Die Fabel vom Wolf und vom Lämmlein

Ein Wort zum Montag, dem 20. Juli 2020 

VON CORNELIA SENG

In dieser Woche haben wir einen Ausflug gemacht zum Tierpark Sababurg. Zwischen Ziegen, Erdmännchen und Waschbären gibt es eine kleine Kirche, schlicht wie ein Stall. An den Seitenwänden kann man Fabeln von Martin Luther lesen. 

So auch die Fabel Vom Wolf und dem Lämmlein. Ein Wolf und ein Lämmlein treffen sich zufällig an einem Bach um zu trinken. Der Wolf trank oben am Bach, das Lämmlein aber weit entfernt unten. Als der Wolf das Lämmlein sah, lief er zu ihm und sprach: „Warum trübst du mir das Wasser, dass ich nicht trinken kann?“ Das Lämmlein antwortete: „Wie kann ich dir das Wasser trüben? Du trinkst doch oberhalb und könntest es mir eher trüben.“ Da sprach der Wolf: „Wie, beleidigst du mich auch noch?“ Das Lämmlein sprach: „Ich beleidige dich nicht.“ Darauf sagte der Wolf: „Dein Vater hat das vor sechs Monaten ebenfalls getan und du willst dich als Vater zeigen.“ Das Lämmlein antwortete: „Damals war ich noch nicht geboren, warum soll ich für meinen Vater büßen?“ Da sprach der Wolf: „Du hast mir aber meine Wiesen und Äcker abgenagt und verdorben.“ Das Lämmlein antwortete ihm: „Wie kann das möglich sein, da ich doch noch keine Zähne habe?“ – „Nun gut“, sagte der Wolf, „auch wenn du gut begründen und reden kannst, werde ich doch heute nicht ohne Fressen bleiben“. Und er würgte das unschuldige Lämmlein und fraß es auf. So ist der Lauf der Welt. Der Gerechte muss viel leiden, wenn einer Streit sucht.

Eine erstaunliche Geschichte! Der Wolf verwickelt das kleine Schaf in ein Gespräch. Er stellt falsche Behauptungen auf: „Du trübst mir das Wasser“, – er trinkt oben am Bachlauf! Der Wolf gibt sich beleidigt, – und verdreht die Geschichte. Er arbeitet mit Fake News und Unwahrheiten, ganz offensichtlichen Lügen. Und am Ende – will er das kleine Lamm doch nur fressen.

Ich bin kein Lämmlein. Wenn schon, bin ich ein altes Mutterschaf. Ich kenne mich aus mit Wölfen. Ich weiß von den Erfahrungen, die meine Herde mit Wölfen gemacht hat, auch mit Wölfen im Schafspelz. Ich weiß, wann es sich nicht mehr lohnt zu begründen und zu argumentieren. 

Ich halte mich an das Wort Jesu: „Seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben“ (Mt.16,16). 

Ich erzähle die Geschichte heute so: „Ein Wolf und ein Lamm treffen sich zufällig an einem Bach um zu trinken. Der Wolf trank oben am Bach, das kleine Lamm weit entfernt unten. Als der Wolf das kleine Lamm sah, lief er zu ihm und sagt: ‚Warum trübst du mir das Wasser, das ich nicht trinken kann?‘ Das Lamm durchschaute die falsche Behauptung des Wolfes sofort, sprang auf und lief zu seiner Herde. Alle Tiere der Herde, schwarze und weiße, stellten sich um das kleine Lamm und schützen es. Dazu machten die Vögel einen ohrenbetäubenden Lärm, dass alle Tiere des Waldes gewarnt waren. Da wurde es dem Wolf ungemütlich und er trollte sich. 

Kind, gib acht. Am Ende hilft nur Solidarität und Krach!

Kommentar (1) Schreibe einen Kommentar

    • Marga Ottersbach
    • 19.07.20, 11:48 Uhr

    Sehr wunderbar, danke liebe Frau Seng! Ins Herz fühlen, was sagt mein Herz, wie u wohin lasse ich mich führen?
    Gehirn einschalten mit der Absicht: Liebe u Frieden in mir u zu meinen Mitmenschen.
    Laut u deutlich handeln, gemeinsam!
    Der Führung vertrauen!
    Einen Wunder-vollen Sonntag für Sie u Ihre Lieben u allen, die Ihren Text lesen!

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