Haut ab!

VON WOLFGANG HORN

Den Arschlöchern, die das gemeinschaftliche Eigentum der Stadt und ihrer Bürgerinnen und Bürger, die Kattwinkelsche Fabrik und die Stadtbibliothek, gestern Morgen beinahe abgefackelt hätten, kann man nur zurufen: Haut endlich ab, laßt die Menschen hier in Ruhe und ihre Sachen, ihre Plätze, ihre Stadt, ihre Kultstätten. Ich weiß, ich weiß, nicht mit vollem Mund sprechen und keinen Kommentar in Wut schreiben. Es muß aber mal raus.

Mit welcher Art von Idioten ist die übergroße Mehrheit der Menschen in unserer Stadt gezwungen, zusammenzuleben? Es ist nicht gerade eine kulturelle und erzieherische Großtat, wenn einige in unserer kleinen Stadt zwar mir und mich fehlerfrei verwenden, aber offenbar große Probleme haben, mein und dein voneinander unterscheiden zu können. Bei einigen in der Stadt – und ich bin sicher, daß man das nicht entlang der üblichen soziologischen Feldlinien festmachen kann – mangelt es massiv an all jenen Eigenschaften und Tugenden, die ein gedeihliches Miteinander überhaupt möglich machen.

Respekt vor den anderen. Achtung vor den Leistungen des Nachbarn. Verständnis für Not und Schwäche bei Mitmenschen. Empathie, die Fähigkeit mitzuleiden, wenn Gesundheit und Leben, Eigentum und Würde, gleich wo, bedroht sind. Wer eine Stadtbibliothek abfackelt und eine Kulturstätte dieser Bedeutung wie die Katt, hat überhaupt keinen Begriff von Nachbarschaftlichkeit, von Kultur, von Medien für Bildung und Freizeit.

Hier geht eine Saat auf, die jedenfalls die Unempfindlichkeit gesellschaftlichen Lebens zum Ziel hatte. Die Gesellschaft eines Gemeinwesens bedarf der Integration, des Zusammenführens, des Schutzes durch Schulterschluss. Bei deprivierten und krawallsozialisierten Jugendlichen und jungen Erwachsenen geht es um die Kraft der Muskeln statt der Gestaltungsfähigkeiten von Kopf und Anstand. Die Zeit für Mutproben sollte vorbei sein, wenn die Sandkästen nicht mehr gemeinschaftlich besucht werden.

Das nicht Sagbare ist die Sprache, die Feinde werden läßt, wo Brüderlichkeit sein sollte, Nächstenliebe, Solidarität. Das nicht Sagbare macht die Gesellschaft verächtlich, die Menschen, die sie tragen auch, Politiker, Wissenschaftler, Ehrenamtler. Das nicht Sagbare spaltet und macht herzlos, stumpf und blöd.

Ja, die Katt abzufackeln, dazu gehört eine ganze Menge Blödheit. Unsere Stadtgesellschaft ist an einer Stelle angekommen, an der der Schutz des Gemeinwesens nicht mehr nur Sache der Parteien und ihrer Fraktionen im Rathaus ist und sein kann. Die Katt gehört allen Dellmännern und Dellfrauen. Die Stadtbibliothek ist unsere Bibliothek. Wir sollten uns kümmern. Gemeinsam.

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