Warum ich nicht mitkeilen möchte

Von Wolfgang Horn

„Das ist das Schöne und das Anstrengende an der Demokratie zugleich. Wir müssen wieder lernen zu streiten, ohne Schaum vorm Mund, und lernen, unsere Unterschiede auszuhalten.“ Das hat der Bundespräsident den Menschen in seiner Weihnachtsansprache empfohlen. Denn vor allem in den sozialen Medien werde „gegiftet, da ist Lärm und tägliche Empörung“. „Lassen Sie uns dafür sorgen“, fährt der Präsident fort, „dass unsere Gesellschaft mit sich im Gespräch bleibt!“ Was passiere, wenn Gesellschaften auseinanderdrifteten, wenn eine Seite mit der anderen kaum noch reden kann, ohne dass die Fetzen fliegen – das könne man an der Welt um uns herum ablesen.

Wer sich in die Öffentlichkeit begibt, öffentlich schreibt, auch in sozialen Medien, Facebook etwa, oder anderswo, ist auf Rezeption aus, auf Reaktionen, auf Kommunikation. Der Sender und der Empfänger tauschen Botschaften aus und wechseln die Rollen: der Sender wird zum Empfänger, der zum Sender. Gelingende Kommunikation ist Austausch und Verstehen, womöglich gar Wissenszuwachs und Änderung von Auffassungen, von Meinungen, Haltungen.

Damit Kommunikation gelingen kann, muß indes ein bestimmtes Niveau des Umgangs eingehalten werden. Wer beispielsweise sein Gegenüber beständig anschreit, kann nicht darauf hoffen, auf Verstehen zu treffen. Auch wer den Kommunikationspartner immerfort beleidigt oder verächtlich macht, kann nicht davon ausgehen, daß diese Art der Kommunikation erfolgreich sein wird. Wer sich so verhält, laut schreit, dröhnend formuliert, Menschen immerzu beleidigt, vollkommen empathiebefreit schreibt, ist nicht auf Kommunikation aus, sondern auf Krawall. Hier wird ein altes Sandkastenspiel wiederholt. Lautes Plärren leitet das Füße-Aufstampfen ein und mündet im trotzig vorgetragen Satz, man habe gewonnen. Ich bin stärker als Du. Ich habe mehr Freunde. Mehr Schüppchen. Mehr Klicker. Jedenfalls mehr. Ein Machtspiel. Nicht mehr.

Beiträge und Kommentare im Forum sollten von einem Mindestmaß an gedeihlichen Umgangsformen gekennzeichnet, frei von Schmähungen sein und ohne Beleidigungen auskommen. Hetzen, beschimpfen, herabwürdigen, krudes Deutsch jenseits grammatischer oder orthografischer Regeln, Wut und Haßreden – das alles sollte Merkmal anderer Plattformen bleiben, jedenfalls hier im Forum Wermelskirchen keinen Einzug halten.

Wer glaubt, auch als Politiker oder Ratsmitglied, die Schmährede zum persönlichen Standard machen zu müssen, soll das tun, zugleich aber wissen, daß der Verzicht auf Anstand und Zivilisiertheit dem zivilisierten Mehrheitspublikum das eher zweifelhafte Vergnügen von Irritation liefert oder gar Abscheu, jedenfalls nicht das Vergnügen von Seriösität, Argumentation und gehobenem Ausdrucksvermögen.

Beispieltiraden gefällig?

“Wenn zwischen der Stoßstange und der Wand Merkel, Roth und Konsorten kleben, ist das ein prima Kurs.”

„Ich frage mich, wann eine Staatsanwaltschaft soviel Mumm hat und gegen die Frau Bundeskanzlerin wegen Beihilfe zu Tötungsdelikten (…) Ermittlungen aufnimmt.“

„… weil wir Deutsche eine derart bescheuerte Bunskanzlerin (im Original, W.H.) haben und es offenbar keine Instrumentarien in unserer Verfassung gibt, wie man solche Vertrags- und Rechtsbrecherin in solch einer dramatischen Situation schnell quitt wird …“

Derartiger Hass, solche Tiraden sind von der Meinungsfreiheit womöglich gedeckt. Anständig ist dieser rhetorische Umgang mit der Bundesregierung stellvertretend für Teile der Gesellschaft oder gesellschaftliche Eliten nicht. Es ist allenfalls dumpfestes Elitenbashing, aus rechtsradikalen Kreisen bestens bekannt.

Noch ein Pröbchen?

„Jedem Grünen und Tiefroten scheint bei jedem ankommenden Flüchtling hier vor lauter Freude die Sonne aus dem Hintern, weil sie damit ihrem Ziel, unseren Staat und unsere Gesellschaft mittels Multikulti kaputt zu machen, einen Schritt näher kommen.“

Oder: „Der Tag ist nicht mehr fern, wo Millionen sich diese links-grünen Verarsche und den ‚Umbau‘ Deutschlands nicht mehr gefallen lassen und auf die Straße gehen werden – und dagegen wird Chemnitz ein Martinsumzug gewesen sein …“

Wie kann man eigentlich deutlicher drohen? Das ist die Sprache des Mobs, die Sprache der Niederträchtigkeit, verbaler Hooliganismus, Gewaltsprache.

„Obwohl nicht bewiesen ist, ob und in welchem Ausmaß Klimaänderungen überhaupt durch Menschen beeinflusst werden (können), weiß der links-grüne Mainstream es natürlich wieder besser.“

Natürlich darf man Skeptiker sein, was die Klimaproblematik angeht. Man darf auch die Augen vor wissenschaftlichen Erkenntnissen feste verschließen oder den Kopf komplett in den Sand stecken. Aber die übergroße Mehrheit der Forscher als „links-grünen“ Mainstream zu etikettieren, zeigt eigentlich, daß man an produktiver Debatte nicht interessiert ist, nur an Denunziation.

„Du hast Dich demaskiert. (…) Es ist erschreckend, wie ein Mensch nach nur wenigen Monaten Kontakt zum BürgerForum derart „verdorben“ wird und sich für deren Machtgeilheit missbrauchen lässt.“

„Es gibt Menschen, die sind so blöd, dass es knallt und das nicht immer nur in Abhängigkeit von ihrem IQ.“

Allesamt Leseproben aus der digitalen Welt. Nicht von irgendwelchen No-Names, auch nicht von Mitgliedern rechtsextremer Parteien. Sondern Texte Wermelskirchener Stadtverordneter, die nicht Mitglied der AfD sind.

Nein, ich möchte nicht mitkeilen. Und ich möchte nicht, daß Debatten im Forum Wermelskirchen auf eine solche Weise, in derartigen Formulierungen ausgetragen werden.

In diesem Sinne und eingedenk der Worte des Bundespräsidenten wünsche ich Ihnen allen einen guten Übergang ins neue Jahr, Gesundheit, persönliches Wohlergehen und beruflichen Erfolg. Bleiben Sie dem Forum Wermelskirchen gewogen. Wir werden auch im kommenden Jahr berichten, kommentieren, kritisieren. Wir bleiben im Gespräch miteinander. In gewohnter Weise.

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