Von Verboten, Regeln und Schildern

VON WOLFGANG HORN

Mitunter sind ein und dieselbe Handlung in der Politik richtig, ungeschickt, rechtens, falsch, unangebracht, nachvollziehbar und schädlich. Alles zur gleichen Zeit. Gestern ließ die Verwaltung am Dorfpark in Dabringhausen ein Schild anbringen, ein Warn- und Verbotsschild. Im Dorfpark sei nach 20 Uhr Alkoholgenuss nicht gestattet und die Nutzung schallverstärkender Geräte, von Bluetooth-Boxen oder Verstärkern, sei untersagt. Der Bürgermeister. 

Anwohner hatten sich beschwert wegen der Belästigungen durch über die Stränge schlagende Jugendliche. Glasscherben, Müll, Musik, Lärm, unangepaßtes Verhalten, all das hat über eine längere Zeit schon für Unmut gesorgt bei jenen, die dort wohnen, die sich dem Treiben aus unmittelbarer Nähe immer wieder ausgesetzt sehen. 

Dem Treiben von Jugendlichen, die keinen eigenen Ort haben, nichts für sich, keinen Platz, an dem sie sich und ihre von den Bedürfnissen der Erwachsenen so sehr unterscheidenden Vorstellungen ungestört und ungestraft ausleben können und dürfen. Und konstruktiv sind sie auch nicht, die Dabringhauser Jugendlichen. Sie haben keine konkreten und durchdachten Ideen vorgelegt, keinen Maßnahmeplan, kein Projekt, wie und wo sie erwachsenenfrei und unter sich chillen, Musik hören, quatschen, Blödsinn machen, trinken, streiten, knutschen oder einfach nur abhängen können. Natürlich nicht. 

Mal ganz ehrlich: Hatten wir seinerzeit, im gleichen Alter, einen klaren Plan, was wir von den Erwachsenen erwarteten, was wir brauchten, um unseren Bedürfnissen nachzukommen? Nein, hatten wir nicht. Gleich, welcher Generation wir genau angehören. Kann man von Jugendlichen, die sich noch finden müssen, wirklich planvolles und konstruktives Handeln erwarten, das einer rationalen Analyse der Befindlichkeit und einer Beschreibung von Bedürfnissen folgt? Nein. Das kann man nicht einmal von den meisten Erwachsenen abfordern.

Annähernd 500 Unterschriften sollen von ruhebedürftigen Anwohnern gegen das Treiben der Jugendlichen, deren Zahl mit zwischen 35 und 50 angegeben wird, bereits gesammelt worden sein. Vermutlich haben auch solche Erwachsene unterschrieben, deren Verhalten in ihrer eignen Jugendzeit dem der „Jugend von heute“ durchaus ähnlich gewesen ist. Ist das nicht überhaupt der Lauf der Dinge? Wir haben früher auf einem Kinderspielplatz zur Erschütterung der Anwohner laute Musik gehört, „Negermusik“, gesungen, getanzt, geknutscht und getrunken. Alles ohne Etikette. Alles ohne Regeln. Alles auch ohne Sinn, zugegeben. Aber das konnten wir damals nicht wissen. Und eines war besonders wichtig: die Provokation der Älteren. Haare, Kleidung, Verhalten, die ganze äußere Erscheinung und die innere Verfassung haben uns völlig von der Welt der Erwachsenen getrennt. Das waren zwei verschiedene Planeten. Und: War das nicht eigentlich immer schon so, zwischen Erwachsenen und ihren Nachkommen? Müssen sich nicht alle Jugendlichen reiben an den Alten, um erwachsen werden zu können? Müssen sie nicht, jedenfalls zeitweise, die Regeln der Erwachsenenwelt überschreiten, geradezu brechen?

Die Jugendlichen von heute, die vom Dabringhausener Dorfpark, sind vermutlich nicht schlimmer, als es die Jugendlichen seinerzeit auf dem Kinderspielplatz an der Königsberger Straße in Porz waren, der Stadt, in der ich meine Kindheit und Jugendzeit zugebracht habe. Natürlich haben der Bürgermeister und die Verwaltung der Stadt Recht, wenn sie auch von den Jugendlichen die Einhaltung von sinnvollen Regeln des Zusammenlebens einfordern und Rücksicht auf die Anwohner. Ich frage mich allerdings, ob das bloße Anbringen eines Schildes, das, zumal in knappster Verwaltungssprache und mit unübersehbar großen Verbotszeichen, einseitig auf die Einhaltung der Regeln pocht, aber nicht wirklich auf einen Dialog aus ist, schon ein guter Schritt nach vorne ist. Ich fürchte: nein. 

Kein Wunder, daß ein Schild zwischenzeitlich schon bemalt und „verziert“ worden ist. Als Erwachsener weiß man, wie Jugendliche auf eine von ihnen als Provokation gewertete Maßnahme der „Obrigkeit“ reagieren. Man hat das ja alles schon einmal durchlebt, in seinen Jugendjahren. Die Verwaltung, der Bürgermeister haben Recht. Eine kommunikative Meisterleistung im Umgang mit den Jugendlichen ist das alles indes nicht. Das Schild schafft lediglich (und immerhin) Rechtssicherheit für die Ordnungsbehörden. Niemand kann sich mehr herausreden. Die Verbote sind ausgesprochen. Durchgesetzt sind sie damit aber noch längst nicht. Und ein Handlungsangebot an die Dabringhausen Jugendlichen fehlt allemal. Immer noch. Schon lange. Leider.

