen Zwecke missbrauchen wollen?
“Männer sind schon als Baby blau” singt Herbert Grönemeyer zweideutig.
Aber gibt es Menschen, die “im Herzen schlecht” zur Welt gekommen sind?
Es ist nicht nur die Gesellschaft, die prägt. Vor allem Teilgesellschaften prägen, peer-groups, wie wir seit langem wissen. Und vermutlich auch die dort jeweils herrschende Offenheit oder das Klammheimliche. Im Hellen tut man vermutlich nicht, was im Dunkeln überhaupt erst möglich ist. Deshalb ausleuchten.
Gruß
Wolfgang Horn