MEINE DOCUMENTA

III: Die Führung 

VON CORNELIA SENG

Gleich für den ersten Sonntag habe ich eine Führung durch die Documenta-Halle gebucht. „Ich bin euer sobat“, stellt sich die junge Frau fröhlich vor. „Sobat“ ist indonesisch und heißt so viel wie „Freund / Begleiter“. Wir stehen im Kreis. Jede/r soll sich kurz vorstellen und seine / ihre Erwartungen äußern. Ich komme mir vor wie auf dem Kirchentag. Ich hatte Erklärungen erwartet, aber es soll um Erlebnisse gehen. Unser „sobat“ weiß im Grunde auch nicht mehr als wir. Die Documenta verändert sich ständig. Eine schöne Video-Installation, die Einblick in den Alltag in Thailand gibt, hat unser „sobat“ auch noch nicht gesehen. Wir sollen unsere Eindrücke teilen und zusammentragen, „harvesting“ heißt das.

Diese Documenta wird nicht ästhetisch, sondern durch die Handlungsweise kuratiert. Mit der Führung werde ich als Besucherin in dieses Prinzip mit hineingenommen.

Das Kuratoren-Team ruangrupa hat andere ihnen bekannte Künstler-Kollektive nach Kassel eingeladen. Die wiederum haben weitere angefragt. Über 1500 Künstler sind beteiligt. Sie sollten natürlich das Lumbung-Prinzip teilen und die „Werte“. Ausdrücklich werden uns „Großzügigkeit, Humor, lokale Verankerung, Unabhängigkeit, Regeneration, Transparenz und Genügsamkeit“ genannt. Das klingt gut. Aber genügt das?

Mir fehlt die Menschenwürde. In Deutschland ist sie in Artikel 1 des Grundgesetzes verankert: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“

Was als Antisemitismus gilt, mag in Indonesien und in Ländern des globalen Südens anders empfunden werden als in Deutschland. Was Menschenwürde ist – the inner dignity of a person – versteht jeder Mensch von sich aus, sagt der amerikanische Politologe Francis Fukuyama. Das meint er global. Und sollte auch für die Kunst gelten. 

Darüber müssen wir reden auf dieser Documenta. Wir OMAS GEGEN RECHTS machen gerne mit.

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