Ist es nicht furchtbar?

VON WOLFGANG HORN

Ist es nicht furchtbar, daß unsere Bundesregierung, namentlich der Bundesinnenminister, vor einer Woche noch behauptete, man könne durchaus noch nach Afghanistan abschieben? Ist es nicht furchtbar, daß unsere Bundesregierung, namentlich die Bundesverteidigungsministerin, offenkundig keinerlei Vorbereitung getroffen hat, die Deutschen und ihre afghanischen Mitarbeiter aus Afghanistan auszufliegen im Fall, daß die Taliban die Herrschaft im Land übernehmen? Ist es nicht furchtbar, daß unsere Bundesregierung, namentlich der Bundesaußenminister und sein diplomatischer Apparat, so vollkommen falschen Einschätzungen aufsitzen, daß es noch Monate dauern werde, bis die Taliban erneut die Herrschaft in Afghanistan übernehmen könnten? Ist es nicht furchtbar, daß der CDU-Bundesvorsitzende und womöglich kommende Kanzler der Republik in der humanitären Afghanistan-Krise mit der Chiffre „2015“ und großen Flüchtlingszahlen hantiert und mal wieder Ressentiments gegen Flüchtlinge aus Afghanistan mobilisiert, während dieses Land bis auf den Flughafen in Kabul bereits hermetisch abgeriegelt ist und allenfalls wenige hundert Menschen noch werden das Land verlassen können? Ist es nicht furchtbar, daß vor wenigen Wochen noch die die Bundesregierung tragenden drei Parteien gemeinsam mit den Völkisch-Nationalen im Parlament einen Antrag abgebügelt haben, weil er von den Grünen gestellt worden war und der vorgesehen hatte, ein Gruppenverfahren zur Aufnahme afghanischer Ortskräfte hier bei uns im Land zu installieren? Ist es nicht furchtbar, daß die einstige liberale Bürgerrechtspartei diesem Antrag ebenfalls nicht beigetreten ist und so alle liberalen Essentials über Bord geworfen hat? Ist es nicht furchtbar, daß wir alle, die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, jenseits unserer politischen Überzeugungen, von derart mediokrem Personal regiert werden? Niemals wurde in den letzten Jahren deutlicher, wie ausgezehrt die großen Parteien nach derart langer Regierungszeit wirklich sind. Dabei habe ich noch keinen einzigen Satz etwa über den Bundesverkehrsminister verloren. Oder über den für die Gesundheit der Menschen im Land verantwortlichen Minister. Oder den, der sich um die Wirtschaft im Land mühen soll. Oder die Dame, der man die Landwirtschaft in Deutschland anvertraut hat. Es ist furchtbar. Schickt die drei Parteien nach Hause. Sie haben eine Pause verdient. Sie müssen sich erholen, regenerieren, ihr Personal erneuern. Und sich auf die drängenden Probleme orientieren. Wie steuern wir der Klimakatastrophe entgegen? Wie modernisieren wir die Bildung im ganzen Land? Wie können wir die Digitalisierung schnell vorantreiben? Wie können wir der sozialen Spaltung, der Teilung in immer reicher werdende Reiche und immer größer werdende Anteile ärmerer Menschen, soziale Gerechtigkeit entgegensetzen? Wie schaffen wir ausreichenden und bezahlbaren Wohnraum auch in den Metropolen? Es gibt soviel zu tun in unserem Land. Wir Bürger haben mehr und besseres verdient, als mit Läppigkeiten im Wahlkampf abgespeist zu werden, Plagiaten, Gesichtsaudrücken, Kandidaten-Büchern, den religiösen Überzeugungen von Kandidatenmitarbeitern. Es ist furchtbar. Wehren wir uns.

Kommentare (3) Schreibe einen Kommentar

    • Wolf
    • 18.08.21, 8:31 Uhr

    Danke! Auf den Punkt gebracht!
    Aber es geht uns zu gut. Wir sind im Grunde fett und faul. Und bevor es nicht richtig weh tut und uns das Wasser bis zum Hals steht, sehen wir keinen Grund zum Handeln.
    Dass war gut, das ist gut und deshalb kann es ja auch in Zukunft nicht schlecht sein.
    Es war einmal das Land der Dichter und Denker…

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    • Klaus E. Ulinski
    • 19.08.21, 12:22 Uhr

    Es ist furchtbar! Normalerweise neige ich nicht zum Pessimismus und sehe eigentlich immer eher das Glas halbvoll denn als halbleer – aber mittlerweile ist auch mein Optimismus dahin. Für Afghanistan und seine vielen Menschen gibt es keine Hoffnung mehr – zumindest ist sie nicht in Sicht. Die Mächtigen der freien westlichen Welt konnten nie und zu keinem Zeitpunkt diesem Land Hoffnung geben – nicht weil sie es nicht konnten, sie wollten es schlicht nicht. Sie hatten niemals ein wirkliches Interesse daran. Zumindest sind mir konkrete Pläne oder Strategien, aus denen man Interesse an den Menschen in Afghanistan herauslesen könnte nie unter Finger gekommen. Afghanistan war nichts anderes als eine Spielwiese der militärischen Strategen, die möglichst weit weg von Europa Krieg spielen konnten und sich selbst beweisen wollten, was für eine tolle Armee sie sind. Auch hier ein Eigentor der deutschen Bundeswehr: Gewehre, die im Wüstensand nicht dahin schiessen, wo sie hinschiessen sollen, Hubschrauber, die nicht wüstentauglich sind, Kleidungsausrüstungen, die nichts taugen. In der Armee selber ist von unten nach oben alles “grün gelogen” worden: “Einsatzziel erreicht, Herr Oberstleutnant!” – “Einsatz erfolgreich durchgeführt, Frau Ministerin!”. Nicht nur Afghanistan zeigt: diese Gesellschaft und diese Regierung hat seit mehr als 15 Jahren sich selbst in die Tasche gelogen und uns alle an der Nase herumgeführt. Schickt sie bitte, bitte am Wahltag nach Hause! Alle!

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      • EDV-Schrauber
      • 19.08.21, 14:22 Uhr

      Selten so viel verquastes dummes Zeug gelesen. Wir sind mal wieder alle Schuld, nur die armen Afghanen nicht. Und wenn sie schon herumlavieren, wie sähe denn ihr Plan für das Land aus?

      Wir haben mehrere Billionen Dollar, jede Menge Material und über 50 Bundeswehrsoldaten geopfert für ein Land, dass nicht bereit ist, für sich selbst zu kämpfen und sich nur minimalst zur Wehr zu setzen.

      Was dort jetzt passieren wird ist eine zum Teil selbst verschuldete humanitäre Katastrophe. Das Land ist nicht zu retten, weil es sich selbst nicht retten will. Die aufoktroyierte westliche Mentalität ist den Menschen völlig fremd. Unsere Wertvorstellungen weichen derartig von den dortigen ab, dass ich jegliches Engagement für sinnlos halte.

      Den restlichen Quatsch mit schlecht schießenden Gewehren und nicht wüstensandtauglichen Helikoptern will ich mal ignorieren. Glücklicherweise gibt es in D keine Wüsten. Und in Afghanistan haben wir nichts (und hatten wir nie) was zu suchen.

      Mit freundlichem Gruß
      -EDV-Schrauber-

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