Ein Verbal-Triptychon von WALTER SCHUBERT
Teil I: Unterwegs mit schlechtem Gewissen?
Der Frühling ist da und damit auch die Motorradfahrer. Und jedes Jahr beginnt damit auch die Diskussion über Sinn und Unsinn dieses Hobbys, über die Gefahren und die Lärmbelästigung.
Mit einem Bestand von 4,3 Millionen Fahrzeugen, einer Neuzulassung von 182.000 Stück in 2017 ist die Motorradbranche ein großer Wirtschaftsfaktor. Denn nicht nur der Verkauf von Motorrädern ist zu sehen, sondern auch die Folgegeschäfte. Bekleidung, Zubehör, Ersatzteile, Werkstätten mit Service- und Reparaturleistungen, Bücher, Zeitschriften, Tourismus und Gastronomie leben von diesem Hobby.

Nordrhein-Westfalen hat mit zirka 800.000 Fahrzeugen den höchsten Bestand aller Bundesländer und ist darüber hinaus mit seinen attraktiven Strecken im Bergischen Land, im Sauerland oder der Eifel von den Folgen besonders betroffen. Wer noch nie am frühen Morgen auf kurvigen Straßen durchs Bergische unterwegs war oder im Urlaub den Schwarzwald, die Dolomiten oder die Strecke von Spanien nach Andorra gefahren ist, dem wird sich der Reiz nie erschließen. Der Werbespruch von Freiheit stellt sich tatsächlich ein.
Doch was ist mit der Freiheit der anderen? Was ist mit dem, der sich mit viel Geld und/oder viel Eigenleistung gerade eine schöne Terrasse gebaut hat? Der einfach nur da sitzen möchte, um ein Glas Wein zu trinken oder ein Buch zu lesen. Selbst wenn die Motorradfahrer vorschriftsmäßig unterwegs sind, ist es oft die schiere Menge an Maschinen, die den Terrassenbesitzer verzweifeln lassen. Berichtet wird von einem Hausbesitzer in der Eifel, der seine Terrasse mit einem 3-fach verglasten Wintergarten überbaut hat. Nur, um seinen Garten überhaupt nutzen zu können.
Der Wunsch nach Feierabend- und Wochenendruhe lässt sich an beliebten Strecken nur schwer umsetzen. Fast alle Motorräder sind legal zugelassene Fahrzeuge mit gültiger TÜV-Plakette, die Besitzer zahlen Steuern und Versicherung und sind auf öffentlichen Straßen unterwegs. Da ist nichts Illegales oder Strafbares dabei.
Streckensperrungen sind nur bei nachgewiesenen Unfallschwerpunkten umzusetzen. Der Gesetzgeber könnte tätig werden mit stärkeren Kontrollen, höheren Strafen oder der Verpflichtung nach leiseren Maschinen. Doch auch das würde an der Menge der Motorräder nichts ändern. Wer an einem Sonntagmorgen an einer roten Ampel anhält und wenig später von zirka 25 Motorrädern umzingelt ist, ahnt was auf den Straßen abgeht. „Ich weiß nicht, ob ich noch dazu gehören möchte“, sagt ein langjähriger Motorradfahrer.

Nun muss das geliebte Hobby ja nicht gleich aufgegeben zu werden. Vielleicht reicht es ja, sich etwas zurück zu nehmen. Also nicht im 2.Gang durch eine Hofschaft zu fahren, sondern im 5.Gang. „Andere nicht behindern, nicht belästigen und nicht gefährden“ sind die Regeln für ein gutes Miteinander. Das würde ja schon reichen oder zumindest helfen.
Teil II: Es ist zum Verzweifeln
Seit über 35 Jahren habe ich den Motorradführerschein. Von 50 ccm bis 1150 ccm war alles dabei. Viele Urlaubstouren haben wir gemacht und auch auf den Arbeitswegen kam das Motorrad zum Einsatz. Es müssen viele hunderttausend-Kilometer zusammen gekommen sein. Da kann man sich ein Urteil erlauben und Entwicklungen und Unterschiede feststellen.

Und es hat sich nicht zum Guten entwickelt. Das „Sozialverhalten“ einiger Verkehrsteilnehmer (und das gilt nicht nur für Motorradfahrer) empfinde ich mittlerweile als asozial. „Ich, ich und nochmals ich“ lautet die Devise. Verkehrsregeln gelten für einige Motorradfahrer lediglich als „unverbindliche Empfehlung“.
Am Ostersonntag bei strahlendem Sommerwetter bietet sich ein Besuch beim Oldtimer-Treff am Bahnhof in Hilgen an. Bereits bei der Anfahrt auf der B51 von Wermelskirchen in Richtung Hilgen geht es los. Es gilt Tempo 50 auf der gesamten Strecke. Was also mache ich falsch, wenn ich 55 km/h fahre? Genau, ich bin zu langsam. Ich werde überholt, dass es eine Freude ist! Locker mit 80 km/h – gar kein Problem.

