Ein Einwurf von Wolfgang Horn
Zeitgleich um halb Sieben begehen heute die beiden großen Parteien in Wermelskirchen, CDU und SPD, ihren „politischen Aschermittwoch“, in den Bürgerhäusern die einen, die Schwarzen, im Bistro der Katt die anderen, die Roten.
Politischer Aschermittwoch. Aschermittwoch, das kann man ja noch verstehen. Der Beginn der Passionszeit, der Fastenzeit. Das Aschenkreuz auf der Stirn, in den Gottesdiensten dieses Tages aufgebracht, oder das Bestreuen mit Asche galt, gilt als Zeichen der Buße. „Ich richtete mein Gesicht zu Gott, dem Herrn, um ihn mit Gebet und Flehen, bei Fasten in Sack und Asche, zu bitten.“ (Daniel 9,3) Gut. Buße. Damit fällt der normale Aschermittwoch für politische Parteien aus.
Also politischer Aschermittwoch. Das war zunächst eine rein regionale Angelegenheit. In Bayern. Nur in Bayern. Seit dem 16. Jahrhundert. Erst viel später, im letzten Drittel des vergangenen Jahrhunderts hat der politische Aschermittwoch auch andere Regionen Deutschlands erreicht und andere Parteien als die der Bauern. Aber: Der bajuwarische Charakter der Veranstaltung ist geblieben. Eine kraftmeierische, nicht selten rüpelhafte Veranstaltung, auf der es zu derbem rhetorischen Schlagabtausch kommt. So eine Art krachlederne Kirmes der Politik, wüstes Gerede im Bierzelt, gußeiserne Rechthaberei am Mikrophon, Stammtischparolen in „Haut-den-Lukas“-Manier, gegen die Schlammcatchen mitunter eine zivilisierte Veranstaltung ist. Einst das Markenzeichen der CSU, heute von fast allen anderen Parteien auch betrieben. Mithalten in der Dröhngesellschaft. Der politische Aschermittwoch dient nicht der Überzeugungsarbeit. Er soll vor allem die eigenen Reihen schließen, das Parteivolk hinter den Vordenkern versammeln.
Man kann nur hoffen, daß die beiden Aschermittwochsveranstaltungen in Wermelskirchen eine Ausnahme machen. Denn schlimmer als politische Kraftmeierei ist nur provinzielle politische Kraftmeierei. Ich weiß natürlich, daß wir uns in einem Wahljahr befinden. Aber muß deswegen schon die politische Vernunft ausgeschaltet werden? Wahlkampf, das war einmal der Versuch Menschen überzeugen zu wollen. In diesen Zeiten ist er Vorwand für simpelste “Lösungen”, dafür, das komplizierte politische Geschehen aufs Holzschnittartige, aufs Grobe, aufs Derbe zu pressen. Etwa, wenn hier in Wermelskirchen die lokale CDU vor dem kommunalen Pleitegeier warnt, obwohl es doch bislang keine einzige Finanzentscheidung im Rat gegen oder ohne die CDU gegeben hat. Politischer Aschermittwoch? Oh Grauen.