Versteckspiel

Ein Wort zum Montag, dem 26. September 2022

VON CORNELIA SENG

Vermutlich liegt es an meinem fortgeschrittenen Alter: Mehr und mehr erinnere ich mich an Geschichten aus meiner Kindheit. Einmal … habe ich mich versteckt. In den Ferien war ich oft bei Onkel und Tante auf dem Land, in der Nähe von Bebra. Hinter der Zimmertanne, ganz in der Ecke des wenig genutzten Esszimmers machte ich mich ganz klein und war mucksmäuschen still. Zuerst hat die Tante vermutet, ich sei im Garten oder mit dem Onkel bei den Bienen. Aber dann hörte ich, wie sie unruhig im Haus auf und ab ging und immer wieder meinen Namen rief. Wo mag das Kind nur sein? Ich hielt fast den Atem an in meinem Versteck. Natürlich meldete sich mein schlechtes Gewissen. Durfte ich der Tante solche Sorgen machen? Aber es war ein wunderbares Gefühl, vermisst zu werden! Sie machte sich echte Sorgen um mich! Ich war ihr also wichtig!

Es gibt viele Grunde, aus denen Menschen sich verstecken. Bei Adam und Eva im Paradies war es die Scham. Der Prophet Jona meinte, dem ungeliebten Auftrag zu entkommen, wenn er sich versteckte, erst auf dem Schiff, dann im Fischbauch. Zachäus, der Zöllner, versteckte sich im Blättergewirr aus Neugier. Konnte er aus dem Versteck heraus einen Blick auf Jesus erhaschen, möglichst, ohne selber gesehen zu werden?

Ich habe es in meinem Versteck genossen, vermisst zu werden. Denen war ich wohl wirklich wichtig! Sie sorgten sich um mich! Und es tat gut, entdeckt zu werden. „Hier bin ich Tante!”, habe ich schließlich gerufen. Und sie hat mich fest in die Arme genommen.

Hier bin ich, Gott!” möchte ich heute rufen. Ich will mich nicht verstecken. Nicht aus Scham. Nicht aus Furcht und nicht aus Neugier. Mitten in den Sorgen um mein Altwerden, den Sorgen um die Zukunft der Enkelkinder, mitten in dieser Welt will ich rufen: „Hier bin ich, Gott!“ Und in der Umarmung Gottes leben.

„Alle eure Sorge werfet auf ihn; denn er sorgt für euch.” (1.Petrus 5.7)

© Cornelia Seng

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