Bürgerliche Werte in der politischen Mitte in Wermelskirchen

Oder: Wie sich die WNK UWG die politische Mitte zurecht biegt 

VON WOLFGANG HORN

Die WNK UWG stehe für die bürgerlichen Werte der politischen Mitte, ist in der Wahlbroschüre des Wahlvereins zur Kommunalwahl zu lesen. Aus diesem Grunde listet sie kurz auf, was sie von anderen Gruppierungen unterscheidet, wobei auf SPD, Linke und Grüne nicht eingegangen wird, da „die Schnittmengen mit diesen politischen Kräfte kaum bis nicht vorhanden sind“. Die WNK UWG grenzt sich also ab von anderen Kräften der „politischen Mitte“. 

Schauen wir mal hin: Von der CDU unterscheide die WNK UWG, ist da zu lesen, daß sie nicht „Steigbügelhalter für grüne Flausen“ sei. Aha. Ist das wirklich das entscheidende Merkmal der Christdemokraten, den Grünen zu Erfolg zu verhelfen? Sonst nichts? An der FDP kritisiert die WNK UWG eine zu starke Orientierung auf die Finanzpolitik und mangelnde „Sozialpolitik für die wirklich Bedürftigen“. Weiter mit den Unterschieden in der Politischen Mitte. Aber: Das Bürgerforum taucht auf dieser Seite gar nicht auf. Gehören die nicht zur Politischen Mitte? Nicht mehr? Warum? Niemand weiß es. 

Lesen wir weiter. Wie weiter? Welche nennenswerten anderen Kräfte in der Politischen Mitte gibt es denn noch in Wermelskirchen? Von der Zukunft Wermelskirchen grenze sich die WNK UWG ab, heißt es in dem Flyer, weil diese “utopische Versprechungen” mache und die Menschen mit Petitionen „veräppele“. Nun denn. Aber es geht noch weiter: Die WNK UWG unterscheidet sich von der AfD. Wie bitte? Gehört diese Partei, von denen einzelne Teile und wichtige Personen nach einer Beurteilung des Verfassungeschutzes als rechtsextrem einzuschätzen sind, zur Politischen Mitte? Nein. Die AfD ist eine rechtspopulistische, in Teilen völkisch-nationalistische und reaktionäre Partei, mit einer nach Rechts und dem Rechtsextremismus offenen Flanke, deren Hauptanliegen darin besteht, das Land zu spalten, Ängste zu schüren, das Sag- und Denkbare im Land nach rechts zu verschieben, den politischen Dialog zu vergiften und Ressentiments gegen Minderheiten zu schüren. 

Wer die AfD in die gesellschaftliche Mitte rückt, hat jeden Anspruch auf politische Ernsthaftigkeit aufgegeben. Der Blick auf diese zweite Seite der zentralen Wahlbroschüre offenbart, daß die WNK UWG überhaupt keinen ernsthaften Begriff (mehr?) von Bürgerlichen Werten und der Politischen Mitte hat. Wer SPD oder die Grünen aus der Politischen Mitte ausschließt, die AfD und die Zukunft Wermelskirchen mit ihren Wurzeln im rechtspopulistisch-nationalkonservativen Lager hingegen in die Mitte hineindefiniert, hat sich intellektuell und ideologisch fest verbarrikadiert.

Im Zentrum der Idee einer bürgerlichen Gesellschaft stehen freie und mündige Bürger, die Citoyens, die in einer modernen, freien und säkularisierten Gesellschaft ihre Verhältnisse vernünftig, selbständig und friedlich regeln, ohne obrigkeitsstaatliche Gängelung. Diese Idee richtet sich gegen feudale Verhältnisse, gegen Geburtsprivilegien, gegen ständische Ungleicheit, gegen kirchliche Orthodoxie. Eine bürgerliche Gesellschaft freier Bürger setzt auf Arbeit, Leistung und Bildung, auf Vernunft statt Tradition, auf individuelle Konkurrenz und genossenschaftliche Gemeinsamkeit. Die bürgerliche Gesellschaft bedarf des Marktes, des Rechtsstaates, der parlamentarischen Demokratie und ihrer Institutionen, öffentlicher Kommunikation und Medien, einer kritischen Öffentlichkeit. 