Und: Nein, ich bin nicht für Narrenfreiheit für zügellose oder asoziale Jugendliche. Ich bin für die Einhaltung von Grenzen. Aber ich frage mich, ob man Jugendliche ohne relevante kommunale Freizeit-Angebote von der Notwendigkeit, Grenzen zu respektieren, überzeugen kann mit dem Hinweis auf Verbote. Politik muß überzeugen, Verwaltung eigentlich auch.

Politik, Parteien und Verwaltung sollten nun schnell Gespräche führen. Mit den Jugendlichen, Eltern, Anwohnern. Damit sich die Fronten nicht verhärten und nicht Reaktionen heraufbeschworen werden, die nicht mehr leicht einzufangen und zu bändigen sind. Wie hieß es im Album von Wolf Biermann mit dem Titel „Lieder vom preußischen Ikarus“? „Was verboten ist, das macht uns grade scharf.“

Kommentare (6) Schreibe einen Kommentar

    • S Austel
    • 01.08.19, 21:11 Uhr

    Herzlichen Dank für diesen konstruktiven Beitrag!
    2 Jugendliche hatten mit Herrn Görnert und mir einen offiziellen Termin am 12.03.2019 um 15.30h in dem dokumentiert wurde, dass das Jugendprojekt anlaufen soll und das Volker Niemz schon einen Bauwagen oder Container (da bin ich mir nicht ganz sicher) besorgt hat, der nur noch aufgestellt werden muss!

    2017 hatte unsere Tochter mehrfach Kontakt für eine der Gruppen aus dem Park mit unserem Bürgermeister und es kam nichts dabei raus. Das dazu, dass die Jugend sich nicht bemüht hat.

    Das Alkoholverbot im Park für Erwachsene ist juristisch nicht anwendbar!

    Sollte so etwas überhaupt irgendwie durchsetzbar sein, hätte dieses vor Jahren schon am Norma erfolgen müssen.

    Mit freundlichen Grüßen

    Silke Austel

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    • Martin Cox
    • 01.08.19, 21:23 Uhr

    Sehr gut geschrieben, ich denke in diesem Text finden sich viele Dabringhauser wieder…..vielleicht sogar mehr als diese 480 Leute, die die Liste unterschrieben haben.

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    • Rainer Bleek
    • 01.08.19, 21:53 Uhr

    In Deinem Kommentar, lieber Wolfgang, wirfst Du leider zuviel in einen Topf. Da fehlt mir die analytische Schärfe. Das Lied vom preußischen Ikarus zielt ab auf politische Inhalte. Um die geht es in Dabringhausen überhaupt nicht. Hier geht es um Vermüllung, Vandalismus, rücksichtslosen Lärm. Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen, schwächeren Nutzern, Anwohnern. Dieses Verhalten liegt nicht daran, dass möglicherweise sozialkulturelle Angebote fehlen. Die wollen schlicht Abhängen unter Gleichaltrigen, und das ist auch völlig okay. Aber die Freiheit des Einzelnen endet da, wo die Freiheit der anderen anfängt. Und nicht nur Jugendliche haben Bedürfnisse, sondern Menschen die morgens arbeiten müssen auch. Ist nicht schwer zu verstehen.

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    • Mike Galow
    • 01.08.19, 22:55 Uhr

    –Aber die Freiheit des Einzelnen endet da, wo die Freiheit der anderen anfängt. Und nicht nur Jugendliche haben Bedürfnisse, sondern Menschen die morgens arbeiten müssen auch. Ist nicht schwer zu verstehen.— Tja, vielleicht hätten die Jugendlichen mal besser einen Backwarenvertrieb eröffnet. Da ist die Ruhe der Anwohner dann scheißegal, wenn die Randale durch den Anlieferungsverkehr morgens um 03.30 Uhr beginnt.

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    • MarcO
    • 02.08.19, 10:52 Uhr

    “Kinder und Jugendliche sind unsere Zukunft”,
    ist ein häufiges Statement ohne konkrete Handlungskonsequenzen.

    Nicht nur in Dabringhausen wurde viele Jahre einfach so gut wie nix für den Nachwuchs getan. Offensichtlich rechnet sich das für einige Parteien nicht, auch die Bedürfnisse von Nicht-Autofahrer zu berücksichtigen. Kostet ja Geld. Voll schlimm.

    Was das schon ein Kampf war, gewisse Kanisterköpfe in der Stadtentwicklung von der Notwenigkeit eines Jugendfreizeitparks in Wermelskirchen zu überzeugen … Unglaublich!

    Und nun wurden mal wieder Unterschriften gegen etwas gesammelt. Das geht immer gut. Vielleicht hätte man das Pferd zur Abwechslung mal von vorne Aufzäumen sollen,
    und für die Interessen der Jüngsten die Unterschriften gesammelt!?

    P.S. Vielleicht kommt die nächste Generation ja in den Genuss, mit der mittlerweile angebundenen Express-Seilbahn nach Leverkusen zu bummeln um dort zu spielen.
    Dann wird es wieder schön leise auf´m Dorf.

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  1. Da bin ich ganz bei dir MarcO, anstatt nach Lösungen in Form von tollen Freizeitangeboten für die Jugend zu suchen, wird nun ein ganz tolles Schild aufgestellt, welches Null Lösungsansätze mit sich bringen wird. Wir alle waren auch mal 13,14,15,16 oder 17 Jahre und haben sicher einigen Blödsinn angestellt. Also lasst uns endlich in Wermelskirchen tolle Freizeitangebote für (alle) Altersgruppen ins Leben rufen, dann wird sich das derzeitige Problem sehr schnell wieder erledigt haben. Gut geschrieben Wolfgang… ich kann dir da auch nur zustimmen…

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