Von Gesprächen der besonderen Art in Zeiten wie diesen

VON JOCHEN BILSTEIN

Für die Website der SPD Wermelskirchen hat der Vorsitzende der SPD-Fraktion den nachfolgenden Text geschrieben. Es geht um Gespräche in Zeiten wie diesen. Mit Menschen in Zeiten wie diesen. Über Probleme in Zeiten wie diesen:

Gestern war ich am SPD-Infostand vor dem Rathaus – Wahlkampf , „same procedure …“, und wartete darauf, dass eine der Passantinnen oder einer der Passanten etwas loswerden wollte. Immerhin waren am eigenen Stand und auch bei der Konkurrenz leibhaftige Menschen anwesend, zum Greifen nahe, zum Sprechen bereit. Gut, es gibt sicher gelungenere Kommunikationssituationen als am Samstagmorgen auf dem Bürgersteig vor dem Rathaus. Aber es ist immerhin nicht so wie in den sozialen Netzwerken, wo man nur postet.

Meine Ausbeute von 2 Stunden: 2 Personen, von denen eine zur Gruppe derer gehörte, auf die man nicht unbedingt gewartet hatte: Nicht direkt ein Corona Leugner, aber einer von denen, die Corona für nicht mehr als eine normale Grippe halten und auch nicht gefährlicher als diese. Jemand, der die Schuld für die vermeintliche Hysterie bei den gleichgeschalteten, den „Mainstreammedien“ verortet und eine „Corona Diktatur“ am Horizont aufziehen sieht. Das Gespräch verlief ruhig und freundlich, der Gesprächspartner war nicht aggressiv. Aber irgendwann drehten wir uns im Kreis.

Vor einigen Wochen rief mich eine Bürgerin aus dem Ostviertel an. Ihre Nachbarin hatte am SPD–Stand eine Tüte mit Samen für bienenfreundliche Blumen bekommen, zugegebenermaßen kein allzu überzeugendes politisches Statement, Sympathiewerbung eben. Die Anruferin versuchte mir klar zu machen, dass das Bienensterben einzig von jenen Sendeanlagen für den Mobilfunk herrührt, die man auch in unserer Stadt findet. Woher sie denn anrufe, wollte ich wissen. Ja von der Terrasse mit dem Handy, war die Antwort, wie denn sonst. Und dann folgten, bis ich auflegte, die Warnungen, die Verschwörungsmystiker gerne verbreiten. Bisher hatte ich diese Menschen immer nur aus den Medien, gewissermaßen aus 2. Hand, kennengelernt.

In einer Analyse der Süddeutschen Zeitung wird die Welt solcher Menschen grob in drei Kategorien eingeteilt, die „Verschwörungsideologen“ („Welt-Impf-Pläne“, „Chip-Implantate“), Anhänger der amerikanischen QAnon-Bewegung (Warnung von Nasensprayimpfstoffen mit Zellen von Affen“) und extreme Rechte von Reichsbürgern bis zu Neonazis (Antisemitismus, Rassismus). Oft findet man beim Einzelnen eine Melange aus allen drei Richtungen. Die Autoren der SZ sprechen in dem Zusammenhang von einer „um sich selbst kreisenden Echokammer“, in der diese Personen leben, „angetrieben von den immer gleichen Botschaften, die Angst, Wut und Hass auslösen.“ 38% der Deutschen sollen schon vor Corona zu Verschwörungsmythen geneigt haben, aus Unsicherheit, der Angst vor dem Kontrollverlust und dem Wunsch nach Antworten, egal wie glaubwürdig sie sein mögen, wie die Psychologin Pia Lamberty in der Süddeutschen Zeitung konstatiert.

Wie soll man in diesen Tagen mit Gesprächspartnern umgehen, von denen hier die Rede ist. „When they go low, we go high“- wenn sie das Niveau senken, heben wir es -, hat Michelle Obama geschrieben. Aber wie? Ich habe wie andere Politiker auch in den kommenden Wochen noch viele Gelegenheiten zu Gesprächen. Dann werde ich ausprobieren, wie man das macht und ob es funktioniert. Das erfordert aber ein großes Maß an Gelassenheit. Ob ich die aufbringe?

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