Politparanoia, ein Kommentar

Von Wolfgang Horn

Wenn im Kontext des Bundestagswahlkampfes eine lokale politische Gruppe öffentlich formuliert, in einem an alle Haushalte verteilten Blättchen, „das Merkel-dominierte links-grüne Establishment”, was immer das auch sein mag, wolle immer häufiger durch Verdrehung oder Leugnung von Fakten und mittels “political correctness allen Kritikern einen Maulkorb verpassen” und dann “mit massiver Propaganda die erwünschte Meinung der Bevölkerung einhämmern und sie auf Linie bringen”, dann kann man eigentlich nur vermuten, daß der Autor oder die Urheber dieser Behauptung von Vernunft, von politischer Rationalität gänzlich verlassen sind.

Man solle sich, so heißt es in dem Textchen weiter, “von staatlichen oder halbstaatlichen Anweisungen” unabhängig machen und sich aus “alternativen Informationsquellen” informieren. Gottlob könne “derzeit” noch jeder frei entscheiden, ob er beispielsweise und mit welchem Auto er fahre, ob er ein Steak essen wolle oder rauchen, welche Medien er konsumiere, welche Meinung er äußere und welche “Gesinnung” man habe. Schlimmer noch: Es mehrten sich die Anzeichen, daß diese Freiheiten beschnitten würden und es gelte, dem entschieden und mit Mut entgegenzutreten. Mit Mut.

Ach Gott. Welchen Mut braucht man denn in diesem Land, um zu entscheiden, Auto zu fahren oder sich anderswie fortzubewegen? Welchen Mut braucht man, um Fleisch zu essen? Oder vegan zu leben oder ungesund? Welchen Mut braucht der Mensch, wenn er rauchen will, sich über Medien informieren oder seine “Gesinnung”, wie immer die im einzelnen auch aussehen mag, öffentlich auf den Markt zu tragen?

Dieses Land, die Bundesrepublik Deutschland, ist das freieste Deutschland, das es je gab. Niemals je zuvor hatte der Bürger dieses Landes mehr persönliche Freiheiten als jetzt. Niemals zuvor war Deutschland derart offen, derart unkonventionell, derart unbeschränkt. Beschränkungen gibt es zu Hauf. Aber es sind vor allem soziale Barrieren, die sich auftun, es gibt Beschränkungen, die in der ungleichen Verteilung von Einkommen und Vermögen begründet sind. Aber niemals zuvor haben sich die Menschen in diesem Land von Regierungen, von Medien, von religiösen oder ideologischen Vorturnern, von Parteien, Verwaltungen, Gewerkschaften oder Kirchen weniger bevormunden lassen müssen als heutzutage. Niemals zuvor in der Geschichte dieser Republik haben selbst die unanständigsten politischen Positionen, die reaktionärsten Ideen, die unmenschlichsten Haltungen und Forderungen, der abartigste Irrsinn, die blödsinnigsten Verschwörungsideen oder rechtspopulistischer Verfolgungswahn ihr jeweiliges öffentliches Publikum finden können.

Wer heute vor der Diktatur von “Kommunisten oder Ökofaschisten” warnt und die “Bürgerpflicht zum Widerstand” beschwört, der hat den Boden ernsthafter politischer Positionierung längst verlassen und ist geistig und intellektuell vermummt.

Wenn weder Merkel noch Schulz Kanzler werden sollen, wer denn dann? Alexander Gauland? Nein, nein. Es ist keineswegs die AfD, die diesen Text öffentlich gemacht hat. Es sind die “Freien Wähler”, hier in Wermelskirchen die WNK UWG, kein namentlich genannter Autor, die vor der Unfreiheit im freiheitlichsten Deutschland aller Zeiten warnen. Es sind die, auf deren Plakaten etwas von „anständiger Alternative“ zu lesen ist. Alternative? Zur Alternative? Leider nein. Populistischer Unsinn, hier wie da. Ressentiments, Verfolgungswahn, Erregung, Wut. Statt Sachlichkeit, Vernunft, Analyse und Argumenten.

Kommentare (7) Schreibe einen Kommentar

    • stefan wiersbin
    • 08.09.17, 15:25 Uhr

    Es ist die Wähelervereinigung WNKUWG, die freien Wähler, die auf ihrer Wahlwerbung “Vorbilder statt Feindbilder” stehen hat. Die hier vor Ort jedoch in den sog. sozialen Medien, wie Facebook ihre Vorurteile, ihre Feindbilder pflegt und hegt. Es ist die WNKUWG, deren Vorsitzender, zwölf Bürger dieser Stadt zu Unpersonen erklärte.

