Ein Wort zum Montag, dem 29. April 2024
VON CORNELIA SENG
“Ich mag Raben. Ich weiß selber nicht, aus welchem Grund,“ sagt die sympathische, kompetente junge Frau. Das war im letzten Sommer, bei einem Spaziergang im Habichtswald. Immer wieder bleibt sie stehen und lauscht auf das raue Krächzen der Vögel. Ich dagegen verbinde Raben und Krähen eher mit Düsternis und winterlicher Kälte. Aber offensichtlich kann man sie auch ganz anders erleben.
Auch der Prophet Elia hat Raben ganz anders erlebt. Bei dem König waren seine Worte nicht gut angekommen. Eine Trockenzeit hatte er im Auftrag Gottes prophezeit. Schlechte Nachrichten hören Herrscher nicht gern. Elia zog sich zurück in die Einöde, an einen Bachlauf. „Ich habe den Raben geboten, dass sie dich dort versorgen sollen“, sagte Gott zu ihm. Morgens und abends brachten die Raben ihm Brot und Fleisch (1.Könige 17). Gott bedient sich der Raben, um seinen Propheten zu versorgen. Auch Elia wird auf ihr Krächzen gelauscht haben. Bestimmt hat er sich über jeden der schwarzen Vögel gefreut. “Gott hat mich nicht vergessen. Er sorgt für mich“, hat er mit jedem Raben erlebt.
Vor dem Fenster auf meinem Balkon lässt sich ab zu eine kleine Blaumeise blicken. Neugierig beäugt sie die Tüte Buttermilch, die ich auf dem Balkon stehen habe. Ich zerkleinere eine Nuss für sie und streue die Krümel auf dem Boden aus. Ganz offensichtlich mag sie Cashewkerne! Immer wieder kommt sie und pickt sich ein kleines Stück. Mit der Zeit warte ich schon auf ihren Besuch. Und ich freue mich morgens an ihrem Gezwitscher.
„Seht die Vögel unter dem Himmel an: sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen, und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Seid ihr denn nicht viel mehr als sie?“ (Matth.6, 26). So hat es Jesus seinen Schülerinnen und Schülern beigebracht.
Von den Vögeln leben lernen! Ein Leben im Vertrauen lernen. Ohne zu sammeln! Einfach darauf vertrauen, von Gott gehalten zu werden im Leben. Er wird für uns sorgen.
Ich habe noch nie Hunger leiden müssen in meinem Leben. Immer gab es genug zu essen. Genug zum Leben. Mehr als genug von allem. Trotzdem wird in unserer Gesellschaft immer mehr angehäuft. Die Konsumgesellschaft lebt vom Sammeln. Und von der Sorge um den Wohlstand.
„Seht die Vögel unter dem Himmel an“, sagt Jesus, „sie sammeln nicht in Scheunen“. Von den Vögeln zu lernen – das hieße, das Sammeln zu lassen. Und einen Lebensstil der Genügsamkeit zu lernen. Ein Leben in aller Bescheidenheit. In der Genügsamkeit lässt sich der wahre Reichtum des Lebens finden.
Fast sehnsüchtig halte ich Ausschau nach der kleinen Blaumeise.