Ein Wort zum Montag, dem 23. September 2024
VON CORNELIA SENG
In der “Neuen Galerie” in Kassel sind die jüngeren Kunstwerke ausgestellt, Werke aus dem 19. und 20. Jhdt. Auch ganz moderne Werke, die schon auf einer Dokumenta gezeigt wurden. Eine bunte Sammlung! Die Maler widmen sich Landschaften und Personengruppen. Oder ganz Abstraktem. Biblische Geschichten und christliche Inhalte kommen kaum noch vor.
Fällt mir deshalb die Bildgeschichte von Johann Wilhelm Schirmer (1807-1863) auf? Schirmer stammt aus Jülich und hat später an der Kunstakademie in Düsseldorf gelehrt. Mit Vorliebe hat er Landschaften gemalt. Man spricht von einer “Schirmer-Schule” der Landschaftsmalerei.
In der “Neuen Galerie” in Kassel sind vier Gemälde von ihm zu sehen. Sie gehören zu ein und derselben Geschichte. In vier verschiedenen Episoden stellt er die Geschichte vom “Barmherzigen Samariter” dar (Lk 10, 25-37). Fast wie in einem Bilderbuch. Diese Erzählung von Jesus hat die christliche Kultur tief geprägt.
Im ersten Bild von Schirmer sehen wir, wie ein Mann zu einer Reise aufbricht im hellen Licht des anbrechenden Tages. Das zweite Bild zeigt ihn am Mittag: Er wird grausam überfallen und zusammengeschlagen. Im dritten Bild kommt der Samariter im Abendlicht vorbei und versorgt die Wunden des Verletzten. Und im vierten Bild schließlich sind beide gemeinsam unterwegs zur Herberge. Die Landschaft auf den vier Bildern wechselt, die Bäume, die Berge, und das Tageslicht auch.
Doch fehlt da nicht etwas in der Erzählung? Ich stutze. Jesus hat doch erzählt, dass zwei fromme Männer – ein Priester und ein Levit – an dem Verletzten einfach vorübergehen und nicht helfen. Warum hat J.W. Schirmer das weggelassen? War es ihm nicht wichtig? War es ihm peinlich? Rücksichtslosigkeit und Egoismus passten nicht in sein Bild von der Jesus-Geschichte.
Schirmer hat eine romantische Welt gemalt. Er hat eine “schöne” Geschichte aus der Erzählung Jesu gemacht. Aber die Welt ist anders. “Unglaub und Torheit brüsten sich frecher jetzt als je” (eg136) haben wir eben im Gottesdienst gesungen.
Nächstenliebe ist nicht selbstverständlich. Sie muss immer wieder neu gelernt werden. In jeder Generation neu. Jeden Tag neu. Wie lebt man Nächstenliebe? Was bedeutet sie in den gegenwärtigen Debatten über zu uns gekommene Menschen? Spielt sie überhaupt noch eine Rolle in der politischen Diskussion?
Nächstenliebe braucht Vertrauen in den Weg Jesu. Und Mut. Beides wünsche ich uns.