    Antworten

  1. Es ist schon problematisch, wenn der “Chronist” Texte, die ihm nicht passen oder die er nicht versteht, in offenbar unendlicher Erregung derart kommentiert, wie hier geschehen:
    Die von der links-grünen Szene gerne immer wieder nahezu täglich in die Diskussion geworfenen Warnungen vor der unmittelbaren Errichtung des 4. Reiches werden vom “Chronisten” natürlich gerne gesehen; WARNUNGEN vor der Beschneidung von persönlichen Freiheiten durch links-grün aus einem anderen politischen Blickwinkel müssen demzufolge dem “Chronisten” natürlich ein Dorn im Auge sein!
    Insofern ist dessen Kommentar nachvollziehbar und erwartbar 🙂

    @ Stefan Wiersbin:
    Genauso wie die links-grüne Szene – zu Recht oder Unrecht sei hier dahin gestellt – die Seehofers, Scheuers, Söders, Herrmanns, Gaulands, Petris, Weidels, Höckes dieser Welt zu Unpersonen erklärt, sollte Sie mit dem Jammern aufhören, wenn vice versa dies exponierten Vertretern der links-grünen Szene ebenso passiert!

    Antworten

  2. Was, Henning Rehse, ist an der Kritik und der Kommentierung eines Textes problematisch? Daß der Kritiker anderer Auffassung ist als der Autor? Warum macht die WNK UWG nicht deutlich, wer diesen Text verfaßt hat?

    Zweitens, Henning Rehse, ist der kritisierte Text der WNK UWG in dem Blättchen “Wermelskirchen im Blickpunkt” von einer derartigen Schlichtheit, daß es sich nicht geziemt, einem Kommentierenden zu unterstellen, er habe das Geschriebene nicht verstanden.

    Wenn, wie Sie schreiben, der Chronist als Autor des Kommentars die “nahezu täglich” in die “Diskussion geworfenen Warnungen vor der unmittelbaren Errichtung des 4. Reiches” gerne sieht, bitte ich nur um eine einzige Belegstelle für diese absurde Behauptung. Es reicht eine einzige solche Warnung und eine einzige zustimmende Formulierung meinerseits.

    Und schließlich: Nein, Ihre “Warnungen”, wenn man das Geschriebene mal als eine solche hinnimmt, ist mir kein “Dorn im Auge”. Ich habe ja deutlich gemacht, daß ich diesen Teil des Textes für komplett entfernt von jeglicher politischer Realität unseres Landes halte. Wer so schreibt, verzichtet ganz auf Sachverstand und rationale Analyse und ersetzt sie durch Ressentiment und Vorurteil.

    Henning Rehse, warum verteidigen Sie eigentlich diesen Text in Ihrem Blatt, mit dem man sich in der politischen Landschaft doch nur zum Gespött machen kann? Ich gehe davon aus, daß Sie eine derart unbelegbare Argumentation Ihren politischen Freunden nicht präsentieren würden. Und: Hätten Sie diesen Text dennoch verfaßt, dann bin ich sicher, hätten Sie sich auch als Autor zu Erkennen gegeben.

    Ich freue mich auf die Fortsetzung der Diskssion, wenn Sie Ihre Behauptungen belegen können.

    Wolfgang Horn

    Antworten

  3. Da ich weder Zeit noch Lust habe, meine wertvolle Zeit und Energie mit Ihnen zu vergeuden und alles gesagt,ist freue ich mich auf eine “Hornloses” Wochenende ?

    Antworten

  4. Wer hätte auch etwas anderes von Ihnen erwartet, Henning Rehse?

    Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende.

    Wolfgang Horn

    Antworten

    • Petra
    • 08.09.17, 20:52 Uhr

    …und dabei wollte ich gerade so frei sein, mir zu überlegen, ob ich ein Steak bin ??? und dann kommt Ihr mit so ernsten Diskussionen.
    Natürlich isst Henning der Autor. Schon im Interview mit der BM hat er doch seine Sympathien mit der sogenannten Alternative bekundet – hier strahlt sie aus jedem Wort und die Sonne ihm beim Schreiben aus dem Allerwertesten! Da die Freien(!) Wähler bei der Bundestagswahl eh keine Schnitte haben, unterstützt man halt hier mal die mit dem hohen Akademisierungsgrad und verarscht die Bürgerin und den Bürger.

    Antworten

    • Karl Springer
    • 11.09.17, 16:48 Uhr

    Huhuhhh,
    Ich für meinen Teil freue mich auf das Ergebnis der Wahl. Egal von welcher Seite die schlauen Kommentare und Prognosen kommen – der mündige Wahlberechtigte wird nach seinem Gusto entscheiden und das ist gut so. Ein bißchen Besserwisserei hier und ein bißchen Theaterdonner da, wen juckt es schon. Jeden Morgen geht die Sonne auf und bescheint das dann vorherrschende Szenario und egal wie es kommt, es gibt immer Gewinner und Verlierer, Zufriedene und Unzufriedene. Entscheide dich jeden Tag für das halbvolle und nicht für das halbleere Glas. Das macht zufriedener.
    MfG Karl Springer

    Antworten

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.