„Ihr seid teuer erkauft; werdet nicht der Menschen Knechte!“ (1. Kor. 7,23)
– Gedanken zum Monatsspruch für Februar –
Wort zum Montag, dem 3. Februar 2020
VON CORNELIA SENG
In Deutschland gibt es Religionsunterricht an öffentlichen Schulen? Kirche und Staat sind doch getrennt! Und Religion ist schließlich Privatsache, sagen viele.
Mit dem Religionsunterricht als Unterrichtsfach an öffentlichen Schulen hat Deutschland nach 1945 in der Tat einen besonderen Weg gewählt.
Das lag an den schlechten Erfahrungen in der Nazizeit. Im Nationalsozialsmus wurden Kirchen und Jugendverbände „gleichgeschaltet“: Es durfte nur noch unterrichtet werden, was der nationalsozialistischen Ideologie entsprach. Der Staat nahm direkten Einfluss auf die Weltanschauung seiner Bürger. Was geglaubt wird, musste der nationalsozialistischen Ideologie entsprechen. In der DDR hat diese Rolle das Schulfach Marxismus/Leninismus übernommen; Christen und andere „nicht Linientreue“ hatten es schwer im DDR-Staat. „Die Schulbücher werden jetzt neu geschrieben“, sagen meine neuen türkischen Freunde, sie sind Erdogan-Flüchtlinge. Herrscher und Mächtige wollen Untertanen und keine mündigen Bürger*innen, an den Schulen sollen sie erzogen werden.
Bei der Gründung der Bundesrepublik Deutschland im September 1949 haben die Kirchen eine entscheidende Rolle gespielt. Die Evangelische Kirche hatte schon 1945 das „Stuttgarter Schuldbekenntnis“ verabschiedet und damit einen wichtigen Schritt in Richtung Erneuerung getan. Martin Niemöller und Gustav Heinemann, späterer Bundespräsident, haben als erste mit unterschrieben. Der Geist der neuen, freiheitlichen Demokratie wurde ganz wesentlich von den Kirchen mitgetragen, und sie haben beim Aufbau des jungen, demokratischen Staates eine wichtige Rolle gespielt.
Nach § 7,3 des Grundgesetzes ist der Religionsunterricht ordentliches Lehrfach, die Ausführung ist den einzelnen Bundesländern in Absprachen mit den Kirchen und anderen anerkannten Religionsgemeinschaften übertragen. Der Staat wollte sich nie wieder einmischen in die Weltanschauung seiner Bürger*innen und gleichzeitig sollten alle Zugang haben zum Glauben in jüdisch-christlicher Tradition, wie er auch an den Universitäten gelehrt wird.
Weil aber Glaube eben Glaube ist, sollen die Eltern entscheiden können, ob ihr Kind am Religionsunterricht teilnimmt oder nicht. Doch mit 14 Jahren sind Menschen „religionsmündig“ und unabhängig von dem Willen der Eltern in Sachen Religion.
Die Aufgabe des Religionsunterrichtes ist genau geregelt: Er soll jungen Menschen den Zugang zu einem vernünftigen Glauben ermöglichen, der ein gutes Lebensfundament ist und der sie zu mündigen Bürger*innen einer freiheitlichen Demokratie macht, zu Bürger*innen, die in freier Verantwortung diese Gesellschaft mitgestalten. Christen haben aus ihrem Glauben heraus ein Interesse an Freiheit und Menschenwürde!
Im 9. Schuljahr z.B. wird das Thema „Juden und Christen“ durchgenommen. Wie konnte es zum Holocaust kommen in Deutschland und wie gehen wir mit dieser deutschen Schuld um? Inzwischen soll es wieder Kräfte in Deutschland geben, die das Thema lieber unter den Tisch gekehrt wissen wollen. Auch dem widersteht der Religionsunterricht!
Und übrigens: Die „Wende“ vor dreißig Jahren, die zur Öffnung der innerdeutschen Grenze und zur Wiedervereinigung führte, war ganz wesentlich getragen von Christinnen und Christen. In den Räumen der Kirche hatte sich die Kraft der Freiheit und des Widerstandes erhalten.
Ich bin ein Fan von Religionsunterricht an öffentlichen Schulen!
Ich bin auch ein Fan von Religionsunterricht an staatlichen Schulen! Das Erinnern muss aufrecht erhalten werden (das könnte aber Geschichtsunterricht leisten oder Politikunterricht, so es ihn denn geben sollte). Dennoch finde ich, dass dieser Unterricht nicht konfessionsgebunden sein sollte. Ethik oder Philosophie oder ein vergleichender Religionsunterricht wären bessere Maßnahmen, um gegenseitiges Verständnis zu fördern.
In den meisten Schulen wird der Religionsunterricht schon konfessionsübergreifend unterrichtet. Bloß „noch bei Kölle“ war das bisher noch schwierig. 😉
Der Vorteil an einem von den Kirchen (oder von anderen anerkannten Religionsgemeinschaften) verantwortetem Unterricht ist, dass für die Schüler auf Anhieb ersichtlich ist „wes Geistes Kind“ die Lehrkraft ist.
Rechtsextremismus-Forscher beobachten, dass „Identitäre“ verstärkt inkognito in den öffentlichen Dienst und die sozialen Verbände streben, um die Gesellschaft von innen zu beeinflussen. Stellen Sie sich vor, jemand wie Höcke unterrichtet „Praktische Philosophie / Ethik“, und das auch noch „inkognito“. 🙈