Ein Mann der Sehnsucht

Wort zum Montag, dem 15. Februar 2021

VON CORNELIA SENG

Bei einem unserer Besuche in Berlin sind wir auf den „Comenius-Garten“ gestoßen. Er liegt in Berlin-Neukölln. Früher stand hier eine Mietskaserne mit Hinterhöfen. Jetzt wachsen Obstbäume und Sträucher. Nach den Vorstellungen von Johann Amos Comenius wurde ein malerischer, naturnaher Garten angelegt. Er ist öffentlich zugänglich. Es gibt eine Laube zum Ausruhen und Tafeln, die einem den Sinn erklären. Auch eine Comenius-Skulptur steht da: Comenius mit einer empfangenden und einer gebenden Hand. Der Garten ist etwas Besonderes, ein „Natur-Erlebnis“. Man kann hier spüren, wie das Leben wächst – vom Anfang bis zum Ende. Kinder der angrenzenden Grundschule kommen hierher. „Was immer passiert, sie werden immer die Kinder bleiben, die eine Hand voll Kirschen selber gepflückt und gegessen haben“, sagt Henning Viereck, der Initiator des Gartens.

Viele Schulen sind nach Johann Amos Comenius benannt, auch Bildungseinrichtungen. Philosoph, Pädagoge und Bischof war er.

Im deutschsprachigen Mähren 1592 geboren, hat er als Mitglied der „Evangelischen Brüdergemeine“ lange Zeit seines Lebens in den grausamen Wirren des 30jährigen Krieges verbracht. Er wusste, was Krieg und Vertreibung anrichten. Und trotzdem war er ein „Mann, der leidenschaftlich alles, was passiert, mit Gott zusammendenkt. Und der in jeder Lage danach fragt, was er und andere dazu beitragen können, damit die Welt dem großen Ziel Gottes, dem guten Leben, Frieden und Heil für die ganze Menschheit, näherkommt“, schreibt B. Carstens im „Herrnhuter Boten“ vom Juli 2020.

Für eine kindgerechte, allumfassende Bildung für alle setzte er sich ein und wurde nicht müde, an einer Erziehung zum Frieden zu arbeiten. Er war Schulleiter, schrieb Schulbücher und leitete als Bischof die Prediger seiner Gemeinde an. Menschlichkeit kann man lernen, das war seine Überzeugung. Das „Verstehen des Lebens“ in all seinen Zusammenhängen war sein Anliegen. Was Comenius als Christ in der Bibel las, das wollte er durch Bildung und Erziehung für alle umsetzen.

Zwei Jahre vor seinem Tod schreibt er: „Ich danke meinem Gott, dass er mich mein ganzes Leben hindurch einen Mann der Sehnsucht hat sein lassen ….“. – Es ist die Sehnsucht nach den Spuren des Himmels auf der Erde.

Heute, gut 350 Jahre nach seinem Tod spüre ich dieselbe Sehnsucht.
Dem Frieden innerhalb Europas sind wir nähergerückt, gewiss, das würde Comenius sicher freuen. Aber was an den Außengrenzen geschieht, beschämt und bedrückt. Menschen wird das Recht auf ein Leben in Würde verweigert. Es gibt keinen Frieden ohne Gerechtigkeit. Jeder Mensch und jedes Kind der Welt hat ein Recht auf ein Leben in Würde.

„Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf E r d e n“, bete ich im Vaterunser. Sehnsuchtsvoll. Und bin beeindruckt von Johann Amos Comenius.

Lienhard Schulz -Comenius-Denkmal des Bildhauers Josef Vajce im Comenius-Garten in Berlin-Neukölln (CC BY-SA 3.0)

Kommentare (3) Schreibe einen Kommentar

    • Wolf
    • 13.02.21, 15:26 Uhr

    “Es ist die Sehnsucht nach den Spuren des Himmels auf der Erde”
    Wirklich schön! Ich wünschte, alle Menschen würden einen kleinen Teil dieser Sehnsucht in sich tragen.

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      • Cornelia Seng
      • 13.02.21, 19:36 Uhr

      J.A.Comenius war tatsächlich der Meinung, dass alle Menschen diese Spuren des Himmels in sich tragen. Durch Bildung müssen sie erweckt werden. Kinder sollten lernen, dass sie ein Geschöpf unter Mitgeschöpfen auf diesem Planten sind und nur in Verbundenheit mit der Natur heil und gut leben können. In der katholischen Kirchenlehre ist die „Seele“ im Menschen Ort der Sehnsucht nach dem Himmel. Die zeitgenössische Philosophie spricht von der „Kultur der Anerkennung“ ( so Axel Honneth aus der Frankfurter Schule). Das kommt meiner Meinung nach der Bibel ziemlich nahe. Menschen sollten hören, lesen, erfahren, dass sie geliebte Geschöpfe Gottes sind und als solche unbedingt gewollt und gebraucht werden in der Welt. Das legt die Spuren des Himmels auf der Erde.

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    • Willi Stiel
    • 14.02.21, 11:02 Uhr

    Danke für diesen Kommentar zu J.A.Comenius. Mein wesentlicher Inspirator für mein Leben+Glauben. Seine Pan Sophie für mich wesentlich.

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