Über die Brücke in die Klimakatastrophe

Beim Bau der Leverkusener Rheinbrücke  geht es um Leben und Tod

Über gesundheitliche Folgen und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt, Ihren Apotheker oder „Levmussleben!“

VON JOACHIM ZAPPE

Knappe 25 Kilometer sind es von Wermelskirchen bis zur Leverkusener Rheinbrücke. Das Bauprojekt einschließlich der Zubringerautobahnen hat mittlerweile die besten Chancen, die würdige Nachfolge des Berliner Flughafens (BER) anzutreten.  Fehlgeleitete Faxe, minderwertiger Stahl aus China,  fragwürdige Ausschreibungs- und Vertragsverfahren –  die Liste der Horrormeldungen ist lang und skandalös. In Berichten der Medien kann man ausführlich teilhaben an einer Extraausgabe der Aufführung „Pleiten, Pech,  und Pannen“.  Die Titelgeschichte des „Stern“ aus dem August 2020 liest sich wie ein Bestseller aus Absurdistan. Nichtsdestotrotz wird der Baustopp  gerade jetzt wieder aufgehoben. Eine Bietergemeinschaft um Hochtief hat einen neuen Vertrag unterschrieben. Es ist zwar der gleiche Anbieter, wie im Oktober vor dem Baustopp und den fehlgeleiteten Faxen, aber dafür mal eben 40 Millionen Euro teurer. Muss man nicht verstehen, weiter geht´s.

(c) Jochen Zappe

Ganz Deutschland stellt sich die Frage,  wann man wieder stress- und staufrei  das Nadelöhr zur Querung des Rheins an der verkehrsreichsten Stelle deutscher Autobahnen fahren kann. Ganz Deutschland? Nein! Eine  Gruppe von unbeugsamen Bürgern rund um Leverkusen hört nicht auf, gegen eine ihrer Ansicht nach ignorante, administrativ verstörte Bürokratie in Baubehörden und Ministerien zu kämpfen. Und das Leben der unbeugsamen Initiative „Levmussleben“ ist nicht leicht, weil Bau- und Politlegionäre aus Düsseldorf und Berlin mit aller Macht die Besatzung der Rheinbrücke verteidigen. „Die Römer“ (Politiker), die spinnen!“ Kein Wunder, Cäsar aus Rom, besser Berlin, heißt heute wahlweise Andreas Scheuer, Alexander Dobrindt, die Statthalter vor Ort Michael Groschek oder Hendrik Wüst.

Man könnte die an Asterix angelehnte Geschichte nun lustig weiter erzählen. Lustig ist es aber nicht. Denn wenn sich auf der einen Seite eine Bau-Odyssee abzeichnet, geht es in der Tat  für die Leverkusener und Kölner Anrainer um Leben und Tod. Umwelt- und Gesundheitsaspekte haben in die Planungen nämlich von Anbeginn keinerlei Eingang gefunden. Exorbitante Feinstaub-Emissionen, Lärm  und gesundheitliche Gefahren wegen der nötigen Öffnung der hochtoxischen Deponie in der Dhünnaue – die Leverkusener und Kölner Bürger zahlen einen hohen Preis für die freie Fahrt der freien Bürger. Die Klimakatastrophe ist längt messbar in unserer nächsten Umgebung.

Die aus mehreren Einzelbewegungen bestehende Bürgerinitiative „Lev muss leben“ setzt  sich von Anbeginn der Planungen gegen die große Brückenlösung mit 12 Spuren ein. Als Alternative sollte  ein Tunnel für den Autobahn- und ein kleiner Brückenbau für den Regionalverkehr (Kombilösung) realisiert werden. Mit einer Vielzahl renommierter Spezialisten und Wissenschaftler unterschiedlichster Fachrichtungen, läuft man auch mit den besten Vorschlägen und Gutachten bisher gegen die Wand. Selbst der prominenteste Mitstreiter in „Lev muss leben“, Prof. Dr. Karl Lauterbach, in dessen Wahlkreis der Brückenbau fällt, blieb von Frustration und Ohnmacht nicht verschont und das lässt den sonst so beherrschten Wissenschaftler und Politiker in Wallung geraten. Eine Großdemo in Leverkusen und die Übergabe von 23 000 Unterschriften fand bei den zuständigen Stellen allenfalls ein müdes Lächeln.

Das Bollwerk scheint jedoch langsam zu bröckeln. Die Lebensbedrohung rund ums Leverkusener Kreuz bahnt sich in Zeiten von „Friday for future“ und wachsendem Umweltbewusstsein in den Focus der Bevölkerung und wird immer größer. 150 000 Fahrzeuge fuhren täglich bis 2012 über die Rheinbrücke. Nimmt man die angrenzenden Autobahnen A 3, A 59 und A 542 dazu, summiert sich der tägliche Verkehr auf 300 000 Fahrzeuge, die durch die Stadt Leverkusen fahren, in allernächster Nähe vorbei an Wohnsiedlungen, Schulen, Kindergärten und Freizeiteinrichtungen. Tendenz: Natürlich steigend. In „Lev muss leben“ engagierte Wissenschaftler vergleichen das Ausmaß der messbaren Nanopartikel als besonders gefährliche Form des ultrafeinen Feinstaubs mit der Belastung Pekings. Die Folgen der erhöhten Feinstaubbelastung sind bekannt: Atemwegserkrankungen, Lungenkrebs, Diabetes, Demenz. Schätzung ergeben europaweit 400 000 Tote. Lungenfacharzt Dr. Norbert Mülleneisen geht in Leverkusen von 150 bis 200 Toten jährlich aus.

