Ein Wort zum Montag, dem 12. Dezember 2022
VON CORNELIA SENG
Mein kleiner Enkel Emil ist ein fröhliches, sonniges Kind. Nur nachts wacht er oft auf und muss getröstet werden. Wachsen die Zähne? Oder was beschäftigt ihn? Vermutlich ist das normal. Ich als Oma mache mir trotzdem Sorgen. Was mag ihn so beschäftigen, das ihn nicht schlafen lässt? Was ängstigt seine kleine Seele? Welche Eindrücke vom Tag hat er zu verarbeiten?
Emil wächst behütet auf. Wie mag es den Kindern in der Ukraine gehen? Oder in den Flüchtlingslagern? Oder …? Was mag sich in deren Kinderseelen alles eindrücken? Welche Erfahrungen werden sie mit dem Leben machen?
„Wo bleibst du Trost der ganzen Welt?“ – so beginnt die vierte Strophe des bekannten Adventsliedes „O Heiland reiß die Himmel auf!“ Friedrich Spee von Langenfeld hat es gedichtet. Er hat von 1591–1635 gelebt. Es war die Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Die Zeiten damals waren unvergleichlich schrecklich. Was mag sich in die Seelen der Kinder damals alles eingedrückt haben? Friedrich Spee war Jesuitenpriester und war doch seiner Kirche nicht genehm. Immer wieder wurde er versetzt. Schließlich hat man ihm die Lehrerlaubnis entzogen: Er hatte eine Schrift über die Hexenprozesse seiner Kirche veröffentlicht – zwar anonym, aber man wird ihm seine kritische Haltung angemerkt haben. Würde ein Mensch unter Folter überhaupt die Wahrheit aussagen kön- nen? Friedrich Spee zweifelte das an. Die Ordenskollegen waren mit Friedrichs kritischer Haltung nicht einverstanden. Nach seiner Versetzung nach Trier hat er sich bei der Pflege pestkranker Soldaten angesteckt im Alter von nur 44 Jahren. „Wo bleibst du, Trost der ganzen Welt?“ hatte er sehnsuchtsvoll gedichtet. Wie viel Leid und Verzweiflung mag er erlebt haben?
Wann kommt endlich der Heiland, der dem Dunkel ein Ende macht? Oft bete ich den 121. Psalm. Es ist einer der wenigen Psalmen, den die Konfirmanden noch auswendig gelernt haben. Weil es manchmal eben gut ist, wenn man Worte parat hat, die einem beim Beten helfen. Fällt es mir jetzt erst auf, dass es da heißt: „Er behüte deine Seele?“ Nach dem Satz: „Der Herr behüte dich vor allem Übel“ wird die Seele extra erwähnt! Nicht nur der Körper kann versehrt werden, auch die Seele! Wenn sie keinen Frieden mehr findet und wenn sie das Vertrauen verliert.
Dass du gerne lebst, kleiner Emil! Dass du gerne ein Mensch bist und dich freust über die Verbindung, die Gott zu dir hat, das wünsche ich dir. Dass du das Vertrauen in das Leben nicht verlierst, das Vertrauen in Gott! „Der Herr behüte deine Seele“, das bete ich nicht nur für Emil.
Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen. Woher kommt mir Hilfe? Meine Hilfe kommt vom HERRN, der Himmel und Erde gemacht hat. Er wird deinen Fuß nicht gleiten lassen, und der dich behütet, schläft nicht. Siehe, der Hüter Israels schläft und schlummert nicht. Der HERR behütet dich; der HERR ist dein Schatten über deiner rechten Hand, dass dich des Tages die Sonne nicht steche noch der Mond des Nachts. Der Herr behüte dich vor allem Übel, er behüte deine Seele. Der Herr behüte deinen Ausgang und Eingang von nun an bis in Ewigkeit!