Der Besuch war wie immer schön, ein Kaffee ist Pflicht, genau wie die sogenannten „Benzingespräche“. So, jetzt noch eine kleine Runde. Was man eben so fährt. Stumpf, Altenberg, Odenthal… Doch der Spaß dauert nicht lange. Unglaublich viele Fahrradfahrer sind unterwegs, für viele Autofahrer ist das überholen schwierig und es bilden sich Staus.
Ja, es stört und es ist lästig. Doch was dann einige Motorradfahrer abliefern grenzt an versuchte Körperverletzung, Verkehrsgefährdung, möglicherweise an Mordversuch oder auch an missglückten Selbstmord. Es wird überholt an Stellen, in denen man nun wirklich nichts sieht, durchgezogene Linien sind gar kein Hindernis und Geschwindigkeitsbegrenzungen gelten für sie nicht. Immer wieder wiederholen sich diese Aktionen und dann ist es genug. Ich ziehe die Reißleine und fahre nach Hause. Es wird heute kein schöner Motorradtag.

Es lautetet die Frage: „Möchte ich wirklich noch dazu gehören?“, Und dann sagt jemand: „Ich möchte mir von diesen Idioten mein schönes Hobby nicht kaputt machen lassen“. Genau dazwischen befinde ich mich und ich bin mir nicht sicher, wie ich mich entscheide.
Teil III: Es kann ein Traum sein
Lässt man einfach mal Gefühle und Emotionen weg, bleibt vom Motorradfahren nicht viel übrig. Im Winter ist ein Motorrad völlig ungeeignet und auch bei Regen macht es nicht sonderlich Spaß. Helm und Schutzkleidung ist zu tragen, lästig, unbequem und aufwendig. Die Gefährdung bei einem Unfall sind wesentlich größer als in einem PKW. Wenn sich eine Fachwerkstatt um das Motorrad kümmert, ist es auch kein preiswertes Fahrzeug. Die Transportmöglichkeiten sind natürlich auch eingeschränkt. Gut, ein Parkplatz lässt sich einfacher finden. Aber sonst?

Alle, die keinen Motorradführerschein haben und somit auch nie gefahren sind, werden es schwer begreifen: Es ist ein Traum. Mit kaum einem Fahrzeug ist das Fahrerlebnis so intensiv. Temperaturunterschiede sind spürbar, Landschaften und Natur sind zu riechen. Eine Pause in einer Einsamkeit, das Neustarten und weiterfahren. Eine Kurvenstrecke von Spanien nach Andorra, viele Pässe in den Bergen, Strecken in den Dolomiten und die bekannten Bonbons wie Hahntennjoch oder die Straße mit dem wunderbaren Namen „Namlos(*)“. Manchmal nur einmal gefahren und unvergessen für das ganze Leben.
(*) Namlos ist eine Strecke in den Lechtaler Alpen, südlich von Reutte in Österreich. Die Geschichte besagt, dass der liebe Gott, als er die Welt erschaffen hat, von seinem Ergebnis in dieser Gegend ganz begeistert war. „Das ist mit besonders gut gelungen“, sagte der liebe Gott. Und das Ergebnis war so gut, dass die Menschen nie einen Namen dafür gefunden haben. So heißt diese Strecke „Namlos“ und es ist eine Naturschönheit ohne Namen. Man mag es kaum empfehlen, denn dann entdecken noch mehr Menschen diese wunderschöne Strecke. Aber es ist einfach eine Traumstrecke
Ja, der Artikel spricht mir aus der Seele. Nach fast 35 Jahren Motorradfahren von 50ccm bis 1200ccm, habe ich vor vier Jahren mein Motorrad verkauft. Unter anderem genau aus den oben erwähnten Gründen. Die rasenden”Kollegen” die ich aktuell im bergischen erlebe, gefährden durch ihre teilweise rücksichtslose Fahrweise nicht nur sich, sondern vor allem auch andere. Es wird teilweise an Stellen überholt, an denen man dem Überholer eigentlich nur suizidale Absichten unterstellen kann. Zu den “Rennfahreren” gesellen sich auch noch einige sehr unsicher wirkende Besitzer von Motorrädern die teilweise über 160PS verfügen. Am Wochenende findet sich dann teilweise eine sehr ungesunde Mischung von Verkehsteilnehmern im bergischen ein. Am WE wurde mir das hier alles hektisch, und in der Woche hat man leider zu wenig Zeit. Trotzdem kann Motorradfahren ein tolles emotionales Erlebnis sein.