Gedanken am Sonntag
VON WOLFGANG HORN
Sozialwirtschaft, das ist jener Teil unseres Wirtschaftssystems, der sich mit den Leistungen zum Nutzen der Gesellschaft befasst, der sich sozialen Themenfeldern zuwendet, soziale Dienstleistungen für und mit Menschen erbringt. Ziel sozialwirtschaftlichen Handelns ist die Herstellung individueller und gemeinschaftlicher Wohlfahrt. Gemeint sind Alten- und Krankenpflege, das Gesundheitssystem, soziale Fürsorgesysteme, Kinderbetreuung, Sozial- und Jugendarbeit, Behinderteneinrichtungen, Heime, Kur- und Rehabilitationhäuser und vieles ähnliche mehr. Etwa sieben bis zehn Prozent der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung, so sagt man, werde in diesem Bereich der Sozialökonomie erwirtschaftet.
Wenn aber von ökonomischen Spitzenleistungen und Leistungsträgern die Rede ist, öffentlich, dann selten von der Sozialwirtschaft. Dann sind die DAX-Konzerne gemeint, VW und Mercedes, Adidas oder Bayer. Nur: Die Wahrheit verhält sich umgekehrt. Dort, wo die Vorstände Millionen kassieren, wo Bonuszahlungen trotz mieser Geschäftsergebnisse üblich sind, wo 3.000 Euro und mehr an Altersversorgung gezahlt wird, pro Tag, dort wird oft Kapital vernichtet, werden Arbeitsplätze abgeschafft, dort findet unsoziale Bereicherung statt, alles, nur sehr häufig keine Leistungsgesellschaft.
Dort hingegen, wo Tag für Tag unter bisweilen schlechtesten Arbeitsbedingungen aufopferungsvoll Menschen gepflegt und kuriert werden, wo man Patienten, Behinderten, alten Menschen, Kindern oder Jugendlichen eine menschenwürdige Existenz zu sichern bemüht ist, wo keine Spitzeneinkommen zu erzielen sind, dort findet die eigentliche Leistungsgesellschaft statt, Tag für Tag, verborgen, von den Medien allenfalls in der Krise kurzzeitig in die Schlagzeilen gehievt, so daß Gesänge von Balkonen ertönen, aber kaum Anstalten zu verzeichnen sind, die dort Tätigen besser zu entlohnen und ihnen zu aushaltbareren Arbeitsbedingungen zu verhelfen.
Wer es wirklich ernst meint mit der Leistungsgesellschaft, wer den Spruch, daß sich Leistung in unserer Gesellschaft lohnen müsse, wirklich ohne Bauchschmerzen öffentlich zum Argument machen will, der kümmere sich zunächst einmal um die Sozialwirtschaft, um Diakonie und Pflegedienste, um Krankenhäuser und Heime, um Rehazentren und Kitas. Hier stehen Menschen im Mittelpunkt, Kranke, Arme, Alte und Junge, Geschundene, Behinderte und Benachteiligte. Hier ist die Leistungsgesellschaft in des Wortes bester Bedeutung. Erst, wenn es hier gut geht, in der Wirtschaft für Menschen, dann ist unsere Gesellschaft gut.