Der Zusammenhang von Sprache und Gewalt

VON WOLFGANG HORN

Am gestrigen Abend hätten einer Hand voll Wermelskirchener Stadträte die Ohren klingeln müssen bei der Durchsicht durch beinahe alle informationsorientierten Fernsehprogramme. Auf keinem Kanal fehlte nach dem rechtsterroristischen Attentat von Halle die deutlichst ausgesprochene Warnung, über alle Parteigrenzen des demokratischen Spektrums hinweg, vor einer verrohten Sprache, vor politischer Rede, die die Gesellschaft und das Gemeinwesen spaltet, vor Hetze und Beleidigungen. Niemand könne sicher sein, daß eine derart mißratene politische Kultur bei einzelnen nicht auch zu Gewalt und Enthemmung führen.

Am Montag ist im Rat der Stadt die Chance vertan worden, daß eine Mehrheit des Rates sich für eine achtsame Sprache in der politischen Auseinandersetzung einsetzt, sich gegen Beleidigungen von Politikern und politischen Mitbewerbern wendet, sich entschieden gegen Häme und Herabwürdigung gesellschaftlicher Eliten und Institutionen sowie Einrichtungen des demokratischen Staates ausspricht und Hetze gegen religiöse oder soziale Minderheiten sowie rassistische Beleidigungen von Flüchtlingen ächtet.

Hier zur Dokumentation die Reden der Fraktionsvorsitzenden der SPD und von Bündnis90/DieGrünen, Jochen Bilstein und Stefan Janosi, auf der Sitzung des Stadtrates am 7. Oktober:

Jochen Bilstein (SPD):

Stefan Janosi (Bündnis90/Die Grünen):

Kommentare (2) Schreibe einen Kommentar

    • Horst Rosen
    • 12.10.19, 0:00 Uhr

    Frage: Was muss passieren, damit die große Mehrheit der im Rat vertretenen Parteien in unserer Stadt sich unmissverständlich auf eine sprachliche Plattform einigt, die sich gegen Hass, Rassismus und Diskriminierung Andersdenkender richtet? Reichen die Toten von Halle nicht aus? Noch mehr Tote?

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    • Grauganz
    • 17.10.19, 17:15 Uhr

    Lieber Jochen,
    lieber Stefan,

    Euch gilt unser Dank für die beiden Reden im Stadtrat. Eure unmissverständlichen Appelle an uns alle, im Umgang mit der Sprache nicht der Ausgrenzung oder gar Diffamierung Vorschub zu leisten, sind aktuell ja leider wieder dringend geboten. Dieser unser Dank gilt Euch als Person, er ist parteipolitisch völlig unabhängig; wir hätten ihn gern an mehr Einzelne oder auch Gruppierungen gesandt.

    Unverständlich, ja bedrückend ist es, wahrzunehmen, dass die Mehrheit des Stadtrats, also eines uns repräsentierenden Gremiums, ihr Abstimmungsverhalten von taktisch-parteipolitischen Erwägungen und nicht von ethischer Haltung abhängig macht.

    Die Diskussion über verantwortlichen Umgang mit dem, was öffentliche Äußerungen und ihre Wirkungen betrifft, aus dem Stadtrat in irgendeinen außerparlamentarischen Raum auszulagern, bringt zum Ausdruck, dass die Ratsmajorität vorgibt, mit dem wesensgemäß konstituierenden Mittel respektvoller Debattenkultur nichts zu tun zu haben. Und nichts zu tun haben zu wollen: Wie anders kann der Hinweis verstanden werden, das Problem solle eine „Podiumsdiskussion“ erörtern; wer sie auch immer – nur wir nicht – organisieren möge.

    Die Stimme gegen Beleidigung, Feindseligkeit oder gar Aufruf zu Gewalt zu erheben, erfordert noch nicht ganz so viel Mut, wie es einmal gefordert war. Dass ein Anwachsen dieser latenten Gefahr eingeschränkt und hoffentlich auch zurückgedrängt wird, dafür steht Ihr ein. Dafür muss allerdings jeder von uns mit sorgen. Wir auch. Wir alle sollten Gesicht zeigen, jede/r von uns.

    Es wäre so schön, wenn sich die örtliche Presse – etwa durch den Abdruck der Redetexte, klare eigene Position oder ein Leserbrief-Forum – daran engagiert beteiligen würde.

    Mit besten Grüßen
    Ricarda und Joachim Schulte

    (Von Wolfgang Horn in Absprache mit J. Schulte als Kommentar eingestellt.)

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