Ein Wort zum Montag, dem 11. Oktober 2021
VON CORNELIA SENG
Einmal … wollte ich einen jungen Mann willkommen heißen und habe ihm zur Begrüßung die Hand hingestreckt. Er gebe Frauen nicht die Hand – gab er mir zu verstehen. Das fand ich extrem unhöflich einer älteren Dame gegenüber. Warum gab er Frauen nicht die Hand? Ist meine Hand unrein? Bin ich eine Gefahr für ihn? Ich fühlte mich gering geschätzt. Und habe ihn das spüren lassen.
Einmal … saß ich in einem Café in der Keupstraße in Köln-Mühlheim. Wir waren verabredet mit dem Leiter einer Bürgerinitiative, die den Anschlag von 2004 aufklären wollte. Den Film darüber wollten wir im Kirchenkino zeigen. Unser Gesprächspartner, ein älterer Herr, war vor vielen Jahren aus der Türkei nach Deutschland gekommen. Während er mit uns im Gespräch war, grüßte er hin- und wieder einen Bekannten, der ins Café kam. Dabei führte er seine rechte Hand ans Herz und nickte freundlich mit dem Kopf. Diese Geste hat mir gefallen. Später habe ich gelernt, diese Begrüßung sei in der orientalischen Welt verbreitet.
Einmal … hat ein deutscher Innenminister gesagt: „Wir geben einander die Hand“. Er meinte, das sei fester Bestandteil der deutschen Kultur. Mit Corona ist das vorbei. Wir geben einander nicht mehr die Hand.
Heute … möchte ich auf eine Geste der Begrüßung nicht verzichten. Also grüße ich arabisch: Rechte Hand ans Herz mit einer leichten Verbeugung. Ich will dem anderen zeigen, dass ich ihn wahrgenommen habe und freundlich achten werde. Männer und Frauen. Das liegt mir mehr als der Ellenbogen- oder Faustgruß.
Passt das zu meiner „deutschen Identität“? Von dem Apostel Paulus heißt es, er sei „den Juden wie ein Jude und den Griechen wie ein Grieche geworden“. Passt das auch auf meine Geste? Bin ich deshalb zur Araberin geworden? Ich denke nicht. Derselbe Paulus empfiehlt: „Prüft aber alles, und das Gute behaltet“ (1.Th 5,21). Das eröffnet Möglichkeiten. Das lässt mich von anderen Kulturen lernen.
Ich finde, diese Geste passt gut zu meiner gewordenen „Identität“. Meine Absicht ist es, meine Mitmenschen mit freundlichem Respekt zu grüßen. In der Corona-Zeit ist sie ein guter Ersatz für das Händereichen. Ich bin gespannt, wann mich jemand darauf anspricht.
Ich finde diese Geste auch prima und verwende sie schon eine gewisse Zeit.