Der nächste Offene Brief an die Bürgermeisterin

VON WOLFGANG HORN

Der Brief ist nicht nur eine persönliche Mitteilung, sondern bisweilen auch eine literarische Kunstform. Der Offene Brief, also das Schreiben an einen einzelnen Empfänger, das durch die Veröffentlichung de facto an alle gerichtet wird, ist leider vielfach von einer literarischen Kunstform weit entfernt, ebenso von einer auch nur gehörigen sprachlichen Form. Gleichwohl haben sich vor allem Politiker dieser Textsorte verschrieben. Leider. Heute ist mal wieder ein offener Brief an die Bürgermeisterin eingegangen. Andreas Müßener von „Zukunft Wermelskirchen“ nutzt die Einstufung der AfD als Verdachtsfall durch das Bundesamt für Verfassungsschutz, um erstens Behauptungen über die AfD-Nachfolgepartei LKR aufzustellen und zweitens teils durchsichtige Fragen zu stellen und Vermutungen anzustellen. Hier nun der “Offene Brief”, so, wie er uns zugestellt worden ist:

Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin,

die AfD ist nun wie die Rechte oder die NPD offiziell ein Fall für den Verfassungsschutz. Ursprünglich gegründet als konservativ-liberale Partei, welche die unnützen und billionenschweren Rettungsmaßnahmen für den Erhalt eine bereits gescheiterten Währung kritisierte. Tausende Milliarden , die für immer verloren sind, aber nicht als Rückstellungen im Bundeshaushalt gebucht sind. Zum Vergleich: Aufgrund des HSK streiten wir uns im Rat manchmal über Beträge von 20.000 Euro. 

Hinsichtlich der nicht wahrheitsgemäßen Finanzlage des Haushaltes droht unserem Land daher in Zukunft ein noch nie dagewesenes existentielles Finanzproblem. Da ihr wissenschaftlicher Beirat aus dutzenden renommierten VWL-Professoren bestand, betitelte die Zeit und die anderen Zeitungshäuser die neu gegründete Partei als “Professoren-Partei”. 2015 verließen tausende gemäßigte und wirtschaftsliberale Mitglieder (wie auch ich) die Partei noch am Tag der Abwahl des Gründers. Die Partei zerbrach in AfD und LKR (Liberal-konservative Reformer). Mein Mandat stellte ich als Ratsmitglied selbstverständlich weiterhin der Ursprungsbewegung (LKR) zur Verfügung, da dieses Mandat nur unter dieser Programmatik zustande kam und nicht wegen “des Flügels” oder sonstigen neuen Rechtsextremen, die sich erst 2015 organisierten und zum Zeitpunkt des Kommunalwahlkampfes 2013/2014 ohnehin noch garnicht existierten. Berichte, die erklärten, ich hätte der AfD damals ein Mandat geklaut, waren natürlich Falschmeldungen, die bis heute noch hartnäckig in manchen Foren beibehalten werden.

https://www.spiegel.de/politik/deutschland/afd-beobachtung-durch-verfassungsschutz-in-den-abgrund-a-e427a460-1d44-4235-9596-ddb47a6d2038

Als Fraktionsvorsitzender hätte ich gerne ein paar Fragen an Sie:

  1. Gab es in der Geschichte der Stadt jemals den Fall, dass wir im Rathaus eine rechtsextreme, durch den Verfassungsschutz beobachtete Partei haben?
  2. Die anderen Fraktionen befinden sich im Austausch mit der Verwaltung innerhalb des Verteilers, wo auch die AfD aufgeführt wird. Wie geht der Verfassungsschutz um mit der Präsenzarbeit der AfD in Gremien?
  3. Stehen andere Fraktionen damit auch unter Beobachtung?
  4. Müssen wir als Stadt damit rechnen, dass Verfassungsschützer in den Zuschauerbereichen der Gremien sitzen oder Info-Stände der Afd in der Stadt beobachten?
  5. Gab es bereits Anrufe von besorgten Bürgern, sofern die Wermelskirchener die neue Sachlage mitbekommen haben, dass wir im Rat eine rechtsextreme und wohl verfassungsfeindliche Fraktion sitzen haben, die Anträge und Anfragen stellen darf?
  6. Müssen wir nun aufgrund der Neubewertung der AfD durch den Verfassungsschutz als Politiker weitere Dinge berücksichtigen?

Mit freundlichen Grüßen

Andreas Müßener

Vermutlich ist stundenlanges Nachdenken nicht wirklich erforderlich, um auf die einzelnen Fragen einzugehen:

  1. Ja, in der Geschichte unserer Stadt gab es zwölf Jahre lang die Alleinherrschaft einer rechtsextremen Partei. Den Verfassungsschutz gab es in dieser Zeit indes noch nicht.
  2. Wie der Verfassungsschutz mit der Präsenzarbeit der AfD in den städtischen Gremien umgeht, falls es so etwas wie “Präsenzarbeit” geben sollte, kann die Bürgermeisterin ohne Anmaßung nicht beantworten.
  3. Nein.
  4. Was heißt: “Wir als Stadt”? Natürlich muß man mit der Präsenz von Mitarbeitern des Bundesamtes dort rechnen, wo die AfD auftritt. Bei manchen Gelegenheiten, wenn Mitglieder dieser Partei übergriffig werden oder Gewalt anwenden, wäre eine Beobachtung nicht so schlecht.
  5. Was ist ein “besorgter Bürger”? Die Bürger dürften entgegen der einschränkenden Annahme von Herrn Müßener durchaus über die neue Sachlage informiert sein, war doch davon in nahezu allen Medien die Rede.
  6. Wer ist in diesem Fall “Wir”? Was könnten “weitere Dinge” sein? Nein, die “Zukunft Wermelskirchen” muß nichts Neues berücksichtigen

Nur selten sind Offene Briefe von gestandenen oder Nachwuchs-Politikern eine Quelle reiner Freude. Mitunter wegen verquaster Sprache, mal wegen abenteuerlicher Thesen, mal wegen sinnfreier Fragen. Die Idee, mit einem öffentlichen Schreiben das eigene Profil zu schärfen, gelingt weiß Gott nicht oft.

Kommentar (1) Schreibe einen Kommentar

    • Anne Zeiger
    • 05.03.21, 15:43 Uhr

    ehrlich… herrlich😂👍

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