Die Stelzenautobahn in Leverkusen, fotografiert am Bayer-Stadion.  Die Aufnahme zeigt, wie heute vier Spuren direkt an Wohngebieten vorbei  führt. Hier soll nach den aktuellen Planungen die Monster-Stelze  mit noch mehr Fahrspuren entstehen (c) Jochen Zappe

Messungen haben ergeben, dass Leverkusen eine fast dreimal so hohe Feinstoffbelastung hat wie das Umland. Und da ist die von den Autobahnplanern favorisierte „Monsterstelze“, die Zubringerautobahnen zur A 1, noch nicht mit berücksichtigt. Apropos Messungen. Es gab in Leverkusen zwei offizielle Feinstaub-Messpunkte: auf einer Hauptstraße Richtung Autobahn und – sinnigerweise – auf einem Friedhof! Für flächendeckende Messungen hat „Lev muss leben“ nun selbst gesorgt. Mit 35 Euro je Sensor sorgen Sensor-Paten dafür, dass das Thema Feinstaub nicht mehr von der Agenda verschwindet. Flächendeckend misst „Levmussleben!“ die Feinstaubentwicklung der Farbenstadt.

 Auch der Stadtrat von Leverkusen deutet  an umzudenken. Die Mehrheitsfraktionen hatten bisher im Rahmen des Brückenneubaus eine kurze Tunnellösung als Ersatz für die Zubringer, die über die Stelze gehen, angedacht. Das wäre eine sogenannte Trog-Lage, eine Einhausung des Verkehrs wie an der A 1 vor dem Autobahnkreuz West gewesen. Denn im Ministerium von Andreas Scheuer, nunmehr statt Straßen NRW für die Bundesautobahnen zuständig, wird anders geplant, nämlich eine Monsterstelze, eine Hochtrasse mit mehr als der doppelten Anzahl von Spuren. Hier hört offenbar auch für die Leverkusener Lokalpolitiker langsam der Spaß auf. Hat man bisher überhaupt kaum Umwelt- und Gesundheitsaspekte im Blick gehabt, so scheint sich Umdenken anzubahnen. Leverkusens Oberbürgermeister Uwe Richrath hat in einem Schreiben an Minister Scheurer einen Boykott angekündigt und gedroht, die Mitarbeit in den Planungsstrukturen aufgekündigt. Eine Frist von zwei Monaten hat der Leverkusener Rat dem Minister gegeben. Wohin der Weg führen wird, ob es ein direkter Weg in die Leverkusener Klimakatastrohe wird, darf abgewartet werden. Um zu Asterix zurückzukommen: Vielleicht schafft er es mit seinem Kumpel Obelix, den Feinstaub einfach in den Zaubertank zu gießen und weg zu zaubern. Und Andreas Troubadix-Scheuer, wird dann im Bayerstadion an den Torpfosten gefesselt.  

Ausführliche Informationen zum aktuellen Stand, den Hintergründen und zur Bürgerinitiative „Levmussleben“ finden sich unter www.levmussleben.eu

Beitragsfoto (c) Jochen Zappe

Bitte lesen Sie auch das ausführliche Interview „Wie Don Quichote gegen Riesenbrücke und Monsterstelze kämpft“, dass das ForumWK mit einem der Hauptverantwortlichen  von „Levmussleben“, Immo Filzek,  führte.

Comment (1) Write a comment

    • Horst Müller
    • 19.02.21, 16:04 Uhr

    Viele Jahre war ich Vorsitzender der IFLK ( Interessenvertretung für Leverkusen und Köln zum Um-und Ausbau A1/A3 und A59
    Ihren Artikel kann ich nicht nur unterstreichen, sondern nur warnen , wenn die sogenannte Vorzugsvariante gebaut wird .
    Aus Gesundheitlichen Gründen, musste ich neu Amt nach vier Jahren aufgeben .
    Aber es treibt mir immer noch die Zornesröte ins Gesicht , wenn ich noch immer diese Ignoranz erleben muss.
    Dazu sollte man wissen , das mittlerweile drei Bundesverkehrsminister alle CSU für dieses Debakel zuständig waren !
    Ramsauer , Dobrindt und Scheuer , ein Schelm der sich Gedanken über Tunnel , Umgehungsstraßen in deren Wahlkreisen macht .
    Gerne bin ich bereit , aus den Anfangszeiten vor gut sieben Jahren zu berichten.
    Da wurde noch behauptet, die Rheinbrücke könnte jederzeit kollabieren und müsse so schnell wie möglich ersetzt werden !
    Unter anderem aus diesem Grund hat die damalige Vorsitzende des Bundesverkehrsausschusses Frau Dr. Wilms unsere Idee für die Kombilösung abgelehnt , diese Prüfen zu lassen .
    Dafür sind wir mit vier Leuten extra nach Berlin gefahren .
    Und sieben Jahre später ……..?

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