Ein Wort zum Montag, dem 11. September 2023
VON CORNELIA SENG
Auf unserem Balkon wachsen Birken. In einem großen Blumentopf. Sie werden von mir sorgfältig gepflegt und gegossen. Birken als Bepflanzung auf dem Balkon? Die Freunde gucken skeptisch.
Birken sind das Unkraut des Ruhrgebiets, sie wachsen in jeder Ritze. Meine Birken habe ich in der Blumenschale aus Wermelskirchen mitgebracht. Erst habe ich sie gar nicht bemerkt. Die kleinen Samen hatten sich zwischen den Zierpflanzen ausgebreitet. Als sie größer wurden, habe ich sie umgetopft. Jetzt ragen sie schon deutlich über das Balkongeländer. Wie sehr sich die Birken aus dem Pfarrgarten doch vermehrt haben! Damit habe ich nicht gerechnet.
Jesus hat den Menschen damals viele Geschichten erzählt, Gleichnisse. Zum Beispiel das Gleichnis vom Sämann (Mt 13,1-9). Beim Säen mit der Hand fällt einiges auf den Weg oder zwischen das Unkraut. Es kann dort nicht gedeihen und verdorrt.
Heute wird anders gesät. Mit großen Maschinen wird sorgsam auf die Effektivität von Säen und Ernten geachtet. Möglichst eins zu eins sollen die Samenkörner Frucht bringen. Wir sind an schnellen, sichtbaren Erfolg gewöhnt.
Hatten sich die Schüler und Schülerinnen bei Jesus beklagt? – Herr, nun ziehen wir durch die Dörfer wie du uns aufgetragen hast. Aber was ist der Erfolg? Wann wird sich die Welt ändern? Wann kommt das Reich Gottes? –
Ich könnte dieselbe Frage stellen – es ist so dunkel in der Welt. Das Berufsleben liegt hinter mir. Ich habe gepredigt und Jugendlichen den Glauben erklärt. Müssten die Kirchen nicht wachsen statt schrumpfen? Was bleibt von all der Arbeit meiner Generation?
Heute trösten mich die Birken auf dem Balkon. Noch nicht mal selbst gesät habe ich sie. Der Same ist einfach aufgegangen. So ist es auch mit unserem Leben: Irgendwo und irgendwen in der Welt werden unsere Worte und Taten schon angesteckt haben. Zu Frieden, zu Liebe und Gerechtigkeit. Hundertfach, sechzigfach oder dreißigfach ist die Ernte, erklärt Jesus. Vielleicht ist sie ganz anders als wir denken. Unerwartet. Wo und was wächst, ist Gottes Sache. Nachzählen brauchen wir das nicht. Es ist genug, wenn Gott den Überblick behält.
Die alte Birke im Pfarrgarten würde staunen über ihre Sprösslinge auf unserem Balkon!