Seine Basis hatte die bürgerliche Gesellschaft zunächst im sich formierenden Besitzbürgertum, den Bourgeois. Der Tendenz nach aber ist die bürgerliche Gesellschaft ein Programm für alle, eine universale Idee, die unter dem Motto: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit die umfassende Teilnahme und Verantwortung der Staatsbürger zu organisieren sucht und mithin als Bürger mehr und mehr den Citoyen als den Bourgeois versteht. 

Bürgerlichkeit ist heutzutage nicht auf die eher kleine soziale Schicht des Bürgertums beschränkt, sondern wirkt weit auch in andere soziale Milieus hinein. Bürgerlichkeit ist also kein Alleinstellungsmerkmal bestimmter politischer Gruppierungen oder Parteien mehr, der konservativen oder liberalen Partei etwa. Bürgerlichkeit ist ein Kennzeichen der Mitte der Gesellschaft und gewiß auch all der politischen Parteien, die in den Parlamenten vertreten sind, wenn man von rechtsradikalen oder terroristischen Gruppen absieht. Wir leben in einer bürgerlichen Gesellschaft. 

Aber: Bürgerlichkeit erweist sich erst, wenn man auch spricht und schreibt und kommuniziert, wie auch die anständigen Bürger des Landes sprechen und schreiben und kommunizieren. Und nicht pöbelt und beleidigt und krakeelt, nicht spaltet und Ressentiments schürt. Bürgerlichkeit mißt sich auch an Rationalität, respektvoller Zurückhaltung, achtsamem Auftreten. Bürgerlichkeit schützt die Minderheiten einer Gesellschaft vor Übergriffen. Immer. 

Wahlbroschüren werden oft achtlos beiseite gelegt. Weil sie meist bunt und lärmend daherkommen, zuviele Versprechungen enthalten, mehr Werbung sind als realistische Beschreibung. Mitunter aber lohnt sich ein genauer Blick. Bei der WNK UWG auf jeden Fall. Hier entlarvt sich eine Partei. Hier wird deutlich, daß das Adjektiv „bürgerlich“ zur Floskel verkommen ist, zur Camouflage, zu Flecktarn. Viele der Mitglieder und Freunde der WNK UWG mögen das sein, in einem guten Wortsinn, bürgerlich. Und sie mögen glauben, ihre Partei sei das auch. Die Wahlbroschüre aber sagt etwas anderes. Leider.

Im Übrigen: Im Licht dieser zweiten Seite haben sich Marion Lück und Rainer Bleek nicht wirklich einen Gefallen getan, wenn sie es zugelassen haben, mit ihren Konterfeis in der Broschüre der WNK UWF aufzutauchen. Von den zwei Unterstützerparteien von Marion Lück hat die WNK UWG eine glatt unterschlagen und die andere auf einen vollkommen irrelevanten Punkt reduziert, der so nicht einmal in den programmatischen Texten der CDU zu finden ist. Und die Partei von Rainer Bleek wird kurzerhand zur Marginalie gemacht, mit der die WNK UWG nichts am Hut habe. Ein Eindruck bleibt. Ein guter Bürgermeister und eine gute Kandidatin, so der der WNK-Text, schmücken die WNK UWG. Nicht absichtlich. Der gute Bürgermeister und die gute Kandidatin hingegen werden von der WNK UWG beschädigt. In einer derart schrägen politischen Mitte wollten die beiden sich gewiß nicht wiederfinden.

Kommentar (1) Schreibe einen Kommentar

    • Thielo
    • 16.08.20, 23:04 Uhr

    Abgesehen davon, dass ich die Verplakatierung der Gegend dieses Jahr insgesamt ziemlich übertrieben und belästigend empfinde, wird mir beim Lesen der WNK UWG Werbepostille schon leicht übel. Lange schon nicht mehr so einen verquirlten Unsinn gelesen. Es mag ja durchaus Bürgerliche in dieser politischen Randgruppe geben. Bei den für diese Wahlwerbung Verantwortlichen habe ich diesbezüglich Zweifel.
    Wer mit gerade mal rund 10 % der Wählerstimmen die politische Mitte darstellen will und sich bei anderer Gelegenheit brüstet, einen „Angriff von rot-rot-grün“ abgewehrt zu haben, hat m. E. schon ernsthafte Probleme und sollte mal einen Arzt aufsuchen. Hoffentlich wählen genug Wermelskirchener die links von dieser Gruppe angesiedelten Parteien der wirklichen Mitte.

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