BUCHTIPP II: DEUTSCHER JUGENDLITERATURPREIS 2020

Nominierungen der Kritikerjury: Sparte Bilderbuch

VON MARIE-LOUISE LICHTENBERG

Dass scheinbar ganz einfache Formenbücher spannende Geschichten erzählen können, zeigen Mac Barnett und Jon Klassen. Gemeinsam haben sie drei Formen zu titelgebenden Bilderbuchhelden entwickelt, die sich charakterlich deutlich voneinander unterscheiden und doch gleich drei gemeinsame Abenteuer bestehen. Jedes der drei Bücher kann als Einzelwerk gelesen werden: Dreiecks Streichgeschichte, Quadrats künstlerisches Experiment und das unheimliche Abenteuer von Kreis beim Versteckspiel hinter dem Wasserfall. 

Wer jedoch alle drei Bücher liest, erkennt bald, wie die Geschichten über ihren eigentlichen Rahmen hinaus noch weitergehen, miteinander verflochten sind und sich gegenseitig beeinflussen. 

Intelligent und gewitzt spielen Barnett und Klassen hier mit Konventionen und fordern bei scheinbar einfachstem Plot auch erwachsene Betrachterinnen und Betrachter noch heraus. In ihrem Stil bleiben sie sich dabei treu: gedeckte Farben auf cremefarbenem Grund, die charakteristische Drucktechnik und ein gehöriges Augenzwinkern gehören hierzu. Viel komplexer, als auf den ersten Blick zu vermuten, sind diese Bilderbücher – in der Übersetzung von Thomas Bodmer – Titel, die mitwachsen und Bilderbuchfreunde lange begleiten.

Mac Barnett (Text) • Jon Klassen (Ill.) • Dreieck Quadrat Kreis • Aus dem Englischen von Thomas Bodmer • Verlag NordSüd • ISBN 978-3-314-10551-7 • 45,00 € • Ab Fünf

Ein leer stehendes Haus im Wald ist eine wunderbare Inspiration – wer mag dort gelebt haben? Was hat er getan, wen geliebt? Zwei Kinder nähern sich behutsam und spüren dem Geheimnis nach. Das Haus gibt seine Erinnerungen langsam preis – ein Foto, eine leere Konservendose, ein Buch. 

Lane Smith begleitet die Kinder und darüber die Bildbetrachter mit überlagerten Farbdrucken in kräftigen Rot- und blassen Blautönen durch eine überwucherte und verwilderte Landschaft, in der das alte Haus mit abblätternder Farbe steht. Kaum klettern die Kinder hinein und beginnen sich auszumalen, wer einst hier gewohnt haben mag, ändert sich der Illustrationsstil. Zwar hält Smith hier an der Drucktechnik fest, doch sind Bilder und Farben nun satter und wirken damit lebendiger. 

Jane Fogliano fängt die stille Poesie dieses einsamen Ortes in wenigen Worten ein und bedient sich dabei immer wieder lyrischer Stilmittel. In der deutschen Übertragung von Uwe-Michael Gutzschhahn scheint der Text so beinahe wie ein Gedicht, schwerelos und irgendwie zur flirrenden Sommerhitze passend, die man aus den Bildern herausliest. Ein Sommertraum, der zu eigenen Streifzügen verlockt und die Phantasie anregt – wunderbar!

Julie Fogliano (Text) • Lane Smith (Ill.) • Das Haus, das ein Zuhause war • Aus dem Englischen von Uwe-Michael Gutzschhahn • Fischer Sauerländer • ISBN 978-3-7373-5623-7 • 16,00 € (D) • Ab Fünf

Die Texte stammen von den jeweiligen Jurys.

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