Fürchterlich

VON WOLFGANG HORN

Man könnte ja lachen, herzerfrischend sich die Bäuche halten angesichts der weniger als mittelmäßig-provinziell sich gebenden Bildungs- und Kulturpolitik der „Kleinstadt mit Herz“, wenn es nicht zugleich so unendlich traurig wäre, wie die Stadtverordnetenversammlung mit der Musikschule und der Sekundarschule, mit der kulturellen Gegenwart und Zukunft der Provinzstadt, mit musikliebenden Eltern, Kindern und Lehrern umspringt.

Heute ist zu lesen, daß die Musikschulleiterin, eine professionelle Musikerin und eine ebenso professionelle Lehrerin, hinschmeißt und sich einen neuen Wirkungsort wählt. „Eine professionelle Musikerin mit Format, die mit viel Herzblut angetreten war, um das kulturelle Leben in Wermelskirchen nachhaltig zu bereichern.“ So beschreibt Anja Carolin Siebel heute ihn ihrem Kommentar im Wermelskirchener General-Anzeiger die Leiterin der Wermelskirchener Musikschule.

Man kann Celia Spielmann verstehen. Die Kulturelite der Stadtverordentenversammlung konnte sich nicht bereit finden, der bereits seit geraumer Zeit in finanzieller Not befindlichen Musikschule unter die Arme zu greifen und den ursprünglichen Förderbeitrag der Stadt zuzusagen. Die Pandemie hatte der finanziell ohnehin auf Kante genähten Einrichtung zusätzlich Probleme bereitet.

Seit über 70 Jahren fördert die Musikschule in Wermelskirchen die musikalische Bildung. Sie lehrt Kinder und Erwachsene, Instrumente zu spielen, Musik zu machen, sie zu verstehen, ganz unabhängig von der finanziellen und sozialen Lage der Eltern. In Schulen und Kindergärten sind die Lehrer der Musikschule zu finden. Wie gesagt, seit 70 Jahren. Und jetzt dieses Fiasko.

Die Leiterin der Schule geht, weil die famosen Stadtverordneten beschlossen hatten, Geld in die Hand zu nehmen, nicht aber, um den Weiterbetrieb der Musikschule zu sichern, sondern um die finanzielle Lage der Einrichtung in den Bürgerhäusern gutachterlich untersuchen zu lassen. Was für eine Infamie. Man weiß nicht, ob die Herren, die diesen Beschluß zu verantworten haben, ein Instrument spielen können. Aber was Kultur und Stadtentwicklung angeht, sind sie gewiß kenntnisbefreit und empathielos.

Es ist entsetzlich, was in den letzten Monaten in dieser Stadt mit Kultur und Bildung geschieht. Die Musikschule wird in ihrer Existenz bedroht. Die Beschlüsse des Rates sind nicht anders zu werten als mit mißachtender Geste vollzogene Abwendung von einer kulturellen Einrichtung, die gewiß mehr für die Stadt und die Wermelskirchener Kinder vollbracht hat als so manche Verordnete in all den Jahren ihrer schieren und stummen Anwesenheit im Ratssaal. Diese Herrschaften kriegen nicht einmal mehr mit, welchen Verlust sie der Stadt und ihren Bürgerinnen und Bürgern bescheren. Man könnte schreien.

Vor ein paar Tagen schon war zu lesen, daß das aus Lehrer-, Eltern- und Schülervertretern bestehende höchste Gremium der Sekundarschule, die Schulkonferenz, eine unmißverständliche Absage für den Standort Wirtsmühler Straße/Weyersbusch für die neue Gesamtschule beschlossen hatte, weil „eine fünf- bis sechszügige Schule laut dem von der Stadt beauftragten Architektenbüro am Standort Wirtsmühler Straße nicht möglich (ist). Eine Sicherstellung eines Schulangebotes für alle Schüler kann nicht gewährleistet werden.“ Starker Tobak. Die Politiker einer Kleinstadt, sollte man meinen, müßten müßten doch spüren, mitbekommen, welche Sorgen in der Stadt artikuliert werden. Eine Schule wird für Jahrzehnte, mindestens, gebaut. Sie muß die Entwicklung einer Stadt über lange Jahre möglich machen und nicht behindern. Der Horizont muß also auf lange Sicht gerichtet sein, nicht auf eine Legislaturperiode, nicht auf eine Haushaltsperiode.

Und: Eine Schule, die siebzig Jahre lang Gutes für Kinder und Eltern, auch solche, die nicht gut gestellt sind, geleistet hat, die muß auch die Perspektive für die nächsten siebzig Jahre erhalten. Für einen Zeitraum, in dem die Verantwortlichen für die fürchterliche Behandlung von Schulen in Wermelskirchen längst nicht mehr bekannt sind.

Kommentare (2) Schreibe einen Kommentar

    • Michael Dierks
    • 27.05.22, 12:25 Uhr

    Ich kann Celia Spielmann nur beglückwünschen zu Ihrer Entscheidung, an einen Ort zu wechseln, an dem ihre Kompetenz gewürdigt wird und Kultur und Bildung als Zukunftsinvestition erkannt wird – so bitter das für Wermelskirchen ist. Wer hatte eigentlich die Wirtschaftlichkeit der “Kulturfabrik” 2021 (mit 30.000 EUR Eigenbeteiligung der Stadt, wenn ich recht informiert bin, geprüft)? Wie passen die Eigenmittel für den “interkommunalen Kulturentwicklungsplan” ins Bild (“Stadt beteiligt sich mit 33.600 Euro an neuem Kulturprojekt”)? Gut, dass der Antrag von Herrn Platt, nochmals 50.000 EUR für einen “Kultursommer” 2022 auszugeben, zurückgezogen wurde. Wer denkt sich sowas alles aus und mit welcher Qualifikation und Intention? Zitat RP-online: “„In Sachen Kultur haben beide Städte Stärken und Schwächen – das sehen wir heute grob, wird sich im Prozess konkreter herauskristallisieren“, sagte Burscheids Bürgermeister Dirk Runge. Seine Wermelskirchener Amtskollegin Marion Lück kommentierte: „Das Potential von Zusammenarbeit wird heraus gearbeitet, ohne die Individualität und Stärken der einzelnen Akteure zu schwächen.“
    Und dann lässt man so eine Frau einfach ziehen. Mmmmh…

    und danke an dieses Forum und Wolfgang Horn für diesen Artikel. Schade, dass solche Aufschreie nicht in der Tagespresse stehen (dürfen?).

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    • Stefan
    • 29.05.22, 22:40 Uhr

    Ich kann Wolfgang Horn nur zustimmen. Es ist nur schade das Wolfgang nicht als Autor des Artikels an der entscheidenden Sitzung des Haupt-und Finanzausschusses teilnehmen konnte. Ansonsten hätte er sicherlich gehört welche Parteien die treibenden Kräfte hinter diesem unwürdigen Schauspiel waren. Das grade die drei Kleinstparteien BÜFo, WNK, und Linke, ausdrücklich der Musikschule nicht das notwendige Vertrauen entgegen bringen wollten, hat dieses Trauerspiel erst möglich gemacht. GRüne und SPD haben bis zur letzten Minute um einen vernünftigen Kompromiss gekämpft, konnten Ihre Vorstellungen aber leider nicht gegenüber der Mehrheit durchsetzen. Wir werden deshalb in Zukunft sehr genau die Initiativen einiger Politiker zum Thema Musikschule beobachten, versprochen!

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